Französischunterricht in der Schule:"Wir müssen Schüler anfixen"

Bilingualer Unterricht in Köln, 2004

Ein Schüler schreibt deutsche und französische Vokabeln an eine Tafel.

(Foto: dpa/dpaweb)
  • Französisch ist nach wie vor die am zweithäufigsten gelehrte Fremdsprache an deutschen Schulen.
  • Aber: Immer mehr Schüler wählen die Sprache in den höheren Klassen ab.
  • Das dürfte nicht nur am schlechten Image der Sprache, sondern auch an der vielerorts praktizierten Art des Unterrichts liegen.

Von Hannes Vollmuth

"Kein Kino, keine Comics, keine Fußball-WM und keine Pommes." So sähe die Welt ohne Frankreich und die französische Sprache aus. "Und welcher Schüler", so sagt die Französischlehrerin Ulrike C. Lange, "würde das schon wollen?" Es stimmt schon: "Ziemlich beste Freunde", ein irre witziger Film. Comics aus Frankreich sind Kult. Und lieben nicht gerade alle Zaz, diese französische Sängerin mit den Ohrwürmern? Nur: Warum ist dann Französisch nicht mehr sexy? So scheint es ja tatsächlich zu sein. An deutschen Schulen tobt ein Verdrängungskampf der Fremdsprachen.

Auch Französisch spürt das. Neben dem Sprachen-Spitzenreiter Englisch ist kaum mehr Platz. Der übrige Raum ist hart umkämpft: Spanisch drängelt heran, es gibt Italienisch-Fans, Schüler, die Russisch lernen, Türkisch. Latein bleibt beliebt. Noch ist Französisch klar Nummer zwei an Schulen, die Quote ist insgesamt stabil. Wenn es aber um das lange Französisch-Lernen geht, bis zum Abitur, wenn sich Vokabeln und Grammatik zu Gesprächen verflüssigen, dann geht das Französische zurück. Seit dem Jahr 2005 fiel die Lerner-Quote in der Sekundarstufe II, also in den letzten Klassen der weiterführenden Schulen, von 34 auf 29 Prozent. Für das Abiturjahr fand der Jenaer Französischprofessor Marcus Reinfried heraus: Der Anteil der Sprache schmolz hier in den vergangenen 50 Jahren von 46 auf unter 20 Prozent.

Grund für den Langzeittrend ist natürlich auch die Reform der Oberstufe - die Abwahl, die jedem offensteht, außerdem das G 8 und die Spanisch-Mode. Aber dahinter steckt wohl noch mehr. "Schüler wollen ihren Abiturschnitt verbessern und wählen Französisch dafür ab, sie denken, so wird es leichter", sagt Arnaud Sète. Er arbeitet in der französischen Botschaft in Berlin und kümmert sich um Sprachförderung. "Deutsche Schüler lernen schon Französisch", sagt er. "Aber viel zu kurz."

Vor allem das Image ist ein Problem, wenn Schüler entscheiden, welche Sprache sie behalten: Französisch gilt als elitär und schwer, eine Art Altgriechisch der Gegenwart, nur dass man es auch noch sprechen muss. Und für den Beruf bringt das weniger als Spanisch, glauben viele.

"Nichts davon ist wahr", sagt Französischlehrerin Lange. Sie spult ein paar Fakten ab und wirkt so, als müsste sie das ziemlich häufig tun: "Es gibt keinen Beweis dafür, dass Französisch schwerer wäre als andere Sprachen", sagt die Bundesvorsitzende der Vereinigung der Französischlehrer. "Frankreich ist unser wichtigster Wirtschaftspartner, nicht Spanien." Und wer strategisch denke, müsse eigentlich Französisch wählen. 2300 französische Niederlassungen gibt es in Deutschland, die deutsch-französische Handelsbilanz liegt bei 164 Milliarden Euro. Nach einer Befragung des Bundesinstituts für Berufsbildung benötigen immerhin 15 Prozent aller Berufstätigen Französisch, auch durch die Nachbarschaft der Länder. Der Spanisch-Anteil liegt nur bei vier Prozent.

Endlich mit dem "Wirbeln" begonnen

Aber was tun gegen das Image? "Wir müssen Schüler anfixen, damit sie erkennen, wie wichtig Frankreich für uns ist", meint Markus Ingenlath, Generalsekretär des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW). Natürlich meint er den deutsch-französischen Dialog. Die Frage ist, ob Schüler in solchen Dimensionen denken. Zumindest schickt das DFJW 125 000 von ihnen jedes Jahr nach Frankreich. Unzählige weitere Projekte dieser Art gibt es zwischen deutschen und französischen Einrichtungen, es ist das vielleicht beste Austauschgeflecht, das weltweit existiert. "Der Kontakt mit französischen Schülern", sagt Ingenlath, "ist immer noch die größte Lernmotivation."

Sicherlich aber könnte sich auch der Unterricht ändern. Es gibt Referendare, die Französisch und Spanisch geben: Französisch streng, mit Nachdruck auf Grammatik; Spanisch eher beschwingt, ein mündlicher Unterricht, der Lust macht auf die Kultur. Das erzählen Lehrer öfters. Aber es bewegt sich auch etwas: Einige Lehrer machen nun Fortbildungen zu Skype-Freundschaften, für Kontakte von deutschen und französischen Schülern. Sie gehen auf Interessen der Kinder ein, statt ständig nur Grammatik zu pauken - beliebte Filme und Pop statt im Übermaß Voltaire und Gainsbourg. Eine Lehrerin sagt: Wir haben endlich mit dem "Wirbeln" begonnen. Und hofft, dass es hilft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: