Junge Union gegen Studentenvertretungen:Wider die Mitbestimmung

Die Junge Union hält Studentenvertretungen für überflüssig und will sie abschaffen. Die Mittel sollten lieber in die Ausstattung der Unis fließen. An den Hochschulen löst dieser Beschluss Empörung aus - nicht nur im linken Milieu.

Johann Osel

Es ist die "Leidenschaft", die Christin Eisenbrandt antreibt, auch der Glaube an eine sozialere Gesellschaft. Die 28-Jährige studiert Wirtschaftsrecht in Kassel; und sie ist Referentin für Soziales im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA). Zum Semesterstart gibt es in ihrem Büro in einem der roten Backsteinbauten des Campus viel zu tun: Sie berät beim Bafög, hilft Studierenden mit Kindern, kämpft für mehr Wohnraum.

Kassel, im Dreiländereck von Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wird von Studenten überrannt, die Uni platzt aus allen Nähten, Wohnungen sind rar. Eisenbrandt engagiert sich gern, wie sie sagt, "auch wenn es oft wenig Dank dafür gibt".

Empörung löst nun die Junge Union (JU) aus, der Nachwuchs von CDU und CSU hat am Wochenende ein neues Grundsatzprogramm verabschiedet, es fordert die Abschaffung der Studentenvertretungen. Das Geld solle lieber in die Ausstattung der Unis fließen. Je nach Bundesland steht dem AStA Geld aus den Semesterbeiträgen zu, die Hochschüler unabhängig von Studiengebühren zahlen - im Schnitt erhalten sie zehn Euro pro Student.

Die ASten, teils Studentenräte genannt, sind meist für ein Jahr gewählt und sollen in akademischen Gremien für die studentischen Interessen streiten, zudem Hilfe und Service auf dem Campus anbieten. Gerade links besetzte ASten arbeiten auch politisch, für Schwulenrechte etwa oder gegen Neonazis.

"Die Studierenden sind zur Zahlung der Beiträge verpflichtet, obwohl ihre Interessen nicht angemessen vertreten werden", erklärte Kristina Scherer, hochschulpolitische Sprecherin der JU, in der taz. Und ein anderer JU-Mann rügte jüngst die ASten gar als "reine Selbstbeschäftigung für Leute im 35. Semester, die sich ihre Freizeit vertreiben wollen". In die gleiche Richtung stichelte vergangenen Jahr auch Albert Rupprecht, bildungspolitischer Sprecher der Union im Bundestag, als er zum zügigen Studium mahnte - statt einen Studienplatz zu blockieren, "um sich mit Gleichgesinnten in muffigen Gremien zu treffen".

Tatsächlich stehen AStA-Vertreter immer wieder mal in der Kritik. Weil die Beteiligung an Hochschulwahlen oft nur bei zehn Prozent liegt, seien sie kaum legitimiert, heißt es. Zudem gibt es - wie auch in der großen Politik - manchmal Skandale. In Göttingen zum Beispiel suchten die Studenten kurz nach der Fußball-WM 2010 nach den Einnahmen ihrer Public-Viewing-Feste. 18.000 Euro - spurlos verschwunden. Ein Bochumer AStA-Chef hat sich mit der Planung eines gigantischen Pop-Konzerts verschaukelt, 200.000 Euro Minus. In Duisburg wurde Geld für Cocktails verschwendet, andernorts für fragwürdige Reisen. In Berlin entsandte man mal zwei Studentinnen zu einer Tagung lateinamerikanischer Lesben nach Rio de Janeiro.

Die Kasslerin Eisenbrandt ärgert sich, wenn "bedauerliche Einzelfälle" als Argument gegen das große Ganze missbraucht werden. "Die Studierenden sind die größte Statusgruppe an einer Uni. Sie brauchen eine Stimme und ein wachsames Auge auf die hochschulpolitische Fragen." In den meisten Landesregierungen haben die verfassten Studierendenschaften als Institution Rückendeckung: In Baden-Württemberg, wo die ASten seit 1978 kein politisches Mandat mehr hatten, führt Grün-Rot die verfasste Studierendenschaft wieder ein.

Bayern ist derzeit das einzige Bundesland, in dem die Studentenvertretungen nicht rechtsfähig und finanziell unabhängig sind. Die sächsische Regierung schwächte sie allerdings jüngst durch ein neues Gesetz; es sieht eine Austrittsmöglichkeit aus der Verfassten Studierendenschaft vor, Studenten müssen dann keine Beiträge mehr zahlen. Die Opposition sieht darin einen "direkten Angriff auf die Hochschuldemokratie".

Ärger über die JU macht sich nicht nur im linken Milieu breit, auch beim Ring Christlich-Demokratischer Studenten. Dieser Bund, dessen Vertreter oft in ASten sitzen und teils JU-Leute sind, spricht von einer "pauschalen Kritik". Über Reformen bei den ASten für mehr Transparenz wolle man aber bald beraten.

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