Integration:Fern von Babel

Viele Sprachen in einer Klasse schaden der Leistung der Schüler nicht - der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund aber schon. Forscher aus Essen leiten daraus Forderungen ab, wie Klassen zusammengestellt werden sollten.

Von Paul Munzinger

Sprechen die Kinder einer Klasse mehr als eine Muttersprache, fallen ihre Leistungen insgesamt schlechter aus. Ob im Klassenzimmer allerdings zwei verschiedene Sprachen gesprochen werden oder fünf, spielt keine Rolle. So lässt sich das Ergebnis einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen zusammenfassen, die an diesem Montag erscheint. Anders gesagt: Die Sorge vor einem babylonischen Stimmengewirr sei unbegründet.

Die Wissenschaftler um Julia Bredtmann werteten die Daten aus dem Ländervergleich 2011 aus, für den damals etwa 27 000 Viertklasskinder befragt wurden. Diese zeigten zunächst, was bereits aus anderen Untersuchungen bekannt ist: Je mehr Kinder in einer Klasse eine andere Muttersprache als Deutsch sprechen, desto schlechter schneiden sie im Durchschnitt in Mathe- und Deutschtests ab. Bredtmann betont aber, dass Kinder mit Migrationshintergrund eben auch häufiger in sozial schwachen Regionen lebten. Ob nun aber in einer Klasse sechs Kinder mit derselben Muttersprache - etwa Türkisch - sitzen oder zwei Kinder zu Hause Türkisch, zwei Polnisch und zwei Arabisch sprechen: Letzeres wirkt sich nicht zusätzlich negativ aus, weder für die Deutsch-Muttersprachler noch für alle anderen.

Je diverser die Gruppe, desto schlechter die soziale Integration

Je mehr Sprachen allerdings in einem Klassenzimmer vereint sind, desto schlechter fühlen sich Kinder mit Migrationshintergrund integriert. Sie hätten weniger Freunde und stritten sich mit ihren Mitschülern häufiger, fanden die Wissenschaftler heraus. Umgekehrt heißt das: Türkische Kinder zum Beispiel fühlen sich im Schnitt in einer Klasse wohler, in der neben Deutsch-Muttersprachlern nur noch andere türkische Kinder sitzen. Bredtmann empfiehlt, diese Erkenntnis auch bei der Zusammensetzung von Klassen zu berücksichtigen: "Unsere Studie zeigt, dass Schüler ohne deutsche Muttersprache besser integriert werden können, wenn mehr Schüler mit dem gleichen sprachlichen Hintergrund in die gleiche Klasse gehen." Heißt konkret: Steht ein Schulleiter vor der Aufgabe, zum Beispiel zwei Russisch sprechende Kinder auf die vierte Jahrgangsstufe zu verteilen, lässt er sie am besten zusammen. Allgemein raten die Wissenschaftler, Kinder mit Migrationshintergrund möglichst gleichmäßig auf die Klassen zu verteilen.

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