Hochschule:Wann sich ein Kredit fürs Studium lohnt

University Of Birmingham Hold Degree Congregations

Studieren auf Pump: Man sollte die Schulden im Rahmen halten.

(Foto: Christopher Furlong/Getty Images)
  • In den USA beenden viele Studenten ihre Hochschulzeit mit hohen Schulden.
  • Obwohl Deutschland diesbezüglich ein Bildungsparadies ist, stellt sich auch hier für manchen Studenten die Frage nach einem Studienkredit.
  • Wenn einige Bedingungen erfüllt sind, kann dieser sinnvoll sein.

Von Christine Demmer

Das Sommersemester steht vor der Tür, und viele Voll- und Teilzeit-Studierende machen Kassensturz. Reichen Bafög, Studienkredit, Stipendien und der Verdienst im nächsten Semester zum Leben? Wird es bis zum Abschluss langen? Wer berufsbegleitend studiert, wird außerdem die Sicherheit seines Einkommens überprüfen. Und wenn man schon mal über den Zahlen brütet: Wie hoch wird eigentlich der Schuldenberg sein, auf dem man eines Tages sitzen wird?

In den USA wächst die Zahl der Akademiker, die unter den für ihr Studium aufgenommenen Schulden ächzen. Die amerikanische Bildungsorganisation College Board berichtet, dass sich die Summe der Study Loans in den vergangenen zwölf Jahren mehr als verdoppelt hat. Laut ihrer Statistik haben circa 40 Millionen Menschen ein oder mehrere Darlehen für ihr Hochschulstudium aufgenommen und damit insgesamt mehr als 1,3 Billionen Dollar Schulden angehäuft - das ist weit mehr als die Gesamtsumme der ausstehenden Kreditkartenverpflichtungen in den USA.

Nach Angaben der Studentenberatung FinAid hat sich im Durchschnitt jeder Studienkreditnehmer 29 000 Dollar geliehen, um College- und Universitätsgebühren sowie seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Ein Drittel der Schuldner ist bereits älter als vierzig Jahre. Das liegt auch daran, dass viele erst mit Anfang, Mitte dreißig ein Weiterbildungsstudium beginnen. Bei Arbeitslosigkeit oder längerer Krankheit wird die Pleite zur realen Gefahr. Hauptgrund: Seit 1986 sind die Studiengebühren in den USA um fast 500 Prozent gestiegen.

Während sich in Deutschland noch nicht einmal moderate Studiengebühren haben durchsetzen können, verlangen amerikanische Hochschulen, die häufig von Unternehmen oder anderen Institutionen wie zum Beispiel Kirchen oder Interessenverbänden betrieben werden, für ein Masterstudium oft Zehntausende Dollar. Im Vergleich dazu ist Deutschland geradezu ein Bildungsparadies. An privaten Hochschulen allerdings oder für gebührenpflichtige Masterstudiengänge an öffentlichen Hochschulen wird auch hier zunehmend mehr finanzieller Einsatz verlangt - insbesondere für das berufsbegleitende Studium, das gerade bei Ingenieuren sehr beliebt ist. Und Ingenieure sind gute Rechner. Wie vernünftig ist es, sich für die Karriere bis an die Halskrause zu verschulden?

"In Deutschland startet niemand ins Berufsleben mit einem Schuldenberg, der ihn zu erdrücken droht", beruhigt Ulrich Müller, politischer Chefanalyst bei der Bertelsmann-Tochter Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh. "Horrormeldungen wie aus den USA treffen auf uns nicht zu." Im vergangenen Jahr hat er 31 Studienkredite und Bildungsfonds unter die Lupe genommen (Download unter www.che-Studienkredit-Test.de). Neben vergleichenden Analysen finden Studierende darin auch Hinweise, wie sie ihren persönlichen Kreditbedarf ermitteln können. Wer die 95 Seiten als Lektüre zu anstrengend findet, sollte wenigstens die Faustregel von Autor Ulrich Müller beherzigen: "So wenig Kredit aufnehmen wie möglich. Aber immer so viel, wie für ein reibungsloses Studium erforderlich ist."

Kredite sind nur Zuschuss zu einem möglichen Finanzierungsmix

Aktuell machen es die geringen Zinsen für Studiendarlehen so attraktiv wie nie, eine Weiterqualifizierung in Erwägung zu ziehen - auch wenn dafür ein oder zwei Jahre lang der Beruf an den Nagel gehängt werden muss. Der variable Zinssatz für den Bildungskredit und das Bafög-Bankdarlehen hat einen historischen Tiefstand erreicht: Effektiv werden gerade mal 1,03 Prozent Zinsen p. a. verlangt, und wenn die Zinssätze im Frühjahr neu berechnet werden, steht eine Erhöhung kaum zu befürchten.

Auch der KfW-Studienkredit ist mit effektiv 3,81 Prozent günstiger als vor einem Jahr. Dieser Zinssatz kommt ebenfalls jeweils zum 1. April und zum 1. Oktober auf den Prüfstand. Mehr als 9,71 Prozent wird der variable KfW-Studienkredit aber in keinem Fall kosten, das garantiert die Bank. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sich auch für den etwas teureren Festzins entscheiden. Bei zehnjähriger Laufzeit werden dafür effektiv 4,12 Prozent fällig. Ob variabel oder fest: Mit dem Beginn der Rückzahlung darf man so lange warten, bis es das Einkommen hergibt: Die Tilgungsphase beginnt erst nach einer Karenzzeit von sechs bis 23 Monaten. Mit dem anschließenden Abstottern darf man sich bis zu einem Vierteljahrhundert Zeit lassen. Und wenn es ein Bonus oder ein unerwarteter Geldgewinn erlaubt, darf man auch zwischendurch die Schuld abtragen. Ohne dafür extra bezahlen zu müssen.

Der Preis für den Abschluss

Staatliche Hochschulen: Semestergebühren/Sozialbeiträge (von etwa 90 Euro bis circa 350 Euro), gegebenenfalls Laborkosten. Studiengebühren von mehreren Hundert Euro werden fast nur noch für Langzeitstudenten, für ausländische Studierende und für ein Zweit- oder Seniorenstudium erhoben. Aber für Bibliotheksmuffel fallen trotzdem Kosten für Bücher und Lernmittel an. Private Hochschulen: Studiengebühren (von 300 bis - an Elitehochschulen im Ausland - weit mehr als 10 000 Euro je Semester). Kosten für die Teilnahme an obligatorischen Exkursionen sowie für Bücher und Lernmittel. Miete und Lebenshaltungskosten: Hängen stark von den individuellen Bedürfnissen und vom Lebens- und Studienort ab. Der Durchschnittsstudent gibt laut Deutschem Studentenwerk knapp 800 Euro im Monat für seinen Lebensunterhalt aus. Im Ausland liegen die Lebenshaltungskosten oft weit darüber. Reisekosten: Wer berufsbegleitend in einer anderen Stadt als an seinem Wohnort studiert oder vielleicht sogar zu den Vorlesungen an eine Hochschule im Ausland reisen muss, sollte Reise- und Übernachtungskosten einkalkulieren. Krankenversicherung: Mit dem 25. Geburtstag endet meist die Möglichkeit zur beitragsfreien Mitversicherung über die Familienversicherung. Studierende werden dann Mitglied in der günstigen studentischen Krankenversicherung (circa 80 Euro pro Monat). Sie besteht bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres. Danach müssen sich die Studierenden privat versichern (ab etwa 250 Euro). Beiträge: GEZ, Mitgliedsbeiträge Sonstiges: Eventuell Kinderbetreuungskosten. Christine Demmer

Allerdings ist derzeit schwer abzusehen, wie lange der Zins so niedrig bleibt. Eine Gruppe von Geldmarktexperten sieht ihn noch mindestens fünf Jahre lang im Keller. Andere Experten glauben, dass die Zinsen schon in diesem Jahr wieder ansteigen werden. Doch auch ohne Glaskugel und Prognosemodell ist eines klar: Die Schuldenlast der deutschen Studenten ist keinesfalls mit der ihrer amerikanischen Kollegen zu vergleichen. Nach Ansicht von CHE-Analyst Ulrich Müller stehen Studierende in Deutschland im internationalen Vergleich komfortabel da. "Die Zahlen, die man aus dem Ausland hört, sind anderen Lebenshaltungskosten und deutlich höheren Studiengebühren geschuldet", sagt er. Außerdem gibt es mit einem guten Dutzend teils nicht rückzahlbarer Stipendien eine Vielzahl von Geldquellen. Die Kredite, versichert Müller, seien nur ein Zuschuss zu einem vorhandenen Finanzierungsmix.

Rein rechnerisch spricht also nicht viel dagegen, sich auf Pump weiterzubilden. Unter drei Bedingungen: Man sollte die Schulden im Rahmen halten, man sollte das richtige Fach studieren und man sollte den Abschluss hinbekommen. Angesichts der guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt lohnt sich diese Investition in den allermeisten Fällen. Ganz besonders für Ingenieure.

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