Süddeutsche Zeitung

Hochschule:Für jeden ein passendes Stipendium

Es gibt Geld, Workshops, Auslandsreisen: Hunderte Stiftungen unterstützen deutsche Studierende. Nicht nur Einser-Abiturienten haben Chancen.

Nicola Holzapfel

Manchmal kann es von Vorteil sein, aus Ochsenfurt zu kommen. Auch Passau oder Nürnberg können sich als Geburtsort auszahlen, wenn es darum geht ein Stipendium an Land zu ziehen. Stiftungen, die gezielt Kinder aus der Heimat unterstützen, gibt es aber genauso in anderen Städten. Auf die Herkunft achtet auch die Hartmannbund-Stiftung, allerdings interessiert sie nicht der Ort, sondern der Beruf der Eltern: Unterstützt werden nur Arztkinder.

Bei den elf großen Begabtenförderungswerken in Deutschland spielen beide Kriterien dagegen keine Rolle bei der Auswahl ihrer Stipendiaten. Für sie zählen überdurchschnittliche Leistungen und gesellschaftliches Engagement. Beides trauen sich offenbar immer mehr Studierende zu. "Der Bewerbungsdruck auf die Begabtenförderung hat enorm zugenommen", sagt Armin Pawlik von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). "In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Anzahl der Bewerbungen verdoppelt." Mehr als 1700 deutsche und ausländische Studierende fördert die KAS zurzeit.

Die Stipendienhöhe ist bei allen Begabtenförderungswerken vom Einkommen der Eltern abhängig und wird nach Bafög-Kriterien berechnet. Unter Umständen springt dann nur ein Büchergeld heraus. Auf das Begleitprogramm mit Sommerkursen, Praktikaprogrammen und Hilfe bei Auslandsstudien haben alle Stipendiaten Anspruch.

Die Gerechtigkeitsfrage

Wie sich die von einigen Bundesländern geplanten Studiengebühren auf die Stipendien auswirken, ist noch ungewiss. Die Begabtenförderungswerke, die von der Bundesregierung mit jährlich 80 Millionen Euro bezuschusst werden, könnten Gebühren für ihre Stipendiaten nur übernehmen, wenn die Mittel steigen oder der Kreise der Geförderten kleiner würde. "Wir wünschen uns, dass leistungsfähige Studierende von Studiengebühren befreit werden oder weniger zahlen müssen. Das würde ein Anreiz sein, sehr gut zu sein", sagt Cordula Avenarius von der Studienstiftung des deutschen Volkes.

Auch beim Studienwerk der Heinrich-Böll-Stiftung, das etwa 570 Stipendiaten unterstützt, sind Studiengebühren ein Thema. "Wir geben unseren Stipendiaten die Möglichkeit, dass sie sich unabhängig von finanziellen Sorgen auf ihr Studium konzentrieren können. Wenn sie aber künftig jobben müssen, um Studiengebühren zu finanzieren, führt das die ganze Idee der Begabtenförderung ad adsurdum", sagt Ulla Siebert, Leiterin des Studienwerks. Über Ausnahmeregelungen diskutieren auch die Heinrich-Böll-Stipendiaten. "Sie stellen aber auch die Gerechtigkeitsfrage: Wäre es gerecht, Stipendiaten der Begabtenförderungswerke von Studiengebühren auszunehmen? Man könnte ja argumentieren, dass sie schon durch ihr Stipendium bevorzugt sind", sagt Siebert.

Für diese Bevorzugung gegenüber den herkömmlichen Studierenden erwarten die Begabtenstiftungen einiges: Die Abinote muss stimmen, die Studienleistungen überragen, gesellschaftliches Engagement da sein, die Zusatzqualifikationen überzeugen. Vor allem im Letzteren scheinen sich die Bewerber laufend selbst zu übertreffen. "Die Qualifikationsanforderungen, auch an die internationale Orientierung von Bewerbern und Bewerberinn sind gestiegen. Früher waren die Stipendiaten bestenfalls europaweit mobil, heute sind sie es weltweit. Sie werden global player", sagt die Leiterin des Studienwerks Ulla Siebert. Ähnliches beobachtet auch die Studienstiftung des deutschen Volkes. Hier kann man sich allerdings nicht selbst bewerben, sondern wird von der Schule vorgeschlagen. "Die Kandidaten sind heute vielleicht noch interessanter als früher. Viele waren schon während der Schule ein Jahr im Ausland oder können besondere Hobbys vorweisen. Es liegt sicher auch daran, dass die heutige Jugend viel mehr Möglichkeiten hat", sagt Sprecherin Cordula Avenarius.

Ausgesiebt werden die Bewerber in Auswahlverfahren, die aus Klausuren, Einzelgesprächen und Gruppendiskussionen bestehen können. Bei der Aufnahme in die Studienstiftung schneiden bei den Abiturienten die Jungs etwas besser ab. "Unsere Vermutung ist, dass sie sich in den Auswahlverfahren besser präsentieren können. Möglicherweise schlagen die Schulen auch mehr Mädchen vor, die vor allem aufgrund ihres Fleißes gute Noten haben. Wir achten aber stark auf analytische Fähigkeiten, Kreativität und ein breites Interessensspektrum", sagt Cordula Avenarius.

Bei der Heinrich-Böll-Stiftung sind dagegen die Stipendiatinnen in der Überzahl: 70 Prozent der Geförderten sind Frauen. "Wir haben keine Quote. Dieser Prozentsatz entspricht in etwa ihrem Anteil an den Bewerbern", sagt Siebert. Auch bei den Studienrichtungen gibt es keine Quoten. Die Begabtenförderungswerke unterstützen fächerübergreifend. "Wenn ein Studienfach in der Förderung nicht angemessen vertreten ist, versuchen wir verstärkt potenzielle Stipendiaten anzusprechen", sagt Armin Pawlik von der KAS. Bei der Heinrich-Böll-Stiftung sind das zurzeit etwa Wirtschafts- und Naturwissenschaftler.

Guter Durchschnitt

Während die Begabtenförderungswerk explizit auf die Elite zielen, legen andere Stiftungen ihre Kriterien nicht ganz so hoch. An der Ludwig-Maximilians-Universität in München gibt es 17 Stiftungen, die Studierende einmalig oder laufend unterstützen. Die Bewerber müssen begabt und bedürftig sein. Es werden aber nicht nur Spitzenleute gefördert, sondern auch gute Durchschnittsstudenten, die in finanzielle Notsituationen geraten sind. Im vergangenen Jahr konnte das Stipendienreferat der LMU 210 einmalige Beihilfen vergeben, mehr als 100 Studierende kamen in den Genuss einer laufenden Förderung.

Wer auf eigene Faust nach Stipendienmöglichkeiten forschen will, kommt im Internet weiter. Das Karrierenetzwerk e-fellows.net informiert in einer kostenlosen Datenbank über 600 Förderprogramme. Aufgelistet sind regionale und bundesweite Stiftungen, Angebote für Studierende und Promovierende, für Universitäten und Fachhochschulen. Wie die Abfrage zeigt, hat manche Stiftung allerdings sehr genaue Vorstellung von ihrer Zielgruppe. Das Dr.-Horst-Schmidt-Stipendium, das Ehrenamtliche im hessischen Jugendsport unterstützt, ist keine Ausnahme.

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