Drei Jahre war Pipi alt, als sie sich einen echten Bagger für umgerechnet 9000 Euro ersteigerte. Sie hatte sich vor den Computer ihres Vaters gesetzt und dort auf der offenen Seite eines Auktionshauses das vermeintliche Spielgerät entdeckt, dann ein wenig herumgeklickt.
Kinder werden heute früh mit PCs und Internet konfrontiert, es gibt schon für sechs Monate alte Babys Software. Und später, im Berufsleben, findet man kaum noch Branchen, die ohne Mitarbeiter mit Kenntnissen der Informationstechnologie auskommen: ob Automobil- oder Maschinenbau, Elektrotechnik, Logistik, teils auch Handel, der Finanzbereich sowieso. Selbst in der Landwirtschaft stehen computergesteuerte Melkmaschinen. Schüler werden auf diese Herausforderungen viel zu wenig vorbereitet, da sind sich Experten einig. Nur in ein paar Bundesländern ist Informatik zum Beispiel an Gymnasien in der Unter- und Mittelstufe fest vorgesehen.
Bundesweit herrscht Chaos: Aus Freiheiten für Schulen oder Regeln für einzelne Stufen, aus Wahlfächern und Wahlpflichtfächern, Informatik-Inhalten in neuen Fächerverbünden.
Informatik "als Teil der Allgemeinbildung"
Ein digitales Dickicht. Eine repräsentative Umfrage des Hightech-Verbands Bitkom zeigt, dass das den meisten Lehrern nicht genügt. 73 Prozent wünschen sich verpflichtenden Informatikunterricht in der Sekundarstufe I. "Wir wollen nicht jeden zum Programmierer ausbilden", sagt Bitkom-Präsident Dieter Kempf, "genauso wenig wie jeder Schüler Physiker oder Chemiker werden muss." Informatik dürfe sich aber nicht nur an besonders Interessierte wenden, es müsse "als Teil der Allgemeinbildung" gelten.
Auch die Wissenschaft macht Druck: Steffen Friedrich, Professor an der TU Dresden, hofft, durch ein Pflichtfach die Abbrecherquote in Informatik senken zu können. Das Problem, dass es in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zu wenige Absolventen für den Arbeitsmarkt gibt, liege in erster Linie nicht daran, dass zu wenige das Studium beginnen. Sondern daran, dass zu viele scheitern.
Friedrich, Beauftragter für Lehrerbildung an der Fakultät Informatik, kennt die Gründe: Entweder die Erwartungen der Studenten wurden enttäuscht; oder sie brachten nicht die Voraussetzungen mit. Für Ira Diethelm, Professorin für Didaktik der Informatik in Oldenburg, hat Informatikunterricht aber auch viel mit Alltag zu tun: "Wer hat zu welcher Zeit welche Daten von mir? Wie kann ich meine E-Mails verschlüsseln? Wie funktioniert Verschlüsselung?" Wie auch andere Didaktik-Dozenten spricht sich Diethelm für ein Pflichtfach aus - doch in den meisten Länder wird es höchstens als Wahl- oder Wahlpflichtfach angeboten. Warum ist das so?
Einer der Hauptgründe: Es fehlen ausgebildete Informatiklehrer. Für Diethelm ist das ein logischer Kreislauf: Weil Informatik fast nirgendwo Pflichtfach ist, studieren nicht genügend Studenten das Fach auf Lehramt. Dann gibt es zu wenig Lehrer, und deshalb, so argumentieren wiederum viele Kultusminister, kann man Informatik nicht zum Pflichtfach machen. Einfach mal schnell einführen lässt sich ein neues Fach ohnehin nicht. Vorher müsste geklärt sein, welches Fach dafür Stunden abgibt - das klingt nach Ärger und Konflikten. Zusätzlich Stunden draufsatteln, das traut sich kein Minister. Zudem hat ein großer Teil der Schulen gar nicht die Ausstattung für vernünftigen Informatikunterricht, wie die Bitkom-Befragung auch aufführt.