Landtagswahl in NRW:Wie geht es mit der Inklusion weiter?

Lesezeit: 4 min

Der Philologenverband hatte mit Blick auf die Landtagswahl in NRW schon von einer "Schicksalswahl für die Gymnasien" gesprochen. Warum die populäre Schulart umgebaut werden sollte, das hat die Regierung den Wählern nicht plausibel erklären können. Außerdem hat sie die starke Lobby für das Gymnasium unterschätzt. Das Abitur soll nur dort vergeben, die Schüler weiterhin im gegliederten Schulsystem auf die Schularten verteilt werden - so in etwa die These vieler Menschen, die auch CDU und FDP weitgehend teilen.

Zwar versuchten die Ex-Regierenden noch, dem Wähler ihre Motivation zu erklären: die Gemeinschaftsschule sei humaner und gerechter, kein anderes Schulmodell durchlässiger. Gebracht hat es ihnen nicht viel, das Wahlergebnis kann nun auch als ein Votum für starke Gymnasien in NRW gelesen werden.

Inklusion

Was das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung angeht, zeigen Studien zweierlei: Erstens profitieren die Kinder davon. Gut gemachte Inklusion fördert nicht nur den Schulerfolg, sondern auch die Sozialkompetenz der Schüler. Das klappt aber, zweitens, nur dann, wenn genügend Lehrkräfte, Sonderpädagogen, Schulbegleiter da sind - kurzum, wenn viel Geld in den Ausbau der Inklusion investiert wird.

Tatsächlich ist der NRW-Schuletat laut Ministerium seit 2010 von 13,9 auf 17,9 Milliarden Euro gestiegen. Allein in die Inklusion ist über die vergangenen Jahre mehr als eine Milliarde Euro geflossen. Trotzdem beklagen Eltern und Lehrer, sei man von einer Doppelbesetzung - pro Inklusionsklasse sind immer zwei Pädagogen im Raum - weit entfernt.

Der Deutschlandfunk zitiert die Leiterin einer Kölner Grundschule: "Wir haben rund 80 Förderkinder, und davon haben acht einen Schulbegleiter, auf unterschiedliche Klassen verteilt. Wir haben aber 16 Klassen, das heißt: Es gibt ganz viele Stunden, in denen die Grundschullehrer oder die Förderlehrer komplett mit der Klasse ganz alleine sind." So kann Inklusion nicht gelingen, und das, wo derzeit nur 40 Prozent der Kinder mit speziellem Förderbedarf in Regelklassen unterrichtet werden.

Heißt: Rot-Grün hat den Anspruch auf einen Regelschulplatz für Kinder mit Behinderung festgeschrieben, das war ein mutiger Schritt, der aus wissenschaftlicher Sicht prinzipiell in die richtige Richtung gegangen ist. Würden aber alle Eltern von Kindern mit Förderbedarf ihren Anspruch auch durchsetzen - das Schulsystem von NRW würde vermutlich vom einen auf den anderen Tag kollabieren.

CDU und FDP wollen daher die Ausweitung der Inklusion vorerst stoppen. Zumindest so lange, bis dafür die notwendigen Voraussetzungen geschaffen sind. Es braucht also mehr Personal. Wie das zu finanzieren wäre, ist jedoch fraglich. Ab 2020 gilt in NRW die Schuldenbremse. Hinter der Zukunft der Inklusion steht mit der Abwahl von Rot-Grün ein sehr großes Fragezeichen.

Fazit und Ausblick

Nun ist in der NRW-Schulpolitik natürlich nicht alles schlecht. Es besuchen in dem Land zum Beispiel überdurchschnittlich viele Schüler Ganztagsklassen. Seit 2010 hat sich die Zahl der Lehrerstellen leicht erhöht, obwohl die Schülerzahlen sogar zurückgegangen sind. Die Tendenz ist hier also positiv, wenngleich NRW noch immer im Bundesdurchschnitt die größten Klassen hat.

Solche Trends aber hat die scheidende Regierung und speziell Schulministerin Löhrmann dem Wähler nicht nahebringen können. Dort sind die großen Baustellen hängengeblieben, bei denen Rot-Grün über Jahre kaum weiter gekommen ist als Berlin bei seinem Flughafen. Löhrmann selbst hat daraus bereits Konsequenzen gezogen: "Ich strebe keine Ämter mehr an in der grünen Landespartei."

Wie es an den Schulen nun weitergeht, wird sich in den Koalitionsverhandlungen andeuten und erst über die kommenden Monate und Jahre zeigen. Bewiesen aber hat diese Landtagswahl mal wieder eines: Bildungspolitik ist eines der zentralen Refugien der Länder, nicht zufällig verfügt Deutschland über 16 leicht variierende Bildungsysteme. Damit lassen sich Wahlen gewinnen. Oder wie nun bei SPD und Grünen geschehen: verlieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema