Grundschule:Muss eine Klassenarbeit für alle gleich sein?

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Verschiedene Schüler, verschiedene Prüfungen? (Foto: Illustration: Jessy Asmus/SZ.de)

An der Grundschule seiner Tochter sollen leistungsstarke Kinder schwierigere Prüfungsaufgaben lösen als ihre Klassenkameraden. Einem Vater kommt das verdächtig vor.

Von Matthias Kohlmaier

Die Leserfrage

Meine Tochter besucht die 4. Klasse einer Berliner Grundschule. Bei einigen Klassenarbeiten bekommen die Schüler unterschiedliche Tests mit unterschiedlich schweren Aufgaben vorgelegt. In Mathe zum Beispiel müssen gute Schüler komplexere Aufgaben lösen als ihre nicht so leistungsstarken Klassenkameraden. Folglich ist es für gute Schüler im Vergleich auch schwieriger, gute Noten zu bekommen.

Ein Lehrer hat sich mündlich im Elterngespräch eindeutig dazu bekannt und erklärt, manche Kinder seien ja auch besser in seinem Fach und da müsse er auch mehr verlangen. Ist so ein Vorgehen bei schriftlichen Prüfungen erlaubt?

Die Antwort

Grundsätzlich gilt bei allen Formen schriftlicher Leistungsnachweise die Regel: Alle Schüler einer Klasse bekommen die gleichen Prüfungsaufgaben vorgelegt, um eine Vergleichbarkeit der Leistungen zu gewährleisten. Denn natürlich kann es nicht im Sinne einer Prüfung sein, dass schwächere Schüler am Ende mit einer besseren Zensur das Klassenzimmer verlassen als ihre im geprüften Fach eigentlich besseren Klassenkameraden.

Was der von Ihnen angesprochene Lehrer auch gemeint haben könnte, ist eine Art des Unterrichtens, bei der die Schüler tatsächlich nach ihrer Leistungsstärke unterteilt werden. Beim pädagogischen Konzept der Binnendifferenzierung erarbeiten sich gute Schüler komplexe Themen selbst, während eher schwächere vielleicht noch an den Grundlagen feilen müssen. Auch kann so ein Unterricht in Kleingruppen stattfinden, wo ein besonders guter Schüler seinen Klassenkameraden Dinge erklären kann - was im Idealfall für beide Seiten zu guten Ergebnissen führt.

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Wenn es dann aber an die schriftlichen Prüfungen geht, soll wieder jeder gleich behandelt werden. Die Verordnung über den Bildungsgang der Grundschule (GsVO) definiert es folglich unter Paragraf 10, Absatz 3 als eine der Aufgaben der Grundschulen, eine "gemeinsame Grundbildung aller Kinder" sicherzustellen.

Die zuständige Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft schreibt auf Anfrage zu Ihrem Problem: "Es gibt keine unterschiedlichen Rahmenlehrpläne und es gelten einheitliche Bewertungsmaßstäbe. Insofern ist es grundsätzlich nicht zulässig, innerhalb einer Klasse Klassenarbeiten auf unterschiedlichen Niveaustufen schreiben zu lassen." Heißt: Auch das Schulrecht findet es nicht in Ordnung, was offenbar einige Lehrkräfte an der Schule Ihrer Tochter tun.

Die einzige Ausnahme für die "Gleiche-Klassenarbeiten-für-alle-Regel" besteht bei Schülerinnen und Schülern mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "Lernen". Sie werden nach einem anderen Rahmenlehrplan unterrichtet und erhalten daher auch andere Prüfungsaufgaben - was später auch auf den Zeugnissen vermerkt wird. Ich nehme anhand Ihrer Frage aber an, dass das auf Ihre Tochter nicht zutrifft.

Was sollten Sie also tun? Ideal wäre es natürlich, wenn Sie handfeste Beweise für die unterschiedlichen Klassenarbeiten vorlegen könnten. Das dürfte nicht schwierig sein, denn unter Paragraf 20, Absatz 6 der GsVO steht: "Klassenarbeiten sind den Schülerinnen und Schülern und deren Erziehungsberechtigten zur kurzfristigen Einsichtnahme zu überlassen [...]." So können Sie die Arbeiten Ihrer Tochter problemlos mit den Arbeiten von Mitschülern vergleichen und werden sehen, ob sich der Schwierigkeitsgrad tatsächlich unterscheidet.

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Ein erster Schritt wäre dann - nachdem sie die Causa ja offensichtlich schon mit Lehrkräften besprochen haben, die sich keiner Schuld bewusst waren - mit diesen Erkenntnissen an die Schulleitung heranzutreten. Deren Job ist es nämlich unter anderem, für vergleichbare Bewertungsmaßstäbe an der Schule zu sorgen. Reagiert sie nicht oder weicht aus, rät die zuständige Senatsverwaltung zu folgendem Vorgehen:

"Sollte durch das Agieren der Schulleitung der Eindruck entstehen, dass dies nicht gelingt oder daran kein Interesse besteht, können sich die Erziehungsberechtigten an die regionale Schulaufsicht wenden. Sofern auch dies nicht erfolgreich sein sollte, bleibt als (letzte) Instanz innerhalb der Exekutive die für Grundschulen zuständige Grundsatzreferentin."

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