Süddeutsche Zeitung

Image von Lehrern:Ein Beruf verliert seine Klasse

Spaß, Geld, Aufstiegschancen - das soll ein Job bieten. An den Lehrerberuf denken viele Abiturienten da nicht. Vor allem gute Schüler zieht es ganz woanders hin.

Von Johann Osel

Als neulich in Niedersachsen viele Lehrer gegen eine zusätzliche Arbeitsstunde protestierten, ploppten all die typischen Ansichten über den Beruf wieder hoch. Von schier unendlichen Ferien war die Rede, von einer Zunft der Faulpelze und Däumchendreher. Mit den Pisa-Studien hatte sich der Blick auf Lehrer eigentlich geändert: Gute Leistungen kommen durch gute Lehrer.

"Die Gesellschaft muss begreifen, dass nur dann die Besten eines Jahrgangs Lehrer werden wollen, wenn sie geschätzt werden", sagte mal die frühere Bildungsministerin Annette Schavan. Was ein weiteres Klischee benennt - dass Lehrer in der eigenen Schulzeit oft nicht zu den Überfliegern gehörten. Dass dies aber durchaus wahr ist, zeigt eine neue Studie.

An diesem Mittwoch stellt der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft seinen Hochschulreport vor, mit Schwerpunkt Lehramt. Kernstück ist eine repräsentative Umfrage unter Abiturienten, sie liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Der Beruf kommt bei jungen Leuten nicht so gut weg, vor allem nicht bei den besten. 38 Prozent der Abiturienten mit Einser-Schnitt oder glatter Zwei können sich theoretisch vorstellen, Lehrer zu werden.

Zweifel an den Aufstiegchancen

Bei denjenigen mit mäßigeren Noten - 2,1 bis 4,0 - ist der Beruf für fast die Hälfte denkbar. Nur ein Viertel des Jahrgangs glaubt, dass der Lehrerberuf etwas für sehr gute Schüler sei. Und in der Spitzengruppe selbst schreibt man sich als ideale Berufe zu: Banker, Informatiker, Manager, Unternehmensberater, Moderator und Arzt.

Woran liegt das? 94 Prozent aller Befragten erwarten, dass ihr Beruf Spaß macht; lediglich 59 Prozent denken, dass das für Lehrer zutrifft. Ähnliches gilt bei der Gehaltsfrage. Für 83 Prozent muss ihr Traumjob Aufstiegschancen bieten, aber nur 28 Prozent denken dabei an Lehrer. Unter den Besten bezweifeln noch mehr, dass der Beruf Geld und Aufstieg bietet.

Die Befragten mussten auch ihre Stärken einschätzen. 30 Prozent von denen, die am Lehrerberuf interessiert sind, halten sich für zielstrebig, noch weniger für selbstbewusst. Bei Klassenkameraden ohne Lust aufs Lehramt sind die Werte höher. Immerhin erkennen potenzielle Pädagogen bei sich Freude am Umgang mit Kindern und Einfühlungsvermögen.

Das Studium benötige mehr Praxis

"Für das Lehramt müssen allerdings nicht nur Personen mit guten Noten gewonnen werden, sondern auch diejenigen, die für Schule die richtige Persönlichkeit mitbringen", schreiben die Studienautoren. Eine ewige Streitfrage: Was macht gute Lehrer aus? Entertainer-Qualitäten? Breites Wissen? Ausgeklügelte Stunden? Lockerheit mit Schülern? Strenge? Milde?

Um auch die Besten in die Schulen zu bringen, hat sich der Stifterverband jedenfalls Konzepte ausgedacht: Kampagnen sollen die "Vorzüge des Lehrerberufs" betonen, etwa den sicheren Arbeitsplatz. Außerdem benötige das Studium mehr Praxis. Wie bei Universitätskliniken für angehende Ärzte könnten Universitätsschulen entstehen, "Trainingsschulen" am Campus.

Kürzlich hat der Verband gemahnt: Studienbewerber fürs Lehramt müssten besser auf ihre Tauglichkeit geprüft werden, durch Tests, Gespräche, frühe Praktika. Erst wenige Unis machen dies, meist unverbindlich. Wer da mit Piepsstimme vor der Jury in Tränen ausbricht, dem wird zu anderen Fächern geraten. Egal, welche Note im Zeugnis steht.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2014/kjan
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