Süddeutsche Zeitung

Hochschulrankings:Der Reiz des Unseriösen

Die Aussagekraft weltweiter Ranglisten zur Qualität von Unis ist umstritten - und doch achten alle darauf. Während große Hochschulen Gelassenheit verbreiten, fühlen sich die kleineren benachteiligt.

Von Martina Scherf

Mit den Hochschulrankings ist es wie mit den Klatschspalten in der Presse: Man findet sie oft unseriös - aber alle schauen hin. Auch Mittwochabend, wenn das jährliche Times Higher Education World University Ranking (THE) verkündet wird. Es ist eine der drei internationalen Ranglisten, an denen keine Hochschule im globalen Wettbewerb mehr vorbeikommt. Studenten und Dozenten orientieren sich an ihnen, und manche Staaten schicken keine Doktoranden mehr an Unis, die nicht unter den Top 100 gelistet sind. Für die Münchner Elite-Unis LMU und TU ist das kein Problem, für kleinere allerdings ein Ärgernis. Denn die Aussagekraft der Rankings ist umstritten.

"In Asien muss ich immer erklären, warum wir nicht unter den ersten 50 sind", sagt Karl-Dieter Grüske, Präsident der Uni Erlangen-Nürnberg, gerade auf dem Sprung nach Korea und Australien, um Kontakte zu knüpfen. Dabei ist seine Hochschule, wenn man nicht nur die Gesamt-Platzierung, sondern zum Beispiel die einzelnen Fächer-Listen beim amerikanischen QS-Ranking ansieht, durchaus Spitze. Die Erlanger Ingenieure, Chemiker und Pharmazeuten schneiden dort sehr gut ab, zum Teil unter den ersten 50 weltweit. "Unsere Ausbildung ist viel besser, als die Rankings das spiegeln", bekräftigt Grüske. Dennoch kann der Tunnelblick auf die Spitzenplätze zu kuriosen Folgen führen: Ein Siemens-Werk in Singapur durfte keine Praktikantin aus Erlangen beschäftigen, weil die Erlanger Uni im Shanghai-Ranking nicht unter den Top 100 steht. "Das ist absurd", sagt Grüske, "aber viele Regierungen verhalten sich inzwischen so."

Gerade die angelsächsischen Unis verfügen über ein Vielfaches an Geld

Beim Shanghai-Ranking zählen unter anderem nicht nur aktuelle, sondern auch ehemalige Nobelpreisträger zu den Bewertungskriterien. Da rutscht die Uni Würzburg gleich ein paar Plätze nach oben, weil dort Wilhelm Conrad Röntgen 1901 für die Entdeckung der Röntgen-Strahlen geehrt wurde. Aber auch die aktiven Forscher aus Würzburg schneiden gut ab. In der Gesamtwertung liegt die Uni Würzburg bei Shanghai immer unter den ersten 200 Hochschulen, Erlangen unter den ersten 300.

"Ist doch schön, dass von 19 000 Hochschulen weltweit gleich vier bayerische unter den ersten 300 sind", meint Bernd Huber, Präsident der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. "Man sollte keinen Fetisch aus den Rankings machen, aber wenn man ehrlich ist, schauen wir natürlich alle drauf." Huber kann die Ergebnisse gelassen betrachten, in der aktuellen Shanghai-Liste liegt die LMU auf Platz 49, das ist zusammen mit Heidelberg die beste deutsche Platzierung, ähnlich sieht es beim QS-Ranking aus. Bei THE war die LMU die beste deutsche Uni (Platz 55). "Mit Harvard oder Cambridge können wir uns ohnehin nicht vergleichen", sagt Huber. Schon deshalb nicht, weil in Deutschland Spitzenforschung nicht nur an Universitäten, sondern auch in den außeruniversitären Einrichtungen wie Max-Planck-, Helmholtz- oder Fraunhofer-Gesellschaft betrieben wird. Die angelsächsischen Spitzenunis verfügen über ein Vielfaches an Geld. Und ihnen kommt zugute, dass die maßgeblichen Publikationen weltweit in Englisch abgefasst werden. Da können die Germanisten der LMU noch so gut sein, in den Ranglisten tauchen sie nicht auf.

Eine rein geisteswissenschaftliche Uni wie Bamberg geht da unter. Godehard Ruppert erschüttert das aber nicht. Der Präsident setzt auf persönliche Kontakte und ist alle paar Wochen auf Reisen, um die Qualität von Forschung und Lehre an seiner Universität zu preisen. 220 Partnerhochschulen hat sie derzeit. Bamberger Archäologen und Restauratoren retten Kulturgüter von Georgien bis Ägypten. "Wenn man hoch spezialisiert ist, ist man gefragt, das ist wie in der Wirtschaft", sagt Ruppert und verweist auf den Bamberger Mittelständler Brose: "Der ist Weltmarktführer, jeder hat ein Brose-Teil in seinem Auto."

"Die Rankings haben viele Mängel, aber wir können nicht darauf verzichten", sagt TU-Präsident Wolfgang Herrmann. Seine Uni ist fast immer die beste deutsche technische Uni, "darauf sind wir stolz". Das schaffen die Münchner, weil sie die Bereiche Life Sciences in Weihenstephan und Medizin massiv ausgebaut haben. "Unser Portfolio ist breiter als das einer klassischen TU", sagt Herrmann. Er zeigt Mitleid mit den Konkurrenten Aachen oder Karlsruhe, die sehr viel weiter hinten liegen, "das kann eigentlich nicht sein". Die Ingenieurausbildung werde durch die Rankings nicht angemessen erfasst - obwohl deutsche Ingenieure weltweit den besten Ruf genießen. "Wir sind hier praxisorientierter als in den USA", sagt Herrmann, "das ist unsere Stärke". In den Rankings zählen aber nur wissenschaftliche Meriten.

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SZ vom 01.10.2014/dgr
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