Student verklagt Uni Rostock:"Im Tarifrecht nicht vorgesehen"

Lange war die Universität Rostock stolz darauf, dass ein Student Mitglied der Hochschulleitung ist - inzwischen ist daraus ein abstruser Rechtsstreit geworden. Auch für andere deutsche Unis ist die Frage von Interesse, ob der Lehramtsstudent Ehrenamtlicher oder Arbeitnehmer ist.

Ralf Steinbacher

Als der Lehramtsstudent Heiko Marski 2010 zum studentischen Prorektor der Universität Rostock berufen wurde, da lächelten noch alle frohen Mutes in die Kamera. Ein Student im Führungszirkel einer Hochschule - das ist ziemlich einmalig in Deutschland, und die Rostocker sind zu Recht darauf stolz. Das Lächeln ist Rektor Wolfgang Schareck mittlerweile vergangen. 2011 nämlich zog Marski vor Gericht. Prozessgegner: seine Hochschule.

Heiko Marski, Universität Rostock

Der Student Heiko Marski, 28, wollte sich engagieren. Als Prorektor führte er ein eigenes Ressort und vertrat die Hochschule auch offiziell nach außen.

(Foto: oh)

Marski hatte seinen Job sehr ernst genommen und sich ein Arbeitspensum auferlegt, für das er auch entsprechend bezahlt und sozial abgesichert werden wollte. 800 Euro Aufwandsentschädigung für eine 50-Stunden-Woche, für die er selbst Sozialabgaben zahlen sollte - das erschien ihm nicht gerecht.

Doch die Ansichten der Hochschule und des Studenten gingen weit auseinander, was den arbeitsrechtlichen Status betraf. Es handele sich um ein Ehrenamt, sagt die Uni; laut Marski sei dagegen von Anfang an klar gewesen, dass dies bei einer Vollzeitstelle nicht der Fall sein könne. Dass in einem Gütetermin schließlich die Vertreterin des Rektors - wie Marski erzählt - behauptet habe, er sei gar nicht Prorektor, darf als kurioses Einsprengsel einer diffizilen Arbeitsrechtsgeschichte gelten.

Wie auch immer sie ausgeht, sie betrifft erst einmal nur die Causa Marski. Andererseits ist sie überregional von Interesse: Denn in Bildungsministerien anderer Bundesländer wird darüber nachgedacht, die Hochschulgesetze so zu ändern, dass Studenten mehr mitbestimmen können. Wie so ein Amt geregelt werden - und wie man es vermasseln - kann, darum geht es nun in der Hansestadt.

Eigenes Ressort mit Mitarbeiterstellen

Marski führte als Prorektor ein eigenes Ressort mit Mitarbeiterstellen. Er war zuständig für studentische Belange und Soziales wie Kinderbetreuung und vertrat die Uni auch nach außen, mal gegenüber der Stadt, mal im Ministerium. Mit seiner Arbeit war die Hochschule zufrieden.

So hat es sich der akademische Senat auch nicht leicht gemacht und etwa das Amt des studentischen Prorektors einfach abgeschafft, als er kürzlich einen entsprechenden Antrag zu behandeln hatte. "Die Universitätsleitung schätzt die von den studentischen Prorektoren geleistete Arbeit und befürwortet nach wie vor eine studentische Mitwirkung in der Hochschulleitung", sagt ein Sprecher.

Mit einer Einschränkung: Die künftige Ausgestaltung des Amtes, das nun seit Mitte April unbesetzt ist, müsse noch diskutiert werden, wenn die rechtlichen Fragen geklärt seien. Denn Marski verlor seinen Prozess in erster Instanz zwar, ging aber in Berufung.

Beurlaubung fürs Amt

Marski ist ein Mann, der trotz seiner 28 Jahre nicht nur druckreif sprechen kann, sondern auch die Kunst der Diplomatie beherrscht. Er sagt nicht, dass er seine Uni auf einen Arbeitsvertrag verklagt hat, er formuliert es so: "Ein Prozess ist kein kriegerischer Akt. Letztendlich bitten zwei Seiten eine Kammer aus mehreren Richtern um eine Entscheidung zu einer strittigen Frage."

Diese lautet: Welchen arbeitsrechtlichen Status hat Marski als studentischer Prorektor? Die Antwort des Arbeitsgerichtes Rostock stärkte der Hochschule den Rücken: Marski ist kein Arbeitnehmer. Ein Urteil, das viele Beobachter überraschte. Nicht zuletzt deshalb, weil die Uni mit dem Kläger doch monatelang über einen Arbeitsvertrag verhandelt hatte.

Zurück ins Jahr 2010. Als Marski antritt, erhält der Lehramtsstudent für Englisch, Geschichte und Dänisch wie seine Vorgänger eine Aufwandsentschädigung von 800 Euro. Allerdings lässt er sich - anders als diese - beurlauben. Er will richtig viel arbeiten. Einen Vertrag aber erhält er erst einmal nicht.

Wer zahlt die Sozialversicherung?

Heute argumentiert er, dass schon seit 2008 klar gewesen sein müsse, dass eine Aufwandsentschädigung unzulässig sei. Das Protokoll der damaligen Senatssitzung, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, bestätigt dies. Für eine Aufwandsentschädigung, heißt es da, fehlt laut Bildungsministerium die Rechtsgrundlage. 2008 ist auch von einer Alternative die Rede: einem Geschäftsführungsvertrag. Im Mai 2010 will das Hanse-Jobcenter Rostock dann von der Uni wissen, welchen Status Marski hat. Fortan wird er im Jobcenter als selbständig geführt. Ein Provisorium.

Die Frage ist: Wer zahlt die Sozialversicherung? Im Februar 2011 schließlich bietet die Universität Marski nun doch einen Arbeitsvertrag an, für ein Jahr, rückwirkend, mit einem Lohn von gut 3000 Euro brutto. Im zweiten Jahr, so Marski, solle er aber nur 650 Euro als Hilfskraft erhalten. Es kommt zu keiner Einigung.

Marski arbeitet weiter - ohne Bezahlung

In einem Schreiben an die Arbeitsagentur räumt die Universität im März ein, dass "Herr Marski als Arbeitnehmer zu behandeln ist". Angesprochen wird auch ein Problem, dessen sich Marski ebenfalls bewusst ist: "Eine tarifliche Eingruppierung ist nahezu unmöglich, da das Tarifrecht diese Form der Tätigkeit nicht vorsieht." Dennoch verpflichtet die Arbeitsagentur die Uni als Arbeitgeberin, Marski rückwirkend zum April 2010 zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung anzumelden.

Die Sache ist endgültig festgefahren, sodass nun auch die Uni die von Marski angestrebte gerichtliche Klärung befürwortet. Sie stellt alle Zahlungen ein. Marski arbeitet weiter. Ohne Vertrag, ohne Bezahlung.

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