Süddeutsche Zeitung

Im Auftrag des Verteidigungsministeriums:Unis forschen immer mehr für die Rüstung

Drohnen, Geschosse, Militärroboter: Das Verteidigungsministerium weitet die Rüstungsforschung an Hochschulen wesentlich aus. Laut Recherchen der SZ und des NDR wurden seit 2010 doppelt so viele Forschungsaufträge erteilt wie im Vergleichszeitraum zuvor. Besonders begünstigt: Die Unis in Hannover und Kiel.

Von Arne Meyer, Frederik Obermaier und Benedikt Strunz

Das Bundesverteidigungsministerium hat die Rüstungsforschung an Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen mehr als verdoppelt. Das geht aus einer vertraulichen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor. Nach Recherchen des Radiosenders NDR Info und der Süddeutschen Zeitung hat das Ministerium demnach seit 2010 mehr als 700 öffentliche Forschungsaufträge mit einem Volumen von mehr als 390 Millionen Euro erteilt.

Verglichen mit dem Zeitraum 2000 bis 2010, für den zuletzt vertrauliche Zahlen vorlagen, hat sich das jährliche Auftragsvolumen für Rüstungsforschung somit mehr als verdoppelt. Die Wissenschaftler forschten unter anderem an Drohnen, Geschossen und Militärrobotern.

An öffentliche Hochschulen gingen in den vergangenen vier Jahren 120 Aufträge im Wert von mehr als 28 Millionen Euro. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erhielten 588 Aufträge im Wert von mehr als 360 Millionen Euro. Die Bundesregierung hatte Teile ihrer Auskünfte an die Linke unter Geheimschutz gestellt und das unter anderem mit Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland begründet. Das betrifft sowohl die Höhe der Forschungsaufwendungen als auch die konkreten Projekte.

Nach Informationen von NDR und SZ geht es bei den Aufträgen unter anderem um Fragestellungen der Marine, der Luftwaffe und der Bodenstreitkräfte. So forschten deutsche Wissenschaftler unter anderem an Drohnen-Schwärmen, die Feinde verfolgen sollen; aber auch an intelligenter Munition, Handfeuerwaffen, Funktechnologien, Robotern sowie an nichttödlichen Schuss- und Wurfgeräten. Weitere Projekte beschäftigten sich mit Satellitentechnik sowie mit dem Erkennen chemischer Kampfstoffe.

Mit einem Anteil von insgesamt mehr als 5,8 Millionen Euro erhielt die Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover seit 2010 am meisten Geld aus dem Verteidigungsetat, gefolgt von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (mehr als drei Millionen Euro) und der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg (mehr als 2,2 Millionen Euro).

Bundesweit bekamen seit 2010 insgesamt 41 deutsche Hochschulen Zuwendungen des Ministeriums. Darunter befinden sich auch die Hochschulen Tübingen, Konstanz, Frankfurt am Main, Rostock und Göttingen, die sich per Zivilklausel auf eine friedliche Forschung verpflichtet haben. Als außeruniversitäre Einrichtung profitierte insbesondere die Fraunhofer-Gesellschaft vom Geld des Ministeriums.

Auf Nachfrage teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mit, dass man auch weiterhin militärisch relevante Forschungsaufträge nicht öffentlich machen will. Eine Veröffentlichung würde die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik gefährden, da "aus der Summe der veröffentlichten Informationen Rückschlüsse auf wehrtechnische Interessensschwerpunkte und damit letztlich Fähigkeitslücken der Bundeswehr gezogen werden können".

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Nicole Gohlke, kritisierte dies scharf: "In jedem Fall muss gewährleistet werden, dass darüber debattiert werden kann, und das setzt natürlich Transparenz voraus, zumal die Bundesregierung angekündigt hat, dass sie im Bereich des Rüstungsexports mehr Transparenz an den Tag legen will. Das wollen wir auch für den Bereich Rüstungsforschung." An den Hochschulen finde die gesamte Bandbreite der Forschung statt, die zur Kampffähigkeit der Bundeswehr gehöre: "Ob es jetzt um Bodentruppen, die Luftwaffe oder die Marine geht - das wird an den Hochschulen erforscht", sagte Gohlke.

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Quelle:
SZ vom 07.07.2014/lala
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