Süddeutsche Zeitung

Junglehrer in Bayern:"Wir fühlen uns ausgenutzt"

Selbst Junglehrer mit Bestnoten stehen ohne Anstellung da. Im Internet formiert sich nun Widerstand gegen die bayerische Einstellungspolitik. Der Vorwurf: Anstatt neue Stellen zu schaffen, missbrauche der Freistaat Referendare als billige Arbeitskräfte.

Von Tina Baier

Als Konstantin Müller am Freitag erfuhr, dass er keine Stelle als Lehrer an einem staatlichen Gymnasium bekommen würde, war er geschockt. Bei einem Schnitt von 1,3 hatte er sich gute Chancen ausgerechnet. Laura Schmidt (Namen aller Referendare geändert) ging es ähnlich: Sie hat einen Schnitt von 1,5 und die Fächer Mathematik und Ethik. Viele Gymnasien suchen händeringend Mathelehrer. Doch auch Laura bekam am Freitag eine Absage.

"Selbst mit Bestnoten von 1,0 gibt es teilweise kein Angebot von Seiten des Freistaats", sagt Lisa Fuchs, die die Referendare im Bayerischen Philologenverband vertritt. Von mehr als 800 Referendaren, die ihre Ausbildung im Februar abschließen werden, bekämen nur 170 eine Stelle. Das sei noch katastrophaler als vergangenes Jahr, als immerhin 30 Prozent der Bewerber angestellt wurden.

"Wir fühlen uns ausgenutzt", sagt Josef Angerer, der Englisch und Geschichte studiert hat und von Februar an ebenfalls arbeitslos ist. Zusammen mit vier befreundeten Referendaren hat er deshalb Dienstagmittag eine Facebook-Gruppe gegründet, mit dem Ziel, "die Hintergründe der Einstellungspolitik des Freistaats öffentlich zu machen". Dienstagnachmittag hatten sich bereits 1000 Mitglieder registriert. Freitagmittag waren es mehr als 4800.

Unerwünschte Mehrkosten

Ihr Vorwurf: Die Referendare werden in Bayern als billige Arbeitskräfte missbraucht. Die meisten unterrichten nämlich während ihrer zweijährigen Ausbildung ein Jahr lang 17 Stunden pro Woche und ersetzen dadurch etwa eine Dreiviertel-Lehrerstelle. Würden die Referendare nur 14 Stunden pro Woche arbeiten, wie es der Philologenverband seit Jahren fordert, müsste der Staat mehr Lehrer einstellen. Das sei aber offenbar nicht gewünscht, weil es mehr kosten würde - Referendare verdienen nämlich deutlich weniger als fertig ausgebildete Lehrer.

Ein Seminarleiter berichtet, dass es an manchen Schulen in bestimmten Fächern nicht einmal mehr genug festangestellte Lehrer gibt, um das Abitur ordnungsgemäß zu korrigieren. Das liege daran, dass Referendare den größten Teil des Unterrichts bestreiten, aber noch keine Abituraufgaben korrigieren dürfen.

Die vielen Absagen dieses Jahr verschärfen auch die Situation derjenigen, die bereits auf der Warteliste des Kultusministeriums stehen. "Die Schwemme an sehr guten Absolventen befüllt die Warteliste in einem Ausmaß, dass es für meinen Mann innerhalb der zulässigen fünf Jahre Wartelistenfrist nun sehr unwahrscheinlich werden dürfte, eine Stelle zu erhalten", schreibt die verzweifelte Ehefrau eines Gymnasiallehrers.

Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) verweist darauf, dass es auch dieses Jahr einen "Einstellungskorridor" für die wichtigsten Fächerkombinationen gibt, damit wenigstens die besten Absolventen eine Stelle bekommen. Bayern sei bis jetzt eines der wenigen Bundesländer, das den Zugang zum Referendariat nicht beschränkt und allen Studenten ermöglicht, ihre Ausbildung abzuschließen. Er denke jetzt aber darüber nach, ob diese Regelung noch zeitgemäß ist. Viele Referendare im Freistaat kämen nämlich gar nicht aus Bayern, sondern aus Bundesländern, in denen der Zugang beschränkt ist.

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SZ vom 18.01.2014/jobr
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