Der Startschuss ist gefallen: Endlich gibt es in Deutschland einen ordentlichen islamischen Religionsunterricht, vergleichbar mit dem Religionsunterricht der christlichen Konfessionen. Nur so richtig in Schwung ist die ganze Sache noch nicht gekommen, sie holpert, und die Startschwierigkeiten sind groß.
Vor einem Jahr brachte die rot-grüne Landesregierung mit Unterstützung der CDU das nötige Gesetz auf den Weg. Nun rühmt sich Nordrhein-Westfalen, mit Beginn des laufenden Schuljahres das neue Schulfachangebot als erstes Bundesland auf die Beine gestellt zu haben. Zunächst in den Grundschulen, von Sommer 2013 an dann auch an den weiterführenden Schulen seien damit christliche und muslimische Schüler formal auf eine Stufe gestellt.
Das alles ist an sich lobenswert, das Problem ist allerdings die Umsetzung. Die ist derart problematisch, dass der Landesregierung das Vorzeigeprojekt auf die Füße zu fallen droht. Schon seit Längerem sorgt die Zusammensetzung des Beirats für Streit - er ist ein neu geschaffenes Konstrukt, das die Religionsgemeinschaft des Islam vertreten und dem Staat als Ansprechpartner dienen soll, da es im Islam keine feste Organisationsstrukturen mit oberstem Repräsentanten gibt.
Unbeliebter Studiengang
Und nun muss die Düsseldorfer Landesregierung auch noch Spott über sich ergehen lassen. So witzelte jüngst der Jugendsender Eins Live über die unbeliebtesten Studiengänge - und nannte dabei auch die Islamische Religionslehre. Denn dort waren zum Zeitpunkt der Sendung gerade einmal gut 20 Studenten eingeschrieben.
Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen gab es im vergangenen Schuljahr offiziell 3086 Grundschulen mit etwas mehr als 100.000 Schülern islamischen Glaubens. Der Bedarf an islamischen Religionslehrern dürfte bei gut 1500 liegen, schätzt das Schulministerium. Im Land gibt es bislang nur einen universitären Lehrstuhl, an dem neben Lehrern auch noch Imame ausgebildet werden sollen. Zudem verlässt man sich allein auf die vier großen Dachverbände: Ditib, Islamrat, Verband der Islamischen Kulturzentren und Zentralrat der Muslime, die sich zum Koordinationsrat der Muslime zusammengeschlossen haben.
Dieses Verfahren ist nicht unproblematisch, da die Verbände jeweils eigene Interessen verfolgen, die nicht unbedingt im Interesse des Landes und der Schulen sind. So zeichnen sich bereits Versuche ab, von künftigen Lehrern Loyalität nicht gegenüber dem Glauben, sondern gegenüber den Verbänden zu erzwingen. Lehrer, die seit Langem erfolgreich das Übergangsfach Islamkunde lehren und auch das neue Angebot unterrichten wollen, müssen vor diesen umstrittenen Beirat treten. Der soll ihnen dann bescheinigen, dass sie, polemisch verkürzt, verbandstreu genug sind.
Eine solche Überprüfung ist weder theologisch legitim noch von den meisten Muslimen gewollt. Hinweise auf die seit Langem geltende christliche Praxis führen nicht weiter. Für den Islam gehen Gott und Mensch eine unmittelbare Beziehung ein. Deshalb ist es unislamisch, wenn Menschen andere Menschen legitimieren, wiederum anderen die Religiosität zu bescheinigen oder abzusprechen.
Neben der theologischen Fragwürdigkeit des Verfahrens gibt es Kritik an der praktischen Umsetzung. Nachdem die ersten Kandidaten vor den Beirat getreten sind, fühlten sich manche irritiert, einzelne waren zornig. Manchen Beiratsmitgliedern sei es nicht um die Frage der persönlichen Religiosität gegangen, sondern allein um das Stummschalten kritischer Stimmen. Statt nach religiösen Überzeugungen zu fragen, sei die Haltung zu den Verbänden thematisiert worden, berichten Lehramtskandidaten: "Wenn Sie uns kritisieren - warum wollen Sie dann Islamunterricht erteilen?"