Hochschulen - Frankfurt am Main:Uni-Präsidentin: "Corona-Krise ist ein großer Katalysator"

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Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt. Foto: Boris Roessler/dpa (Foto: dpa)

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Frankfurt/Kassel (dpa/lhe) - Die Hochschulen können nach Ansicht der Präsidentin der Frankfurter Goethe-Universität, Birgitta Wolff, aus der Corona-Krise gestärkt hervorgehen. "Corona hat uns dazu gezwungen, kurzfristig ein riesengroßes Experiment durchzuführen", sagte Wolff, die auch Sprecherin der Konferenz Hessischer Universitätspräsidien ist. "Wir haben viel über Krisenmanagement und -kommunikation gelernt", sagte Wolff der Deutschen Presse-Agentur. "Man wundert sich, was geht, wenn es muss."

"Die Corona-Krise ist ein großer Katalysator", glaubt Wolff. "Es wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass die digitale Infrastruktur genauso wichtig ist für die Gesellschaft wie Straßen, Kanalisation und Wasser." Mit dauerhaften digitalen Angeboten ließe sich das Präsenzstudium deutlich verbessern. Wichtig sei der Austausch mit anderen Hochschulen. "Es muss ja nicht jeder jeden Fehler selber machen."

Nachdem bald erste Präsenzveranstaltungen wieder zugelassen sind, müsse man genau schauen, was in welchem Studiengang Sinn mache und was nicht. Einzelne Fachbereiche hätten bis zu 95 Prozent der Veranstaltungen digital durchgeführt. "Es gibt aber auch Fachbereiche, in denen das nicht möglich ist, zum Beispiel bei den Sportwissenschaftlern und Zahnmedizinern. Hier arbeiten wir - natürlich abhängig von der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens - an passenden Lösungen". Besonders wichtig sei es, das Thema Digitalisierung im Lehramtsstudium intensiver zu verankern. Da das Land über die Inhalte des Staatsexamens entscheide, habe die Hochschule hier aber nur begrenzen Einfluss auf die Studieninhalte. "Aber wir sind da dran."

Mit mehr digitaler Lehre gebe es in Zukunft vielleicht weniger überfüllte Vorlesungen, sagte Wolff. Vielen Studierenden erspare es möglicherweise das Pendeln. Es gehe nicht darum, die Präsenzlehre zu ersetzen. "Es geht darum, Präsenzveranstaltungen digital zu unterstützen. Wenn man das intelligent macht, kann das eine Win-win-win-Situation werden: für die Studies, für die Lehrenden und für die Umwelt."

Auch an den anderen hessischen Unis in Gießen, Marburg, Darmstadt und Kassel wurden angesichts der Pandemie Veranstaltungen aus den Hörsälen in die digitale Welt, etwa in Video-Konferenzräume, verlegt. "Wir ziehen an der Universität Kassel ein positives Fazit des digitalen Semesters", erklärte Beate Hentschel, Sprecherin der nordhessischen Hochschule. Viele Studierende schätzten offensichtlich die Möglichkeit, an bestimmten Veranstaltungsformaten zeit- und ortsunabhängig teilzunehmen. "Wir wollen den Digitalisierungsschub, den wir jetzt machen, bei der ohnehin laufenden Digitalisierung unserer Universität nutzen und in der Lehre perspektivisch sinnvolle Kombinationen aus Präsenz- und Online-Formaten finden." Digitale Angebote könnten beispielsweise zusätzlich zur Präsenzlehre oder in diese integriert stattfinden.

Noch vor Beginn des Vorlesungszeitraums hatte die Universität Kassel Tausende Lizenzen für Systeme erworben, mit denen Videoinhalte gesteuert werden können. Diese würden sehr gut angenommen. Dozenten bekamen vom unieigenen Service Center Lehre Unterstützung bei der Umsetzung der Angebote. Für Studierende ohne eigenen Rechner seien über den AStA 60 gebrauchte Laptops kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Nach jetzigem Stand finden Lehrveranstaltungen in Kassel im laufenden Sommersemester 2020 weiterhin nur im Ausnahmefall in Präsenz statt, nämlich wenn spezielle Räume wie Labore oder Werkstätten zwingend für die Lehre seien. Das kommende Wintersemester starte nach jetzigem Stand etwas später, am 2. November. Wie es weitergehe, hänge vom Verlauf der Pandemie ab.

Auch an der Uni Marburg sollen erst ab diesem Datum die Wintersemester-Vorlesungen wieder beginnen. Die größeren Veranstaltungen werden dann überwiegend weiterhin nur digital angeboten, wie eine Sprecherin der mittelhessischen Hochschule zum derzeitigen Planungsstand mitteilte. Die kleineren sollen im Wintersemester - mit Hygienekonzept - stattfinden können. Derzeit wird der Sprecherin zufolge ausgewertet, wie die Digital-Lehre an der Uni bislang läuft.

An der Uni Gießen stehe auch der Rest des Sommersemesters unter dem Motto "maximal digital", um die Infektionen in der Corona-Pandemie weiter auf niedrigem Niveau zu halten, teilte eine Sprecherin mit. Davon ausgenommen seien Prüfungen, die mittlerweile wieder möglich seien, und eine "überschaubare Zahl an Lehrveranstaltungen", etwa 50, für die es keine digitale Alternative gebe, wie zum Beispiel Laborpraktika, medizinisch-praktische Veranstaltungen oder sportpraktische Lehrveranstaltungen. Die Uni behalte die Lage weiter genau im Blick, für "definitive Aussagen über den Ablauf des Lehrbetriebs im Wintersemester ist es aber noch zu früh", erklärte die Sprecherin.

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