Hochschulfinanzierung:Von Freunden und Förderern

Atrium im TUM Institute for Advanced Study, 2015

Die Technische Universität München - im Bild das "Institute for Advanced Study" in Garching - gilt als besonders talentierte Spendensammlerin.

(Foto: Florian Peljak)

Fundraising wird an deutschen Unis immer wichtiger - ein Münchner Präsident setzt sich für die Spender eigens ans Klavier.

Von Ralf Steinbacher

Der gewaltige Ring erhebt sich im Zentrum der Versuchshalle, ein Roboterarm reckt sich ihm entgegen. Forscher der Technischen Universität (TU) München erproben hier am Standort Garching, wie die Bauteile der Zukunft hergestellt werden können: Sie werden in Textilmaschinen wie dieser aus Kohlenstofffasern geflochten. Carbon-Verbundwerkstoffe sind leichter als Aluminium und zugfester als Stahl, sie werden unter anderem im Flugzeug- und Fahrzeugbau und neuerdings auch in Sportartikeln eingesetzt. Die Wissenschaftler gehören zum Stiftungslehrstuhl für sogenannte Carbon Composites. Er wird nicht vom Staat bezahlt, sondern privat gestiftet - in diesem Fall von der SGL Group, einem Chemieunternehmen mit Sitz in Wiesbaden.

Fundraising, also das Sammeln privater Spenden, wird an vielen Universitäten immer wichtiger. Und das, obwohl viele Hochschulen zugleich öffentliche Drittmittel einwerben - die TU München kam dort 2013 auf ganze 265 Millionen Euro. Dahinter stecke eine Strategie, sagt TU-Präsident Wolfgang Herrmann: Durch Stiftungslehrstühle könnten neue Bereiche integriert werden, für die es noch keine Mittel vom Staat gebe. So könne man auch prüfen, ob sie zur Uni passen. "Wir bereichern die Universität um neue Aspekte", sagt Herrmann. So wie mit dem SGL-Stiftungslehrstuhl für Carbon Composites, der bei seiner Gründung 2009 der einzige Lehrstuhl für diese neue Materialwissenschaft war. "Damit konnten wir zum richtigen Zeitpunkt ein wichtiges Thema zu uns holen", sagt Herrmann. "Und wir wollten den Besten dafür, die Universität steht schließlich im Wettbewerb." Besetzt ist der Lehrstuhl mit Klaus Drechsler, der auch Vorsitzender eines Karbon-Spitzenclusters mit Partnern aus Forschung und Industrie ist.

Großzügig war auch die Klaus-Tschira-Stiftung, die im vergangenen Jahr 25 Millionen Euro für ein neues Multiple-Sklerose-Forschungszentrum spendete. Aber auch Einzelpersonen fördern die Arbeit der TU, mal mit größeren, mal mit kleineren Beträgen. Etwa für die Universitätsstiftung der TU München, die größte in Deutschland. Herrmann ist stolz auf sie, weil die Organisation durch ihren 33-Millionen-Euro-Grundstock langfristig arbeiten kann. Sie fördert dauerhaft Spitzentalente aus der Wissenschaft, das Geld für ein Projekt sei dagegen irgendwann aufgebraucht. Der Beauftragte des Präsidenten für Fundraising ist Professor Arnulf Melzer, dessen Team aus acht Leuten besteht - keine deutsche Uni beschäftigt mehr Personal für diesen Zweck. Melzer wundert sich, dass immer noch nicht jede Hochschule verstanden habe, wie wichtig Fundraising sei. Besonders bei kleineren Hochschulen gebe es Vorbehalte: "Dabei kann man Fundraising auch am Südpol betreiben. Man braucht nur ein Thema."

In München spielt der Präsident für die Spender Klavier

Für Yorck Hener gilt die TU München als Musterbeispiel. Hener arbeitet bei der CHE Consult, einer Tochter des Centrums für Hochschulentwicklung. Er beobachtet, dass sich Fundraising in den vergangenen zehn Jahren als ein fester Bestandteil der Leitungsaufgaben an Hochschulen etabliert hat. Mit wie viel Engagement aber an die Aufgabe herangetreten werde, das unterscheide sich sehr. Erfolg könne man nur mit einer professionellen Abteilung haben, die Wert auf eine langfristige Kontaktpflege lege, so Hener. Eine solche Abteilung hat an der Universität zu Lübeck im vergangenen Jahr die Arbeit aufgenommen - sie ist derzeit die jüngste Stiftungsuniversität in Deutschland.

Die Geschichte der Stiftungsuniversitäten begann 2003 in Niedersachsen. Das Land hat damals den Weg für autonomere Hochschulen geebnet - diese werden zwar noch immer vom Staat grundfinanziert, sind aber bei Personal, Berufungen und der internen Finanzierung freier. Yorck Hener hält sie deshalb für ein "Erfolgsmodell", doch ein regelrechter Trend zur Stiftungshochschule lässt sich zumindest im Moment noch nicht feststellen - derzeit gibt es derer acht in ganz Deutschland.

Gerade für Stiftungsuniversitäten ist Fundraising wichtig, da sie stark auf privates Engagement bauen, um eigene Schwerpunkte setzen zu können. In Lübeck sucht nun der erfahrene Fundraiser Ulf Hansen Partner aus der Wirtschaft, tritt an Stiftungen und Privatpersonen heran. Klinkenputzen? Hansen verneint: "Unsere Wissenschaftler setzen ein Thema, und mit dem gehen wir dann gezielt auf einen Partner zu." Er arbeitet eng mit dem Marketing-Mann Peter Wiegand zusammen. Ihr Credo lautet: Je bekannter die Uni, desto eher finden sich Förderer. "Universitäten müssen sich positionieren, etwas Einzigartiges bieten, eine Marke werden", sagt Wiegand. In Lübeck beginne nun im Wintersemester ein neuer Studiengang, gefördert mit Geld aus der freien Wirtschaft: "Medizinische Ernährungswissenschaften". Eine Win-win-Situation sei das, sagt Wiegand. Die Uni habe die Expertise, und die Ernährungsindustrie sei im Land ein führender Industriezweig.

Sowohl Hansen in Lübeck als auch Melzer in München betonen: Nur wenn sich Uni-Präsidenten engagieren, könne Fundraising erfolgreich sein. Es geht dabei auch um die Bindung an die Hochschule, um Identifikation. Um die Ehemaligen, die es vielleicht zu etwas gebracht haben, und um deren Dankbarkeit. Die TU München veranstaltet deshalb jedes Jahr große Adventskonzerte für ihre "Familie". Eingeladen sind Studenten und Mitarbeiter, Förderer und Alumni. Am Flügel sitzt dann Präsident Herrmann persönlich. Allein 2015 wurden so 130 000 Euro an Spenden eingenommen.

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