Eines der Phänomene, die die Corona-Pandemie begleiten, sind die vermeintlichen Nebensächlichkeiten, die plötzlich in den Vordergrund treten. Erst mit den vielen Video-Konferenzen aus dem Home-Office wurde etwa offensichtlich, wie brennend sich Menschen für die Wohnungseinrichtung und das Erscheinungsbild ihrer Bürokolleginnen und -kollegen interessieren. Neuerdings kommt es darauf an, welche Bilder und Bücher man wie im Hintergrund arrangiert, wie die Frisur so direkt vor der Kamera wirkt, welche Krawatte heute dran wäre (die gestreifte, die hellblaue, gar keine?), oder was überhaupt nicht geht (Bärchenpyjama, schmutziges Geschirr in der Spüle, nicht stubenreine Dackel).
Der Schulbezirk von Springfield, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Illinois, setzt solchen Streitfragen nun ein Ende. Das neue Schuljahr startet dort zum 31. August mit einem Hybrid-Programm, das heißt: Die 14 000 Schüler haben abwechselnd zwei Tage Präsenzunterricht und lernen drei Tage zu Hause per Video. Der Clou: Auch an den drei Tagen zu Hause gilt der Dresscode ihrer jeweiligen Schule. Wo also Schuluniformen vorgegeben sind, müssen diese daheim ebenfalls getragen werden. Und was die Schule verbietet, ist auch im Elternhaus tabu, also zum Beispiel Kopfbedeckungen, Schlafanzughosen, Sonnenbrillen, Pantoffeln. Ebenfalls unerlaubt bleiben übergroße Klamotten ("baggy clothes") und Kleidung mit beleidigenden Sprüchen oder Symbolen sowie Schuhe mit Rädern an den Sohlen. Außerdem darf während des Video-Unterrichts nicht auf Bettkanten gelümmelt werden, vielmehr ist "aufrechtes Sitzen" an einem Tisch angesagt, noch besser an einem Schreibtisch. Es ist das Aus für jegliche schulische Schlamperei.

Schule:Tipps für das Lernen zu Hause
Millionen Eltern sind über Nacht zu unfreiwilligen Heimlehrern geworden und fragen sich: Wie soll das gehen? Experten und Mütter mit Erfahrung im Homeschooling haben Antworten.
Bree Hankins, die Sprecherin des Schulbezirks, weist darauf hin, dass die neuen Richtlinien zusammen mit Lehrerschaft, Verwaltung und Elternbeirat entwickelt wurden. Trotzdem kam prompt Kritik. Eine Mutter meinte laut New York Times, sie beobachte bei ihren Kindern keinen Zusammenhang zwischen Kleidung und Konzentration. Eltern im Home-Office und mit mehreren Kindern hätten ohnehin alle Hände voll zu tun, kritisierte eine andere, man müsse ihnen nicht noch eine Kleideraufsicht zumuten. Der 14 Jahre alte Ian findet die Vorschriften schlichtweg "stupid". Judith Ann Johnson vom Springfield School Board betont, dass es in Krisenzeiten darauf ankomme, akademische Standards aufrechtzuerhalten; bei Verstößen gegen den Erlass sei vorerst allerdings keine Bestrafung vorgesehen. Man würde sich natürlich fragen, wie diese aussähe: In der Wohnzimmerecke stehen, weil man eine Baseballmütze aufgesetzt hatte? Stubenarrest im Keller, weil das T-Shirt zu schlabbrig war?
Es gibt sowieso eine Gruppe von Beobachtern, die hier einen großen Schmu vermutet: Fans der "Simpsons" zählen Springfield, Illinois, zu den US-Städten, in denen die Zeichentrickserie möglicherweise spielt. Und selbstverständlich eignet sich Bart Simpson auch in diesem Fall als schlechtes Vorbild: In einer Folge der Serie trägt er ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Down with Homework" ("Nieder mit den Hausaufgaben"), das die Schüler zum Aufstand anstachelt. Die Strafe des Direktors folgt umgehend: Er führt Schuluniformen ein.