Halbzeitbilanz zum Ausbildungspakt:Gut vermittelt oder schöngerechnet

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Eine junge Frau arbeitet in einem Ausbildungsbetrieb.

(Foto: Marcus Brandt/dpa)

Der Ausbildungsmarkt für Jugendliche spaltet die Meinungen. Ein Bündnis aus Politik und Wirtschaft verweist auf die eigenen Erfolge: Junge Leute finden leichter eine Lehrstelle. Allerdings wird bei der Statistik getrickst, der DGB spricht gar von Verschleierung.

Von Thomas Öchsner

Wenn die Teilnehmer des Ausbildungspakts in Berlin Bilanz ziehen, herrscht stets große Einigkeit. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagt: "Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist für die Jugendlichen sehr gut." Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, hält es für einen Erfolg, dass die Hälfte der zunächst unversorgten Bewerber doch noch einen Lehrbetrieb gefunden hat. Und Staatsministerin Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, ergänzt: Politik und Wirtschaft hätten "die richtigen Weichen gestellt".

Was man halt so sagt, auf solchen Pressekonferenzen. Aber ist die Lage der jungen Leute, die einen Ausbildungsplatz suchen, wirklich so gut? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, welche Statistik man heranzieht und wie man sie interpretiert.

Fakt ist: Im Land des zunehmenden Fachkräftemangels wird es immer schwieriger neue Betriebe zu finden, die ausbilden wollen oder können. 2012 ist ihre Zahl um knapp 2000 auf 41.660 zurückgegangen. Gleichzeitig sank die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge bis Ende September um 3,2 Prozent auf 551.300.

Die Partner des "Nationalen Pakts für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs", in dem sich die Spitzenverbände der Wirtschaft, drei Bundesministerien, die Arbeitsagentur und die Kultusminister der Länder zusammengeschlossen haben, machen den Unternehmen aber keinen Vorwurf. Sie führen das Minus vor allem auf den Geburtenrückgang zurück: Es gibt Jahr für Jahr weniger Schulabgänger. Deshalb sei es 2012 deutlich schwieriger geworden, "die Ausbildungsplatzangebote der Betriebe und die Ausbildungswünsche der Jugendlichen regional und beruflich zusammenzuführen".

In den letzten vier Monaten haben die Arbeitsagenturen deshalb noch einmal nachvermittelt, mit Erfolg: Die Zahl der unversorgten Bewerber wurde - bei nach wie vor Zehntausenden offenen Lehrstellen - um 50 Prozent auf 7700 abgebaut.

DGB hält Zahlen für geschönt

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der beim Ausbildungspakt nicht mitwirkt, hält diese Angaben jedoch für geschönt. Das liegt an den sogenannten Altbewerbern, die in früheren Jahren die Schule verlassen haben und beim ersten Versuch scheiterten, einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Deren Zahl ist zwar seit Jahren rückläufig. Nach Angaben der Nürnberger BA hängen allerdings immer noch mehr als 160.000 dieser Altbewerber in der Warteschleife.

Häufig qualifizieren sie sich in diesem Übergangssystem nach oder bilden sich weiter. Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende, ist deshalb überzeugt: "Die tatsächliche Lage wird ohne Zweifel verschleiert." Sie weist darauf hin, dass mehr als 2,2 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren in Deutschland immer noch ohne Berufsabschluss sind.

Arbeitgeberpräsident Hundt sieht hier vor allem ein Versäumnis bei den Schulen: Noch immer sei ein Fünftel der Schüler nicht "ausbildungsreif", kritisiert er. Daher blieben Ausbildungsplätze unbesetzt und müsse im Übergangssystem nachgebessert werden. Der Ausweg für Hundt: "bundesweit verbindliche Qualitätsstandards für alle Fächer".

Ein anderes Problem sind Eltern im Alter von 16 bis 24 Jahren. Knapp die Hälfte dieser Mütter und fast ein Drittel der jungen Väter, zusammen fast 140.000, besuchten vor zwei Jahren weder eine Schule, noch absolvierten sie eine Ausbildung. Die Partner des Paktes werben deshalb für die Lehre in Teilzeit. Diese ist allerdings noch die große Ausnahme: 2011 wurden gerade einmal 1200 neue Ausbildungsverträge in Teilzeit unterzeichnet.

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