Klassenkampf - der Schulratgeber:Kann man die Schule während des Schuljahres wechseln?

Schulratgeber

Wann macht ein Schulwechsel Sinn?

(Foto: Illustration: Jessy Asmus / SZ.de)

Bei der Seminarzuteilung für die Oberstufe sind die Wünsche des Sohnes übergangen worden. Nun denken die Eltern über einen Schulwechsel nach. Aber ist der überhaupt möglich - und sinnvoll?

Von Matthias Kohlmaier

Die Leserfrage

Unser Sohn besucht die 11. Klasse eines Münchner Gymnasiums. Am letzten Tag des vergangenen Schuljahres wurden die Zuordnungen für die Wissenschafts- und Projekt-Seminare der Q11 ausgehängt. Die SchülerInnen konnten einen Erstwunsch und zwei Alternativen der angebotenen Seminare ankreuzen. Es wurde versichert, dass zumindest eines der Erstwahlseminare an jeden vergeben würde. Bei unserem Sohn war das aber nicht der Fall.

In der Vergangenheit haben wir bereits schlechte Erfahrungen mit der aus unserer Sicht inkompetenten Schulleitung gemacht. Nun überlegen wir, unseren Sohn an einem anderen Gymnasium in der Stadt anzumelden. Ist ein Wechsel in Q11 zu einem anderen Gymnasium in der Münchner Innenstadt möglich und was muss getan werden, damit dies klappt?

Die Antwort

Im ersten Moment klingt das nach einer Frage, die schnell mit ja oder nein zu beantworten wäre. Sie hat aber weitere Dimensionen. Einmal geht es darum, ob der Schulwechsel während des laufenden Schuljahres und der bereits begonnenen Oberstufe möglich ist. Aber ein Schulwechsel, gerade so kurz vor dem Abitur, hat auch verschiedene Vor- und Nachteile, die bei Ihrer Entscheidung bedacht werden sollten.

Ist der Schulwechsel während der Oberstufe möglich?

Prinzipiell: Ja, aber mit Einschränkungen. Rein technisch besteht der Wechsel von einem Gymnasium zum anderen aus der Abmeldung bei der einen und der Anmeldung bei der anderen Schule. Ob Ihr Sohn allerdings bei der Wunschschule aufgenommen wird, entscheidet die Schulleitung des neuen Gymnasiums - gewöhnlich nach Rücksprache mit der alten Schule. Ein Rechtsanspruch auf die Aufnahme an einer bestimmten Schule besteht nicht.

Gewöhnlich findet ein Schulwechsel zum Schuljahresende statt, da sich das Organisatorische dann für alle Beteiligten am einfachsten erledigen lässt. So muss der Schüler zum Beispiel keine an der alten Schule bereits erhaltenen Zensuren mit an die neue Schule nehmen. "Nur in besonderen Fällen" sei ein Wechsel während des Schuljahres möglich, sagt das für die städtischen Münchner Gymnasien zuständige Referat für Bildung und Sport auf Anfrage. Folgendes kann einen Wechsel rechtfertigen:

  • Wohnsitzwechsel in eine andere Stadt
  • Disziplinarmaßnahmen
  • Mobbing
  • das Verlassen eines Privatgymnasiums aus finanziellen oder ethischen Gründen

Da in Ihrem Fall keiner dieser Gründe zutrifft, werden Sie den Wechselwunsch sehr schlüssig begründen müssen. Bei einer möglichen neuen Schule wäre außerdem die Reihenfolge des Sprachunterrichts für Ihren Sohn zu beachten. Denn: Schüler mit einer spät beginnenden Fremdsprache (oft Italienisch oder Spanisch) müssen diese in allen vier Ausbildungsabschnitten der Oberstufe belegen. Prüfen Sie also, ob die Wunschschule die nötige Sprache überhaupt anbietet. Zusätzlich sollten Sie beachten, dass das Profil der möglichen neuen Schule zu Interessen und Talenten Ihres Sohnes passt.

Vor- und Nachteile des Schulwechsels

Vorteile eines späten Schulwechsels

Schulischer (wie natürlich auch hochschulischer oder beruflicher) Erfolg hängt maßgeblich von der eigenen Motivation ab. Ist man glücklich mit seiner Aufgabe und seinem Umfeld, kann man auch seine besten Leistungen abrufen. Gerade beim Abitur ist das essenziell, denn ein schlechter Abischnitt kann den Zugang zum womöglich NC-beschränken Wunschstudiengang massiv erschweren. Will heißen: Wenn Ihr Sohn mit seiner aktuellen Schule und deren Leitung ebenso unglücklich ist wie Sie, kann ein Wechsel im Sinne aller Beteiligten sein.

Neben dem Faktor Motivation ist in Ihrem speziellen Fall der Grund für die Probleme besonders relevant. Das Wissenschaftspropädeutische Seminar (W-Seminar) und das Projekt-Seminar zur Studien- und Berufsorientierung (P-Seminar) bieten Schülern in Bayern die Möglichkeit, sich während der Oberstufe zu spezialisieren und eigene Interessen zu überprüfen - was für die spätere Studien- oder Berufswahl wichtig ist. Das Kultusministerium bezeichnet die Seminare als "wichtiges Bindeglied an der Schnittstelle von Gymnasium und Hochschule bzw. Arbeitswelt". Kann Ihr Sohn nicht einen der gewünschten Kurse belegen, wird ihm die Möglichkeit zur Orientierung für die Zukunft ein Stück weit genommen - was einen Schulwechsel ebenfalls sinnvoll machen kann.

Nachteile eines späten Schulwechsels

So sehr persönliche Antipathie und Wahl von W- und P-Seminar als Gründe für den Wechsel ins Gewicht fallen, spricht auch vieles gegen eine Veränderung kurz vor dem Abitur. Ihr Sohn hat mit einiger Wahrscheinlichkeit seine ganze weiterführende Schulkarriere am aktuellen Gymnasium verbracht, hat dort Freunde, kennt Lehrer und Räumlichkeiten. Das ist ein Wert an sich, denn ein Schulwechsel ist mit Stress verbunden. Unterschätzen Sie bei Ihren Überlegungen keinesfalls, was es für einen Jugendlichen bedeutet, aus seinem gewohnten Umfeld heraus kurzfristig in ein gänzlich unbekanntes verpflanzt zu werden.

Manchen kann so ein Standortwechsel beflügeln, ein anderer braucht länger, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Ob Sie dieses Risiko auf dem Weg zum Abitur eingehen wollen, müssen Sie im Gespräch mit Ihrem Sohn herausfinden - denn der Hauptbetroffene ist er.

Abschließend noch ein Wort zur Schulleitung: Haben Sie denn nach der für Sie nicht glücklich verlaufenen Seminarzuteilung das Gespräch mit den Verantwortlichen gesucht und die Gründe erfragt? Es kann vorkommen, dass sich der Stundenplan so unglücklich verändert, wenn nur zwei Schüler - ein Zahlenbeispiel - der Oberstufe eine bestimmte Fachkombination wählen, das hundert andere deshalb länger in der Schule bleiben müssten. Gewöhnlich entscheidet in einem solchen Fall die Schulleitung im Sinne der Majorität und teilt den zwei Schülern andere Kurse zu. Haken Sie nach, bevor Sie die Schulwechselpläne weiterverfolgen.

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