Papier und Stift sieht man hier nicht, im Projektunterricht der Neuntklässler. Stattdessen surft Jan Winkelmann mit seinem Smartphone, während ihm sein Lehrer wohlwollend über die Schulter blickt. In dieser Klasse an der Walter-Bader-Realschule in Xanten am Niederrhein ist die Nutzung des eigenen Handys - an normalen Schulen strengstens untersagt oder gar mit Abnahme des Geräts bestraft - nicht nur erlaubt. Sondern Programm.
Jan arbeitet an einer Präsentation über Ausbildungen bei einem großen Salzhersteller in der Region - für ein Berufswahlprojekt. Um eine Powerpoint-Präsentation zu erstellen, füttert er ein Notebook der Schule mit Daten, recherchiert sie aber mit seinem eigenen Handy. Das sei schon praktisch, meint er. Zumal der PC-Pool auf der anderen Seite des Flurs gerade besetzt ist, dort findet gerade eine Informatikstunde statt.
Für Schulleiterin Regina Schneider ist der Handy-Einsatz im Unterricht nur konsequent. "Es geht darum, die Lernmöglichkeiten zu erweitern. Unser Denken muss sich verändern, weg von dem was verboten ist, hin zu dem was nützt." Deshalb ist die Schule Partner im europäischen Förderprojekt "School IT Rhein Waal" des Lehrstuhls für Mediendidaktik und Wissensmanagement der Universität Duisburg-Essen.
Klappt die Idee aus der Wirtschaft in Schulen?
Die Idee stammt aus der Wirtschaft: Anstatt Mitarbeiter mit Technik auszustatten, erlaubt der Arbeitgeber die Nutzung eigener Geräte. "Bring Your Own Device" (BYOD), lautet das Motto - weil Arbeit damit schneller und besser von der Hand gehe, außerhalb des Büros möglich sei; und weil eine Firma dann weniger in Geräte investieren muss.
Die Forscher erproben jetzt, mit zwei deutschen und zwei niederländischen Schulen, wie sich das Konzept auch auf den Unterricht übertragen lässt. So hat das Handy in Xanten sowie in Moers, ebenfalls in Nordrhein-Westfalen, Einzug in die Schulen gehalten. Hoch offiziell.
Dahinter steht die Überlegung, dass viele Schüler heutzutage privat ohnehin über ein internetfähiges Gerät verfügen. Studien etwa des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest besagen, dass inzwischen 100 Prozent aller Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren in ihrem Haushalt einen Zugang zu Computer oder Laptop haben, 97 Prozent besitzen ein eigenes Handy.
"Die Ausstattung der Schüler ist also gut, wird aber durch das Handy-Verbot an Schulen systematisch ausgeklammert", bemängelt der Mediendidaktiker Richard Heinen, der das Projekt an der Uni betreut. Stattdessen müssen sich nach einer Erhebung seines Teams Jugendliche in der Schule im Schnitt immer noch einen Computer mit zehn anderen Schülern teilen.