Klage der Bildungsministerin:Wieso Schavan ihren Titel noch tragen darf

Ihre Website ist unverändert, Annette Schavan firmiert weiter als "Prof. Dr.", trotz der Aberkennung des Titels durch die Uni Düsseldorf. Warum das erlaubt ist, was aus ihrer Honorarprofessur in Berlin wird und weshalb Wissenschaftler ihrer Klage wenig Chancen einräumen - wichtige Fragen und Antworten.

Von Vanessa Steinmetz, Johanna Bruckner und Martin Anetzberger

Vor mehr als 30 Jahren erlangte Annette Schavan mit ihrer Dissertation "Person und Gewissen" den Doktortitel. Das war lange, sehr lange bevor sie Bildungsministerin unter Kanzlerin Angela Merkel wurde. Am vergangenen Dienstagabend hat die Universität Düsseldorf nach neun Monaten Prüfung nun entschieden, "die schriftliche Promotionsleistung von Frau Schavan für ungültig zu erklären und ihr den Doktorgrad zu entziehen." Schavan hat umgehend angekündigt, dagegen vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf zu klagen.

Doch wie gut stehen ihre Chancen? Welche Konsequenzen ergeben sich für ihre Honorarprofessur an der Freien Universität Berlin (FU), und gibt es eigentlich eine Verjährungsfrist für Plagiatsfälle? Wichtige Fragen und Antworten zur Causa Schavan.

Welche Aussichten hat ihre Klage?

Schavans Anwälte begründen die angekündigte Klage damit, dass die Aberkennung des Doktortitels in einem "fehlerhaften Verfahren zustande gekommen" und die Entscheidung "auch materiell rechtswidrig" sei. Die gesetzlich vorgeschriebene Vertraulichkeit sei mehrfach verletzt worden, heißt es weiter in einem Statement der Juristen. Den Vorwurf der Täuschung wiesen sie zurück.

Die Erfolgsaussichten der Kläger sind nach Ansicht von Experten aber eher gering. "Ich kenne keinen Fall, in dem eine Aberkennung durch ein Gericht wieder zurückgenommen wurde", sagt Wissenschaftsrechtler Wolfgang Löwer von der Universität Bonn zu Süddeutsche.de. Das Gericht entscheide über Verfahrensfehler, aber auch die Gründe der Aberkennung. Generell seien nur knapp zehn Prozent der verwaltungsrechtlichen Klagen erfolgreich. "Die Erfolgschancen der Bildungsministerin sind auch deshalb begrenzt, weil die Fakultät bei ihrer Entscheidung einen Ermessensspielraum hat", sagt Löwer. Darüber könne ein Gericht ohnehin nicht entscheiden.

Darf Schavan den Titel nach der Entscheidung der Uni Düsseldorf noch tragen?

Die Frage ist recht eindeutig zu beantworten: Ja. Grund dafür ist, dass die Klage eine aufschiebende Wirkung hat, erklärt Löwer. Der Prozess könnte sich über mehrere Monate hinziehen. Zudem hat die Universität Düsseldorf die Aberkennung nicht mit sofortiger Wirkung entschieden. Somit wird wohl erst nach einem abschließenden Gerichtsurteil klar sein, ob Schavan ihren Doktortitel behalten darf oder abgeben muss. Auf ihrer Website nennt sie den Doktortitel ebenso wie ihren Titel als Honorarprofessorin gegenwärtig also zu recht.

Wie schnell ist mit einer Entscheidung des Gerichts zu rechnen?

Noch liege dem Verwaltungsgericht Düsseldorf die Klage der Bildungsministerin nicht vor, sagt der Vorsitzende Richter Winfried Schwerdtfeger Süddeutsche.de. Schavans Anwälte haben einen Monat Frist. Wie lange sich das Verfahren hinzieht, hängt von der "Eilbedürftigkeit" ab. Hätte der Fakultätsrat entschieden, der CDU-Politikerin den Doktortitel mit sofortiger Wirkung zu entziehen, hätten ihre Rechtsbeistände ein Eilverfahren beantragen können, und ihr Anliegen wäre priorisiert worden. Der Dekan der Philosophischen Fakultät hat jedoch angekündigt, er werde Schavan die Entscheidungsgründe in den kommenden Tagen zukommen lassen, sodass sie die Möglichkeit habe, Klage einzureichen.

Schwerdtfeger zufolge dauerten reguläre Verfahren in Düsseldorf vergangenes Jahr im Schnitt elf Monate. Einigen sich die Parteien im Laufe des Verfahrens, verkürzt sich die Zeit um etwa vier Monate. Die Union kann also eher nicht damit rechnen, dass das Thema vor der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs vom Tisch ist.

Wie würde ein solches Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ablaufen?

Das Gericht fordere erst einmal alle Unterlagen an und mache diese der Klägerseite zugänglich, sagt Richter Schwerdtfeger. Diese habe dann die Möglichkeit, konkret zum beanstandeten Verfahren Stellung zu nehmen. Wenn alle Argumente ausgetauscht sind und bis dato keine Einigung erreicht wurde, kommt es zu einer mündlichen Verhandlung.

Gibt es für Plagiatsfälle keine Verjährungsfrist?

Nein, gibt es nicht. Wissenschaftsrechtler Löwer verweist darauf, dass eine Verjährungsfrist zwar prinzipiell eine mögliche Sanktionierung - wie den Entzug des Titels - nach langer Zeit verhindern könne. Die Tatsache, dass eine wissenschaftliche Arbeit fehlerhaft sei, könne jedoch zu jeder Zeit festgestellt werden. Eine solche Arbeit greife die Integrität der betroffenen Person an, unabhängig von einer möglichen Verjährung. Der Fakultätsrat hatte es abgelehnt, an die Arbeit Schavans andere Maßstäbe anzulegen als heutzutage.

Warum hat Schavan lediglich einen Doktortitel und keinen niedrigeren akademischen Grad?

Generell sei es für Pädagogen auch damals sehr untypisch gewesen, das Studium ausschließlich mit einer Promotion zu beenden, sagt Wissenschaftsrechtler Löwer. Aber es ging, da die Zulassungsvoraussetzungen in den Promotionsordnungen weniger festgelegt waren. So war - im Gegensatz zu heute - der Nachweis eines vorherigen Abschlusses nicht immer zwingend. Schavan hätte ohne Staatsexamen jedoch nicht als Lehrerin arbeiten können. Dieser Punkt ist besonders bitter für die Bildungsministerin, sollte sie ihren Titel tatsächlich verlieren. Dann steht sie ohne berufsqualifizierenden Abschluss da. Darauf verweisen sowohl ihre Anwälte als auch der Fakultätsrat der Universität Düsseldorf. Da Schavan ihr Studium direkt mit der Promotion abgeschlossen hat, können Leistungen, die sie während des Studiums erbracht hat, ihr nun nicht mehr angerechnet werden - beispielsweise für einen Magisterabschluss, sagt Löwer. "Dinge, die anerkennungswürdig wären, sind durch die lange Zeitspanne schon verfallen."

Was wird aus Schavans Honorarprofessur?

Dazu wollte sich die FU Berlin auf Anfrage von Süddeutsche.de nicht äußern. Die Hochschule hatte Schavan im Wintersemester 2008 zur Honorarprofessorin im Fach Katholische Theologie bestellt. In der Mitteilung von damals nahm sie dabei auch ausdrücklich Bezug auf Schavans Promotionsarbeit. "Die Verleihung hatte sich unter anderem auf die Qualität der Dissertation gestützt", sagt Löwer. Die zuständigen Universitäten müssten sich den Konsequenzen der Entziehung von Doktorgraden stellen. "Dass da jetzt ein Problem besteht, kann man sich ja denken."

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