Grundsatzurteil zur Glaubensfreiheit:Alltäglicher Anblick

Der gemeinsame Schwimmunterricht von Jungen und Mädchen ist keineswegs unerlässlich für die Integration. Doch es geht im Burkini-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts um mehr als bloß ums Schwimmen.

Ein Kommentar von Marlene Weiß

Wenn es nur ums Schwimmen ginge, dann wäre die Sache ja klar: Laut islamischer Überlieferung sollten muslimische Eltern ihre Kinder das Schwimmen lehren. Folglich könnten sie froh sein, wenn die Schule diese Aufgabe übernimmt - andersherum könnte sich die Schule auch mit einem privat erworbenen Schwimmabzeichen zufriedengeben.

Aber das Bundesverwaltungsgericht hatte nicht darüber zu entscheiden, ob ein muslimisches Mädchen Schwimmen lernen muss. Sondern darüber, ob ihr der Schwimmunterricht zugemutet werden kann, auch wenn sich dabei trotz Burkini der Anblick von Jungen in Badehosen kaum vermeiden lässt.

Man sollte den gemeinsamen Schwimmunterricht für Mädchen und Jungen nicht überfrachten. Wenn er so unerlässlich für die Integration wäre, wie manche meinen, müsste man sich ernsthaft Sorgen um all die pubertierenden Kinder machen, die ihn nicht durchleiden. Schließlich können ihn nicht einmal alle Schulen anbieten, und mancherorts wird nach Geschlechtern getrennt geschwommen.

Trotzdem haben die Richter Recht: Das Grundrecht auf Glaubensfreiheit verpflichtet die Schule nicht, die Schüler vor Anblicken zu schützen, die zum Alltag gehören. Wenn die ganze Klasse schwimmt, kann man erwarten, dass alle Schüler mitmachen; in einer Verhüllung, die ihnen oder ihren Eltern angemessen erscheint.

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