Fortbildung für Lehrer:Lernen unerwünscht

Der Bedarf ist groß: Die meisten Lehrer wollen sich fortbilden, um die gestiegenen Anforderungen zu erfüllen. Doch die wenigsten Seminare werden genehmigt: aus Zeitmangel, aus Personalmangel - oder weil das Angebot nicht passt.

Ralf Steinbacher

Ohne die sprichwörtliche Engelsgeduld hätte Oliver Manger nicht durchgehalten. Sieben Mal bewarb sich der Gymnasiallehrer in den vergangenen Jahren auf einwöchige Fortbildungskurse, genehmigt wurden ihm nur drei. Mal habe ihn der Schulleiter nicht gehen lassen, weil nicht zu viele Kollegen gleichzeitig weg sein sollten, mal habe es an der bayerischen Akademie für Lehrerfortbildung keinen Platz mehr gegeben. Manger selbst wollte nicht aufgeben, er kennt aber Kollegen, die genau das getan haben: einen Sportlehrer etwa, der mehrere Jahre lang vergeblich versucht hat, eine Kletter-Schulung zu bekommen.

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Eng getaktete Stundenpläne lassen wenig Zeit für Fortbildungen.

(Foto: ddp)

In einer großen Studie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) von 2009 gaben 58 Prozent der befragten 4000 Lehrer und Schulleiter an, dass sie sich mehr Fortbildung wünschen. Auf die Frage, was sie daran hindert, antworteten mehr als 80 Prozent, dass es keine passenden Angebote gegeben habe; aber 66 Prozent sagten zudem, dass die Teilnahme sich mit dem Stundenplan überschnitten hätte, und zehn Prozent kritisierten, dass die Fortbildung in ihrer Erholungszeit gewesen wäre und sie deshalb abgelehnt hätten.

Dabei gelten Fortbildungen als nötiger denn je: Die Pädagogen sollen die Schüler heutzutage individuell fördern, Behinderte in die Klasse integrieren, sich mit sozialen Netzwerken und Computern auskennen. "Seit zehn Jahren überschlagen sich die Anforderungen", sagt Marianne Demmer, stellvertretende Bundesvorsitzende der GEW. Das seien keine "Kleinigkeiten", es handle sich um Paradigmenwechsel, "die nur dann gut gelingen können, wenn sie durch intensive Fortbildung begleitet werden".

Investitionen sind nötig

Doch an verbindlichen Qualitätsstandards und durchgehend hochwertigen Angeboten hapert es in den Bundesländern, mal mehr mal weniger, sagt der Fortbildungsexperte Botho Priebe. Ohne Investitionen sei jedenfalls keine Qualitätsverbesserung zu erreichen, schreibt der ehemalige Direktor des Instituts für Schulische Fortbildung des Landes Rheinland-Pfalz in einer Expertise.

Das Problem beginnt schon dann, wenn Lehrer die Fortbildung beantragen. Schulleiter reden sie ihnen ja nicht aus bösem Willen aus, sondern weil sie zu wenig Leute haben. Wie könnte das Problem gelöst werden? Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) gibt diese Antwort: Das Schulpersonal müsste um sechs Prozent aufgestockt werden, sagt Verbandspräsident Klaus Wenzel. Dann könnten mehr Pädagogen die Kurse besuchen, dann würde auch weniger Unterricht wegen Krankheit ausfallen. Doch wer soll das bezahlen?

Zum Beispiel Bayern: Das Land beschäftigt etwa 100.000 Lehrer. Veranschlagt man pauschal 36.000 Euro Bruttojahresgehalt für jeden, würden zusätzliche sechs Prozent 216 Millionen Euro jährlich kosten. So an das Problem heranzugehen, hält der Deutsche Verein zur Förderung der Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung deshalb für unrealistisch, denn die meisten Länder könnten sich das schlicht nicht leisten, sagt Vorstandsmitglied Dieter Schoof-Wetzig. Er schlägt stattdessen Investitionen in die Landesinstitute für Fortbildung vor, denn die könnten Kurse mit hochqualifizierten Referenten anbieten.

Das Interesse der Lehrer an solchen Seminaren ist groß, die Kapazität der Einrichtungen aber beschränkt. Das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung etwa bietet pro Jahr 25 Seminare zum Thema Inklusion von Behinderten an, und konnte erst im Laufe des vergangenen Jahres die Nachfrage halbwegs befriedigen. Die bayerische Akademie in Dillingen kann rechnerisch einem Lehrer nur jedes fünfte Jahr einen Platz offerieren.

Die Notwendigkeit wird größer

Natürlich kann kein Land auf regionale oder lokale Fortbildungsangebote verzichten. Botho Priebe hat in einer 2011 veröffentlichten Expertise im Auftrag der GEW für Nordrhein-Westfalen sogar gefordert, dass die mit den Fortbildungseinrichtungen abgestimmten Seminare weitgehend in den Schulen selbst stattfinden sollten. Er regt an, "ein professionelles, konzeptionell modularisiertes und nachfrageorientiertes Fortbildungsangebot" aufzubauen.

In seinen Empfehlungen hat sich Priebe auch an erfolgreichen Pisa-Staaten orientiert - er war bis 2008 Beauftragter der Kultusministerkonferenz bei der OECD für Pisa. Man könne von Ländern lernen, in denen Schulen verpflichtet seien, schuleigene Fortbildungspläne zu erstellen, und in denen Schulen ein Budget gewährt werde, so dass sie Fortbildung einkaufen könnten. Ohne mehr Geld sei allerdings keine Qualitätsentwicklung zu haben. Für Niedersachsen heißt Qualität in der Fortbildung, sie stärker "an aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Lehre" anzubinden, wie Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) sagt, an Wissen also, wie es auch in den Lehramtsstudiengängen selbst vermittelt wird. Seit Januar sind nun entsprechende Kompetenzzentren der Universitäten zuständig für die Fortbildung.

Für den Gymnasiallehrer Oliver Manger hat sich seine Geduld mit den bestehenden Mängeln in der Weiterbildung schließlich ausgezahlt. Mittlerweile war er auf einem einwöchigen Fortbildungsseminar - das erste Mal seit vier Jahren.

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