Konflikte um Studiengebühren:Bayerns Unis horten Millionen

Die Studiengebühren in Bayern bleiben ein Stein des Anstoßes. Denn auf den Konten der Hochschulen liegen bereits Millionen. Aber obwohl die Lage an den Unis immer prekärer wird, geben sie nur wenig davon aus. Zudem gibt es ständig Diskussionen, wofür die Gelder überhaupt verwendet werden dürfen.

Martina Scherf

Fast 86.000 junge Menschen haben in diesem Jahr ein Studium in Bayern aufgenommen, ein Drittel mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zum Jahr 2005 sind es sogar 70 Prozent mehr. Damit liegt Bayern bundesweit an der Spitze, und Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) nimmt diese Zahlen als Bestätigung für die Attraktivität der bayerischen Hochschulen - trotz der Studienbeiträge, die seit 2007 erhoben werden. Dennoch bleiben die Gebühren ein Stein des Anstoßes. Vor allem, weil noch immer Millionen auf den Konten der Hochschulen liegen. Die Opposition im Landtag fordert deshalb die Abschaffung der Gebühren, so wie es die baden-württembergische Landesregierung jetzt beschlossen hat - bei voller Kompensation des Einnahmeausfalls aus dem Haushalt.

Konflikte um Studiengebühren: Die Hörsäle in Bayern sind voll - wie hier an der LMU in München. Die Studenten zahlen in der Regel 500 Euro Gebühren pro Semester, es kommt aber nur wenig davon wieder bei ihnen an.

Die Hörsäle in Bayern sind voll - wie hier an der LMU in München. Die Studenten zahlen in der Regel 500 Euro Gebühren pro Semester, es kommt aber nur wenig davon wieder bei ihnen an.

(Foto: Stephan Rumpf)

Derzeit studieren 322.000 Studierende an bayerischen Hochschulen, wie das Ministerium jetzt bekannt gab, nachdem alle Nachrücker mitgezählt sind. Sie bezahlen in der Regel 500 Euro Studiengebühren pro Semester, an den Kunst- und Musikhochschulen rund 300 Euro, an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften zwischen 300 und 500 Euro. Für die Unis bedeutet das jedes Semester Mehreinnahmen in Millionenhöhe, in Erlangen sind es zum Beispiel rund 19 Millionen. Insgesamt rechnen die Hochschulen im Freistaat in diesem Wintersemester mit 86 Millionen Euro mehr.

Obwohl sie vom Minister verpflichtet wurden, ihre Restmittel bis zum Sommer auf zehn Prozent zu reduzieren, gelingt dies nur in Ansätzen. "Das Horten der Mittel bleibt ein Ärgernis", sagt jetzt auch der neue hochschulpolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, Oliver Jörg. "Das Geld soll ja unmittelbar den Studierenden zugute kommen." Auch er meint, die Gebühren müssten reduziert werden, wenn sich keine konkrete Verwendung findet. Denn die vorgeschriebene "zeitnahe" Verwendung ist in der Praxis nur bedingt möglich. Der größte Effekt für bessere Studienbedingungen sind mehr Räume und Personal. Doch Gebäude gehören zur Grundausstattung, für die der Staat und nicht die Studierenden aufkommen müssen. Und das Bemühen der Unis, Dozenten und Sprachlehrer zu engagieren, denen sie nur Zeitverträge anbieten können, ist nur zum Teil erfolgreich. Deshalb gibt es ständig Konflikte um die Verwendung des Geldes.

Eine zentrale Übersicht über die Ausgaben fehlt

Bisher haben Minister Heubisch und einige Uni-Präsidenten den Studenten die Schuld gegeben, dass Projekte verhindert werden", sagt Ulrike Gote von den Grünen. In der Antwort des Ministeriums auf ihre schriftliche Anfrage sei jetzt aber nur noch von "Einzelfällen" die Rede. Eine zentrale Übersicht, wofür in Bayern die Studiengebühren ausgegeben werden, gibt es nicht, da jede Hochschule unterschiedlich mit dem Thema umgeht. Deshalb kommt es immer wieder zu Diskussionen, ob Parkplätze finanziert werden dürften, wie an der FH Weihenstephan-Triesdorf, oder Elektroanschlüsse wie in Kempten.

Für die Studierendenvertreter sind solche Streitereien ohnehin nicht das zentrale Argument gegen die Gebühren. "Andere Bundesländer haben eingesehen, dass Studiengebühren sozial selektiv wirken und eine enorme Belastung für finanziell schlecht gestellte Studierende bedeuten", sagt Landes-Sprecherin Franziska Traube. An ihrer Uni, der TU München, hätten die Studenten daher für eine Senkung der Gebühren plädiert, seien jedoch von Hochschulleitung und Senat überstimmt worden.

Mehr Transparenz

Das ist gang und gäbe, sagt Ulrike Gote: "Die Gremien sind zwar paritätisch besetzt, wie es das Gesetz vorschreibt. Aber die Unis gehen unterschiedlich damit um. Vielfach werden dort nur Vorschläge erarbeitet, letztlich entscheidet die Hochschulleitung oder der Senat." Sebastian Teichert, Fachschaftssprecher der Technischen Fakultät in Erlangen, meint, allein der Aufwand, die Beiträge zu verwalten, verbrauche "unheimlich viel Zeit und Kraft von Studenten und Professoren", so dass das Modell kontraproduktiv sei. Er wünscht sich zumindest einen gemeinsam formulierten, präzisen Leitfaden, was genau mit dem Geld gefördert werden darf und was nicht. So würde endlich auch mehr Transparenz in das System kommen, was die Studenten schon lange fordern. Denn während an einigen Unis zum Beispiel Bauten im Wert von bis zu einer Million Euro finanziert werden, ist das an anderen Unis tabu.

Insgesamt komme von dem Geld nur wenig bei jenen an, die es bezahlt hätten, meint Michael Piazolo, Hochschulexperte der Freien Wähler im Landtag: "Nach wie vor sitzen die Hochschulen auf Millionenbeträgen, und die Situation an den Hochschulen wird immer prekärer: überfüllte Hörsäle, Mensen und Bibliotheken, marode Gebäude, mangelnder Wohnraum und zu wenig Lehrangebote." Für ihn gibt es daraus nur eine Konsequenz: "Studienbeiträge endlich abschaffen und als ersten Schritt sofort aussetzen."

Minister Heubisch weist diese Forderung entschieden zurück. In seinem Bericht ans Kabinett diese Woche erwähnte er lediglich "vereinzelte räumliche Engpässe, die mit Provisorien überbrückt werden und die Ausnahme bilden". Im nächsten Jahr würden 400 neue Stellen geschaffen, als erste Maßnahme aus den im Koalitionsvertrag vereinbarten 10.000 zusätzlichen Studienplätzen.

In Bayern laufen derzeit Volksbegehren der Piratenpartei und der Freien Wähler für eine Abschaffung der Studiengebühren. Die SPD will sie mit einer Massenpetition im Landtag zu Fall bringen.

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