Studium:Warum sollten Studenten überall billig wohnen dürfen?

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Das Studentendorf Adlershof in Berlin. (Foto: dpa)

Ja, Studentenwohnungen kosten derzeit mehr als früher. Trotzdem sollte sich der Staat zuerst um ein drängenderes Problem im Bildungssystem kümmern.

Kommentar von Benedikt Müller

Ja, das Leben eines Studenten ist teurer geworden in den vergangenen Jahren. In gefragten Großstädten zahlen sie für ihr Zimmer bis zu 100 Euro mehr pro Monat als noch vor fünf Jahren, das zeigen zwei neue Studien. Und ja, weil immer mehr Investoren diesen Markt entdecken, werden sich Studentenwohnungen weiter verteuern. Längst fordern die Studentenwerke, die Politik müsse endlich mehr Geld für den Bau von Wohnheimen lockermachen.

Aber sind wirklich alle Studenten so von der Pleite bedroht, wie sie sich gerne darstellen? Das wäre eine ziemlich kurzfristige Betrachtung der Dinge.

Denn Studentenvertreter lassen einiges gerne unerwähnt. Erstens, dass die Studenten von heute mit hoher Wahrscheinlichkeit die Top-Verdiener von morgen sind. Schon jetzt herrscht unter Akademikern hierzulande praktisch Vollbeschäftigung. Die meisten Hochschulabsolventen verdienen im Laufe ihres Lebens deutlich mehr als ihre Kollegen in Lehrberufen. Und ihre Aussichten bleiben gut. Es ist so vielversprechend wie selten zuvor, in Studienjahre zu investieren.

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Zweitens: Die Gesellschaft schenkt den Studenten bereits eine sehr gute Ausbildung. Wer beispielsweise in München oder Mannheim studiert, zahlt für das Studium an einer der renommiertesten Universitäten Europas nichts weiter als einen Kostenbeitrag von rund 100 Euro pro Semester. Jedes Jahr investieren die Länder Milliarden in ihre Hochschulen. Weil sie wissen, dass die Wirtschaft enorm profitiert von gut ausgebildeten Talenten und von der Forschung an den Hochschulen.

Auch in Leipzig kann man hervorragend studieren

Doch die Gesellschaft muss den Gutverdienern von morgen nicht auch noch eine Wohnung in den teuersten Innenstädten des Landes finanzieren. Das wäre nicht zuletzt ungerecht denen gegenüber, die eine rein schulische Ausbildung machen. In vielen Gesundheits- und Sozialberufen etwa zahlen Auszubildende ebenfalls jahrelang drauf.

Drittens: Die wenigsten Studenten sind gezwungen, ihre Ausbildung in München oder Frankfurt zu machen. Städte wie Bochum oder Leipzig zeigen, dass bezahlbare Wohnungen sehr wohl in der Nähe einer guten Universität liegen können.

Deshalb ist es nicht per se ungerecht, dass die Mieten für Studentenwohnungen und WG-Zimmer steigen. Gefährlich wäre nur, wenn die hohen Wohnkosten noch mehr Kindern aus einkommensschwachen Familien den Eindruck vermitteln würden, dass sie sich sowieso kein Studium leisten könnten. Es ist schlimm genug, dass der Bildungserfolg in Deutschland so stark vom Elternhaus abhängt wie in kaum einem anderen reichen Land.

Wer nebenher arbeiten muss, um sein Zimmer zu finanzieren, ist zunehmend im Nachteil gegenüber dem Kommilitonen, der voll von der Familie finanziert wird oder sogar mietfrei in der Eigentumswohnung der Eltern wohnt; die Fälle gibt es nämlich auch. Doch dieses Problem wird der Staat nicht lösen, indem er mit der Gießkanne neue Studentenwohnheime fördert - in die am Ende dann doch die Ingenieurstochter einzieht.

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Von Benedikt Müller

Vielmehr sollte Deutschland gezielt in die Durchlässigkeit seines Bildungssystems investieren. Dabei reicht es nicht, wenn junge Menschen lernen, dass es sich auszahlt, teure Studienjahre in Kauf zu nehmen. Sie sollten auch sicher sein können, dass die Gesellschaft wirklich einspringt, wenn ein Student keine finanzielle Unterstützung von seiner Familie erwarten kann. Zu diesem Zweck könnte der Staat seine Vergabe zinsloser Darlehen ausweiten. Oder das Bafög so umgestalten, dass Studenten keine Angst mehr haben müssen, in eine Schuldenfalle zu geraten, falls sie nach dem Studium doch nicht schnell genug Geld verdienen, um ihre Finanzierung zurückzuzahlen.

Zudem sind Unternehmen, Verbände, Stiftungen und andere Akteure der Gesellschaft gefragt, Stipendien zu vergeben. Denn Förderung ist dann besonders wertvoll, wenn sie Menschen einen Aufstieg ermöglicht, der ohne diese Hilfe nicht möglich gewesen wäre. Breit angelegte Subventionen führen dagegen dazu, dass viele Begünstigte Vorteile annehmen, auf die sie gar nicht angewiesen wären.

Übrigens konkurrieren nicht nur Studenten untereinander um günstigen Wohnraum. Längst konkurrieren auch Hochschulen untereinander um talentierte Studenten. In diesem Wettbewerb hat beispielsweise die Universität in Frankfurt die besonders hohen Mieten in der Stadt als echten Standortnachteil identifiziert. Dort investieren Stadt und Land nun gemeinsam in neuen Wohnraum. Es besteht also Hoffnung, dass vernünftige Lösungen dort entstehen, wo sie am dringendsten gebraucht werden.

© SZ vom 11.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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