Internationale Vergleichsstudien Iglu und Timss:Deutsche Grundschüler behaupten sich im oberen Drittel

Iglu Timss Leistungsstudie Grundschüler lesen rechnen

Erneut liegen die Schüler aus Hongkong bei Lesen und Textverständnis an der Spitze.

(Foto: dapd)

Die deutschen Kinder können im internationalen Vergleich mithalten. Die Grundschüler sind bei den Studien Iglu und Timss zwar leicht zurückgefallen, viele Viertklässler erreichen beim Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften aber Leistungen, die über dem Durchschnitt liegen. Überraschungen gab es bei den Ergebnissen der Migrantenkinder.

Deutschlands Grundschüler erreichen im weltweiten Vergleich überdurchschnittliche Leistungen. Beim Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften liegen die Viertklässler im oberen Drittel (Auszüge aus der Studie finden Sie hier.). Kinder mit Migrationshintergrund holen deutlich auf, wie aus der am Dienstag in Berlin präsentierten Iglu-Lesestudie und der Timss-Mathematikstudie hervorgeht. Doch bis zu jedes fünfte Kind gilt als Risikoschüler und hinkt mit seinen Leistungen hinterher.

Der wissenschaftlicher Leiter der Studien, Wilfried Bos, sagte: "Wir haben unsere hohe Position halten können." Allerdings gebe es auch deutliche Anteile von Kindern, die in den drei Bereichen so schlecht seien, dass sie in den Klassen fünf bis zehn (Sekundarstufe I) Probleme bekommen dürften. Und es gebe im internationalen Vergleich teils weniger Kinder in der obersten Kompetenzstufe. "Das veranlasst einen zur Sorge. Wir vergeuden unsere Talente", sagte Bos. "Das gilt für Lesen, für Mathematik und für die Naturwissenschaften."

Deutschland habe ähnlich gut abgeschnitten wie bei vergleichbaren Studien im Jahr 2001 - ist allerdings in einigen Punkten schlechter als bei den aktuelleren Studien aus den Jahren 2006 (Iglu) und 2007 (Timss). Dabei gebe es inzwischen "erschwerte Bedingungen": 2011 seien sechs Prozent mehr Kinder mit Migrationshintergrund in den Schulen gewesen. Diese verbesserten aber in allen Bereichen ihre Leistungen.

Deutschland befinde sich auf Augenhöhe mit den Ländern der OECD und schneide spürbar besser ab als die EU-Länder im Schnitt. Beim Lesen sank der Anteil von Risikoschülern mit besonders schlechten Leistungen leicht von 16,9 Prozent 2001 auf 15,4 Prozent zehn Jahre später. 9,5 Prozent schnitten besonders gut ab (2001: 8,6 Prozent).

Gute Leser, aber nicht die besten

Die Grundschüler in Deutschland lesen gern und sie lesen viel. Aber sie sind nicht die besten im Lesen: Die Kinder in Hongkong sind in dieser Disziplin Spitzenreiter, dahinter folgen Staaten wie Russland und die USA. So wie in der vorherigen Ausgabe des Iglu-Leistungstests der Viertklässler. Damit befinden sich die Kinder in Deutschland im oberen Drittel der Rangliste - das allerdings nur knapp. Zwölf Staaten erreichen deutlich bessere Testleistungen als Deutschland, darunter sind folgende EU‐Staaten: Finnland, Nordirland, Dänemark, Irland und England. Die Spitzenreiter Hongkong, Russland, Singapur und USA haben sich zudem zur Iglu-Studie im Jahr 2001 deutlich verbessert, während die deutschen Schüler sich nur minimal verbessern konnten - und im Vergleich zur erhebung 2006 sogar wieder etwas nachließen.

In Mathematik hatten 2011 19,3 Prozent der Kinder so schlechte Leistungen, dass man annehmen muss, dass sie in der Sekundarstufe I große Probleme bekommen. Nur 5,2 Prozent verfügen über Kompetenz der obersten Stufe. In England waren dies 18 Prozent, auch in Dänemark deutlich mehr. Bei den Naturwissenschaften liegt Deutschland hinter Tschechien und Finnland im obersten Leistungsdrittel. Doch hier hätten sogar 22 Prozent niedrige Leistungen. Bos sprach von Ergebnissen, "die Schlimmes befürchten lassen in der Sekundarstufe I". Der höchsten Kompetenzstufe seien nur 7,1 Prozent zuzuordnen. "Zufriedenstellend ist es sicherlich nicht, dass wir da die Luft nach oben nicht optimal ausschöpfen."

Wie schon bei anderen Untersuchung bestätigte sich auch bei Iglu und Timss: Die Leistungen der Kinder sind oft an die Schichtzugehörigkeit gekoppelt. "Ein Kind von einem Professor oder einem Chefarzt hat eine 4,7-fache Chance zur Gymnasialempfehlung im Vergleich zu einem Facharbeiter", sagt der Wissenschaftler.

Migrantenkinder holen auf

Die neue Statistik entkräftet allerdings Vorurteile zur Erziehung in Familien mit Migrationshintergrund. Insgesamt nur 0,8 Prozent der Kinder sprächen zuhause nie deutsch. "Man kann schwerlich von Parallelgesellschaft sprechen", sagte Bos. "Es sind gerade vier Prozent unserer Migranten, wo zuhause nie Deutsch gesprochen wird." Insgesamt seien die Migranten die Bildungsgewinner im Grundschul-Test. Allerdings seien Kinder mit Migrationshintergrund weiter benachteiligt. "Wir kriegen es schlechter hin als der Durchschnitt der OECD." Bulgarien und Ungarn schnitten hier noch schlechter ab.

Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD), machte für das hohe Niveau auch die Anstrengungen der Länder in den vergangenen Jahren verantwortlich. Er sprach von einem kraftvollen Ausbau der Sprachförderung. "Jetzt gilt es, die Sprachförderung nachzujustieren." Zudem müsse die Lehrerbildung gestärkt werden. Die Ganztagsschulen müssten ausgebaut werden, allerdings so, dass die Zeit auch für gute Bildung genutzt werde. Die Staatssekretärin im Bundesministerium, Cornelia Quennet-Thielen, sagte: "Wir können noch besser werden." Es gebe weiteren Handlungsbedarf.

Die Tests für beide Untersuchungen fanden im Frühsommer 2011 in allen 16 Bundesländern statt. Rund 4600 Schüler an 200 Grund- und Förderschulen wurden geprüft.

Timss steht für "Trends in International Mathematics and Science Study", Iglu für "Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung". Bei den Untersuchungen von 2006 und 2007 hatte Deutschland überdurchschnittlich abgeschnitten: Die Viertklässler zählten mit dem elften (Iglu) und dem zwölften (Timss) Platz zum oberen Leistungsdrittel, eine Aufschlüsselung nach Bundesländern attestierte Thüringen sogar, beim Lesen zusammen mit Russland und Hongkong an der Weltspitze zu stehen.

Die Grundschule sei generell die beste Schule in Deutschland, hieß es damals mit Blick auf das eher mäßige Abschneiden deutscher Jugendlicher bei der Pisa-Studie.

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