Flüchtlingskinder in Berlin:"Hier wissen viele, was Krieg ist"

Johanna-Eck-Schule

Bassel, Jamil, Linda, Aykut an der Johanna-Eck-Schule in Berlin.

(Foto: Thomas Koehler/photothek.net)

Sie sind jung, wollen Rechtsanwalt werden oder Architekt. Sie rappen auf Deutsch und sprechen über das Land, das sie verlassen mussten. Zwei deutsche und zwei syrische Flüchtlinge berichten von ihren Erfahrungen.

Von Verena Mayer und Denis Schnur, Berlin

Mit 300 000 jungen Flüchtlingen rechnet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bundesweit in den nächsten zwölf Monaten. Während in Deutschland noch darüber diskutiert wird, wie das heimische Bildungssystem solche Zahlen bewältigen soll, machen manche Schulen bereits seit Jahren Erfahrungen mit Flüchtlingsklassen. Die Johanna-Eck-Schule in Berlin-Tempelhof zum Beispiel. Auf den ersten Blick eine Sekundarschule wie so viele, 500 Schüler, berufsbildender Schwerpunkt. Doch ein Viertel der Jugendlichen, die hier unterrichtet werden, sind geflüchtet oder gerade erst nach Deutschland gekommen, viele stammen aus Kriegsgebieten.

Vier von ihnen sitzen jetzt an einem Tisch zusammen und erzählen von ihrem Schulleben zwischen Pausenhof, Teenagersein und der Allgegenwart von Flucht und Vertreibung. Es gehe ihm immer "mitten ins Herz", wenn in der Hofpause plötzlich jemand vor ihm stehe, der flüchten musste oder dessen Eltern getötet wurden, sagt etwa Aykut Avci. Er ist 15 und kommt aus einer deutsch-türkischen Familie. Er versuche dann, diese Kinder zu trösten, aber "ab und zu fühlt man sich überfordert".

Jamil Mohamad Amin, 16, ist hingegen froh, dass seine Mitschüler eine Ahnung haben, warum er überhaupt in Deutschland ist. "Hier wissen viele, was Krieg ist." Er ist mit seinen Eltern aus Syrien erst in die Türkei geflohen, kam dann nach Sachsen und später nach Berlin. Er hat inzwischen Deutsch gelernt, will Abitur machen und später studieren. Seine Zukunft sieht er in Deutschland. "In Syrien müsste ich ja komplett von null anfangen." Anders Bassel Abdul Rahman. Er will wieder zurück nach Syrien, wenn der Krieg vorbei ist.

Immer wieder gebe es Konflikte zwischen Schülern, sagt Linda Thronicker, 16, aufgewachsen in Berlin. "Meistens wegen Missverständnissen oder Lästereien." Aber die Jugendlichen würden von der Schule angeleitet, bei Konflikten einzuschreiten, auch die Schulregeln wurden gemeinsam erarbeitet. Die größten Unterschiede zwischen den vier Jugendlichen tun sich beim Thema Beziehungen und Geschlechterrollen auf. Während für die Berliner Jugendlichen Hotpants oder Knutschereien zum Alltag gehören, finden es die syrischen Schüler etwa undenkbar, vor der Hochzeit sexuelle Beziehungen zu haben. "Das liegt nicht nur am Alter, es geht auch um Tradition. Unsere ist anders als in Deutschland", sagt Bassel Abdul Rahman.

Einig sind sie sich, dass in ihrer Generation Herkunft irgendwann keine große Rolle spielen wird. "Wenn ich 25 bin, wird es wahrscheinlich selbstverständlich sein, dass ich mit Leuten zusammenarbeite, die von überall herkommen", sagt Linda Thronicker. "Aber es wird zwei Gruppen geben, denke ich. Eine, die damit klar kommt, und eine, die dagegen ist."

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