Jungstudenten an der Musikhochschule:Schule, Schlagzeug, Studium

Schlagzeug

Nach der Schule an die Drums - oder ein anderes Instrument: Die Jungstudenten der Musikhochschule in München üben täglich fünf Stunden.

(Foto: Catherina Hess)

Wenn sie Abitur machen, dann haben sie bereits mehrere Semester an der Hochschule studiert: die Jungstudenten der Hochschule für Musik in München. Nach dem Schultag heißt es für die hochbegabten Nachwuchsmusiker üben, üben, üben - und auch mal unter Leute kommen.

Von Sophia Münder

Die Sticks in Christians Händen wirbeln umher, als würden sie tanzen. Der junge Mann mit den kurzen blonden Haaren trommelt immer schneller auf seiner Snaredrum, die Ärmel der blauen Stoffjacke zucken dabei, und es klingt nach Regen, der immer stärker auf den Boden prasselt. Er spielt den ersten Satz aus "Trio per uno" von Nebojša Jovan Živkovic. Christian ist 17 und spielt Stücke, die im ersten Semester an der Münchner Musikhochschule gefordert werden. Christian ist hochbegabt.

Christian Benning sitzt im schalldichten Übungsraum der Hochschule für Musik und Theater im Gasteig. Mit 13 hat er sich an der Musikhochschule beworben und gegen die erwachsenen Bewerber angespielt, die mit ihm um einen Platz fürs erste Semester kämpften. Seitdem studiert er als Jungstudent Schlagzeug - parallel zum Schulunterricht.

Auch Marika Riedl übt an diesem Tag im Gasteig. An einer vergoldeten Konzertharfe spielt die 16-Jährige mit den langen blonden Haaren die ersten drei Sätze aus Carl Philipp Emanuel Bachs "Sonate für Harfe". Während sie an den Saiten zupft, drückt sie mit den Füßen immer wieder auf eines der sieben Pedale. Ihre Professorin, die Italienerin Cristina Bianchi, sitzt ihr an einer zweiten Harfe gegenüber, sie spielt einige Passagen vor. "Ich habe hier einen komplizierten Fingersatz", sagt Marika. "Dann musst du schneller springen", antwortet ihre Dozentin. "Du musst es spielen, als wenn es jemand singt: Jam-bada-bada-ba-dam."

Sie üben oft bis tief in die Nacht

Christian und Marika sind zwei von 40 hochbegabten Schülern, die an der Hochschule für Musik und Theater das sogenannte Jungstudium absolvieren. Ihre Tage sind eng getaktet: Schule, Hausaufgaben, üben - bis zu fünf Stunden, oft bis tief in die Nacht. Wenn Samstags ihre Mitschüler ausschlafen, besuchen sie ihre Theorie-und Gehörbildungskurse.

Martina Bauer leitet zusammen mit ihrer Schwester das Jungstudium. Zusammen treten sie als Klavierduo auf und unterrichten an der Hochschule. "Es hat etwas unglaublich berührendes, wenn so junge Menschen schon das volle Ausdrucksspektrum beherrschen. Aber dass sie einen langsamen Satz so spielen können, dass man zu Tränen gerührt ist, ist selten", sagt Bauer. Die Jungstudenten sollen Freundschaften knüpfen und ihren Horizont erweitern. "Ein Schlagzeuger soll auch mal eine Oper hören und umgekehrt." Besonders wichtig sei aber, dass sie sich austauschen. "Es gilt eigentlich für alle, dass sie durch das viele Üben ein klein wenig Außenseiter sind", sagt Bauer. Denn selbst am Wochenende sind die Musiker eben oft beschäftigt und haben kaum Zeit für soziale Kontakte. "Teilweise üben sie acht Stunden in ihrem Kämmerchen, dann ist es auch wichtig, mal rauszukommen."

Damit scheint Christian keine Probleme zu haben. "Ich habe glücklicherweise Freunde, die das verstehen, wenn ich mal eine Zeit lang nur die Musik im Kopf und Scheuklappen auf habe." Sie würden dann einfach nach Christians Konzerten gemeinsam weggehen. Mit drei Jahren hat Christian, der in Dachau lebt, mit dem Schlagzeug angefangen, als einziger Musiker in der Familie. Eines Abends hat er zufällig eine Band mit Schlagzeuger im Fernsehen gesehen und war sofort begeistert. Als die Lehrerin ihn am Tag darauf fragte, was er später werden wolle, habe er sofort "Schlagzeuger" geantwortet.

Beim Wettbewerb "Jugend Musiziert" erreichte er den ersten Platz

Was anfangs nur eine spontane Idee war, nahm schnell Formen an. Mit ein paar Schlägen als Dreijähriger hat er angefangen "mit vier habe ich mein erstes Becken, eine Snaredrum und eine Hi-Hat bekommen und zum fünften Geburtstag dann ein richtiges Drum-Set". Da war er groß genug, um mit dem rechten Fuß auch das Bassdrumpedal zu erreichen.

Mit zwölf wurde Christian dann für ein Seminar bei Adel Shalaby empfohlen, der an der Hochschule unterrichtet. "Da habe ich schon gemerkt, dass Christian etwas ganz besonderes ist", sagt der aus Kairo stammende Percussionist. "Christian hat eine hervorragende Überzeugungskraft und Hingabe. Am Tag des Auswahlverfahrens war er der beste von allen Jungstudenten", sagt Shalaby. Heute spielt Christian neben dem Studium als Solopauker in der "Jungen Münchner Philharmonie" und ist festes Mitglied im "Munich Percussion Ensemble". Beim Bundeswettbewerb von Jugend Musiziert hat er mit Höchstpunktzahl den 1. Preis erreicht.

Auch Marika hat schon mit sechs Jahren begonnen, Harfe zu spielen. Mit 13 Jahren hat sie die Aufnahmeprüfung an der Jugendakademie für Hochbegabtenförderung bestanden. Seitdem pendelt sie aus dem 60 km entfernten Dorfen zum Unterricht in München. Anstrengend sei es schon, "aber das Harfe spielen macht mir so viel Spaß, dass ich das gar nicht so als Belastung sehe". Neben dem Jungstudium und der Schule spielt Marika im Bayerischen Landesjugendorchester und im Jugendorchester der Bayerischen Staatsoper. Im März hat sie den zweiten Platz beim internationalen Franz-Josef-Reinl Wettbewerb erspielt - als mit Abstand jüngste Teilnehmerin.

"In China kommen die Kinder ja schon mit drei Jahren in die Frühförderung."

Als sich Christians Schlagzeug-Karriere abzeichnete, sind seine Eltern extra in ein Haus mit dicken Wänden umgezogen, damit er in Ruhe üben kann. Außerdem fahren sie ihn samt Schlagzeug zu Konzerten. Und Marika hat bei fast allen Konzerten ihre Mutter an ihrer Seite.

Wenn Christian und Marika 2014 Abitur machen, hat Christian schon zehn und Marika acht Semester als Jungstudent an der Hochschule studiert. Dann wollen sie ins Vollstudium einsteigen. Beim Vorspielen werden sich die Jungstudenten mit den internationalen Bewerbern messen müssen. "In China kommen die Kinder ja schon mit drei Jahren in die Frühförderung. Es ist deshalb enorm schwer, gegen die internationale Konkurrenz anzuspielen, deswegen fördern wir die Jungstudenten auch so früh und intensiv", sagt Frau Bauer.

Einige der ehemaligen Jungstudenten würden im Vollstudium anfangen, das Studentenleben zu genießen. "Die sagen dann: Jetzt will ich auch mal leben und fangen an, viel wegzugehen und wegzufahren. Die wollen sich einfach mal hängen lassen, was vorher nicht gegangen ist, das finde ich eigentlich ganz gesund." Irgendwann, oft schneller als man denkt, komme der Ehrgeiz dann schon wieder.

Weitere Texte finden Sie auf: www.sz-jugendseite.de.

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