Islamischer Religionsunterricht in NRW:Wettlauf in der Politik

Manchmal wurden nach den Gesprächen Briefe verschickt, in denen Nachweise über die Mitgliedschaft in einem der vier Dachverbände gefordert wurden. Genau das war seitens der Politik im Vorfeld stets ausgeschlossen worden - und nicht einmal die Ordnung zur Erteilung von Lehrerlaubnissen sieht solch eine Mitgliedschaft vor. Darin heißt es, die künftigen Lehrer müssten sich zu einer Zusammenarbeit mit einer Moscheegemeinde, "die im Koordinationsrat der Muslime organisiert ist", bereit erklären. Doch letztlich läuft es darauf hinaus, dass die Muslime hier quasi per Dekret zur Eingliederung in die Islamverbände verdonnert werden.

Viele Religionslehrer fühlen sich unwohl, denn sie werden in einen Gewissenskonflikt gestoßen: Darf man nach seiner eigenen Überzeugung unterrichten oder allein die Inhalte nach Auslegung eines islamischen Ansprechpartners vermitteln? Ferner macht der Beirat die Lehrerlaubnis von der Bescheinigung einer Moscheegemeinde über "die Teilnahme der Bewerberin/ des Bewerbers am Gemeindeleben" abhängig. Das ist vor allem für Bewerberinnen ein Problem. Eine muslimische Frau ist nach klassisch-islamischer Lehre nicht dazu verpflichtet, in eine Moschee zu gehen - nicht einmal zum Freitagsgebet.

Der holprige Start des Religionsunterrichts ist auch in den Schulen selbst zu spüren. Im Grunde unterrichten die Lehrer einfach das weiter, was sie vorher bereits vermittelt haben - die Islamkunde. Für das neue Fach gibt es noch keinen Lehrplan, vor Beginn des kommenden Schuljahres dürfte der kaum fertig sein. Auch die Auswahl der vorhandenen, vom Schulministerium genehmigten Lehrbücher für Grund- und weiterführende Schulen ist überschaubar. Man kommt auf eine Handvoll.

Es geschieht wenig durchdacht

Jahrzehntelang ist um einen ordentlichen islamischen Religionsunterricht gerungen worden. Immer hieß es seitens der Politik: Ihr Muslime müsst kirchenähnliche Strukturen schaffen, erst dann erfüllt ihr die Voraussetzungen für das grundgesetzlich garantierte Recht auf Erteilung von Religionsunterricht. Und dann ging es plötzlich ganz schnell. Juristische und sonstige Bedenken wurden beiseitegewischt, offenbar für den vermeintlich schnellen Erfolg.

In Deutschland zeichnet sich derzeit eine Art Wettlauf in der Politik ab: Wer führt als erster etwas zum Islam ein? Die CDU hat vorgelegt, die SPD muss nun nachziehen. Erst jüngst wurde in Hamburg der erste Vertrag zwischen einem Bundesland und einer Auswahl von Vertretern der Muslime gefeiert.

Oberflächlich betrachtet mag ein solcher Wettlauf für Muslime begrüßenswert sein. Denn immerhin: Es tut sich endlich etwas. Doch geschieht wenig durchdacht, und so ist aus fachlicher Sicht Skepsis angebracht. Die Schnellschüsse können sich am Ende auch zum Nachteil für die Muslime in Deutschland entwickeln.

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