Ländervergleich:Bildungsexperten kritisieren Schülertest

Kinder aus Bayern mit Bestnoten, Defizite bei denen aus Stadtstaaten: Das Ergebnis des aktuellen Ländervergleichs von Grundschülern klingt nicht neu - und provoziert Kritik.

Die Studie ist aktuell, doch die Ergebnisse klingen allzu bekannt: Bayerns Grundschüler sind die besten der Republik. Sie sind Spitzenreiter im Lesen und Rechnen, auch das Verständnis beim Zuhören ist bestens. Auf den Rängen folgen Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Baden-Württemberg - der Süden dominiert, wie so häufig in Tests und Studien dieser Art. Besonders die Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin schneiden in allen Bereichen schlecht ab.

Erstklässler

Bayerns Grundschüler sind die Besten im Rechnen und Lesen. Doch Bildungsexperten kritisieren den jüngsten Bundesländer-Vergleich.

(Foto: dpa)

Der Ländervergleich der Grundschülerleistungen des Instituts IQB im Auftrag der Kultusministerkonferenz zieht allerdings auch gleich nach der Veröffentlichung Kritik nach sich: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die Sinnhaftigkeit in Frage gestellt. "Es sind immer die gleichen Länder an der Spitze und die gleichen am Ende", sagte die GEW-Vize Marianne Demmer. "Warum das so ist, ist auch zehn Jahre nach der ersten Pisa-Studie ein Buch mit sieben Siegeln. Und wie es zu ändern wäre, ist gänzlich unerforscht."

Demmer forderte "neue Akzente in der Bildungsforschung". Sinnvoller sei es, nicht komplette Bundesländer, sondern wirtschaftlich und soziokulturell ähnliche Regionen miteinander zu vergleichen. Der Umbau zu einem inklusiven Schulsystem mit dem gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern und einer effektiven Lehrerfortbildung müsse forschend begleitet werden.

Die Kultusminister sehen indes Handlungsbedarf. "Die Ergebnisse sind insgesamt erfreulich, dennoch bleibt viel zu tun", sagte der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD). Insgesamt belegten die Resultate einen hohen Leistungsstand der Grundschüler, es gebe aber auch Defizite. "Insbesondere Kinder aus bildungsfernen Familien müssen besser gefördert werden", mahnte Rabe.

Seit dem Pisa-Schock vor gut zehn Jahren und dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler im internationalen Vergleich sei viel verbessert worden. Jetzt müsse nach den Ursachen geforscht werden, warum es zwischen einzelnen Bundesländern zum Teil noch immer große Unterschiede gebe, sagte Rabe.

"Es bleibt viel zu tun"

Die Wissenschaftler vom ländereigenen Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) verwiesen auf die unterschiedliche Ausgangslage in den Ländern. Gleichwohl gebe es Bundesländer, die zum Beispiel bei der Leseförderung von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern erfolgreicher seien als andere. Als Musterbeispiel gilt dabei erneut Sachsen - während die Förderung von Migrantenkindern zum Beispiel in Mathematik in Rheinland-Pfalz und im Saarland gut gelingt. "Wir wollen alle mehr von einander lernen", versicherte Rabe.

"Die Mobilität von Eltern über die Bundesländergrenzen hinweg ist ein Grundrecht", sagte Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle. Er regte dazu einen Länderstaatsvertrag an. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) warnte davor, nur auf die Leistungsergebnisse zu schauen. "Wir brauchen ein gutes und hohes Lernniveau. Wir müssen aber auch für soziale Gerechtigkeit in der Bildung sorgen."

Der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, wertete die Ergebnisse insgesamt "als großes Kompliment für Bayerns Grundschullehrkräfte". Sie leisteten "hervorragende Arbeit", gingen aber dabei oftmals "täglich an ihre persönliche Grenze, denn besonders unterstützt werden sie nicht". Der BLLV fordert daher, für jede Klasse eine zusätzliche pädagogische Fachkraft zur Verfügung zu stellen. Als "beschämend" bezeichnete Wenzel "die erneut nachgewiesene Ausgrenzung sozial benachteiligter und ausländischer Kinder".

Der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbands, Max Schmidt, verlangte mehr Deutschunterricht. "Für ein Fortkommen in Schule und Beruf wie auch für eine gelingende persönliche Lebensführung ist die sichere Beherrschung des Deutschen unverzichtbar", sagte er. Während die Länder Baden-Württemberg und Sachsen ihren Schülern in den Jahrgangsstufen drei und vier je sieben Wochenstunden Deutschunterricht zugestünden, seien es in Bayern nur noch je sechs.

Für den ersten rein innerdeutschen Grundschul-Leistungsvergleich wurden im vergangenen Jahr mehr als 30.000 Viertklässler an über 1300 Grund- und Förderschulen getestet. Anders als bei den internationalen Schulleistungsstudien Pisa, Iglu und Timss wurden die Testaufgaben für den nationalen Vergleich allein aus den von den Kultusministern verabredeten neuen bundesweiten Bildungsstandards entwickelt. Sie beschreiben, was ein Schüler am Ende der jeweiligen Jahrgangsstufe können soll.

Die Untersuchung bestätigt frühere Erkenntnisse, wonach Jungen besser rechnen, die Mädchen dagegen besser lesen und schreiben können. Dies wird besonders bei der Orthografie deutlich. Dort sind die Mädchen den Jungen im Schnitt um 32 Punkte voraus - was dem Lernfortschritt von einem halben Schuljahr entspricht.

(Hier finden Sie die einzelnen Ergebnisse des Tests.)

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