Fernstudium:Ohne Verzicht geht es nicht

Fernstudium: Aufgaben bearbeiten, wo und wann man will - die Flexibilität ist ein Vorzug des Fernlernens.

Aufgaben bearbeiten, wo und wann man will - die Flexibilität ist ein Vorzug des Fernlernens.

(Foto: Umwe Umstätter/Mauritius Images)

In ein Fernstudium muss man sich richtig reinhängen und dafür teils viel Freizeit aufwenden. Wie hält man durch? Drei Erfahrungsberichte.

Von Elisabeth Pörnbacher

Lernen von zu Hause aus, im Café, am Flussufer, im Zug, ganz wie es einem beliebt. Besonders für Berufstätige klingt das verlockend. Sie müssen ihren Job nicht kündigen und können sich zugleich weiterbilden - im Rahmen eines Fernlehrgangs oder eines Fernstudiums. Fernlehrgänge sind Angebote nichtakademischer Bildungsanbieter, unter Fernstudien fallen ausschließlich hochschulische Angebote. Kurse gibt es in fast allen Branchen.

Laut der Statistik "Strukturdaten Distance Learning/Distance Education 2017" des Bundesinstituts für Berufsbildung in Bonn gibt es auf dem Gebiet der Lehrgänge die meisten Angebote im Bereich Wirtschaft/kaufmännische Praxis, es folgen Gesundheit/Pflege/Ernährung und Technik/Logistik/Bauwesen sowie Informatik/Digitale Medien/EDV.

Wer sich für ein Fernstudium entscheidet, sollte sich zunächst über die jeweiligen Zugangsvoraussetzungen informieren sowie darauf achten, dass der Fernstudiengang akkreditiert und die Hochschule staatlich anerkannt ist. Eine besondere Schwierigkeit dieser Art des Lernens besteht darin, sie bis zum Ende durchzuhalten. Denn man ist stärker auf sich gestellt als bei anderen Ausbildungen. Drei Studierende erzählen von ihren Erfahrungen.

"Man kann jederzeit anfangen"

Daniel Pauli: "Als mein Fernstudium begonnen hat, habe ich an der Rezeption des Familienferiendorfes Grafenau gearbeitet. Ich wollte mich neben dem Beruf weiterentwickeln. Zum Glück habe ich das gemacht: Noch während ich studierte, wurde das Feriendorf geschlossen. Das Studium hat mir neue Perspektiven ermöglicht.

Im Gesundheitstourismus werden die Bereiche Wirtschaft, Tourismus und Gesundheit verbunden. Die Module sind breit gefächert: von Betriebswirtschaftslehre über medizinische Grundlagen, Kur- und Präventionstourismus und Management touristischer Destinationen bis hin zu Wahlpflichtfächern wie Umwelt und Gesundheit.

Das Gute am Fernstudium ist, dass man jederzeit damit anfangen kann. Es gibt keinen Numerus clausus. Der Studienplan ist flexibel: Man kann sich auf die Module spezialisieren, die einen am meisten interessieren. Gerade am Anfang kannte ich noch keine Kommilitonen, die mir hätten weiterhelfen können. Es braucht viel Eigenverantwortung, um das Studium durchzuziehen. Bei Fragen konnte ich mich aber jederzeit an Tutoren wenden.

Zu jeder Einheit musste ich Fallaufgaben lösen. Dabei ging es darum, einen Sachverhalt eigenständig zu recherchieren und zu beschreiben. Den Text schickte ich ab, und ein Tutor gab neben einer Note ein ausführliches Feedback. Das Ergebnis konnte ich im Onlinecampus ansehen.

Teil der Ausbildung waren auch vier Präsenzseminare. Dafür musste ich an die Hochschule in Bremen. Verschiedene Dozenten hielten Vorträge, es gab praktische Lehreinheiten. Zudem mussten wir einmal ein Gruppenprojekt erarbeiten und anschließend in Bremen in der Hochschule präsentieren. Es standen verschiedene Themen zur Auswahl, in meinem Fall war es 'Marketing im Gesundheitstourismus'.

Fernstudium: Daniel Pauli, 37, aus Passau schloss im Oktober 2016 sein Bachelorstudium Gesundheitstourismus an der Apollon Hochschule der Gesundheitswirtschaft in Bremen ab.

Daniel Pauli, 37, aus Passau schloss im Oktober 2016 sein Bachelorstudium Gesundheitstourismus an der Apollon Hochschule der Gesundheitswirtschaft in Bremen ab.

(Foto: privat)

Natürlich muss man auch beim Fernstudium Klausuren bestehen. Die sechs Präsenzklausuren kann man an verschiedenen Prüfungsstandorten absolvieren.

Das Studium dauert vier Jahre; pro Monat habe ich eine Studiengebühr von 249 Euro bezahlt. Wer es in diesem Zeitraum nicht schafft, der kann die Studienzeit um zwei Jahre kostenlos verlängern. Ich habe es in sechs Jahren abgeschlossen. Pro Woche habe ich ungefähr 20 Stunden Arbeit in das Studium gesteckt.

Im Oktober 2016 war ich mit dem Studium fertig und schon im März des darauffolgenden Jahres hatte ich einen neuen Job. Seitdem bin ich Geschäftsführer des Familienferiendorfes Waldbrunn im Badischen Odenwald. Diesen Karrieresprung habe ich auch dem Fernstudium zu verdanken."

"Es braucht hohe Motivation"

Irmgard Nonn: "Vor ein paar Jahren wurde mir bewusst, dass ich noch mindestens 15 Jahre Berufsleben vor mir habe. Da wollte ich meinen Horizont erweitern. Ich arbeite in der Naturschutzbehörde in Hessen, meine Arbeit macht mir Spaß. Doch in bestimmten Bereichen fehlte mir der fachliche Hintergrund, wie etwa im Umweltrecht. Darum habe ich mich für ein Fernstudium entschieden. Ich habe lange darüber nachgedacht, mich gefragt: Schaffe ich das noch mal? Will ich meine Freizeit für ein Studium opfern?

Durch Zufall bin ich im Internet auf die Uni Koblenz aufmerksam geworden. Natur und Umwelt lagen mir immer am Herzen, das Studium hat zu dem gepasst, was mich interessierte, ich wollte es mal ausprobieren. Da das Diplomstudium, das ich vor 30 Jahren an einer Fachhochschule gemacht habe, nicht anerkannt wurde, musste ich eine Eignungsprüfung machen und nachweisen, dass ich im Bereich Umwelt schon gearbeitet habe. Erst dann wurde ich zum Masterstudium zugelassen. Der Master geht über fünf Semester. Pro Semester zahle ich 1200 bis 1300 Euro.

Fernstudium: Irmgard Nonn, 50, aus Mengerskirchen in Hessen studiert im vierten Semester den Master Angewandte Umweltwissenschaften an der Universität Koblenz-Landau.

Irmgard Nonn, 50, aus Mengerskirchen in Hessen studiert im vierten Semester den Master Angewandte Umweltwissenschaften an der Universität Koblenz-Landau.

(Foto: privat)

Der Unterricht ist größtenteils Selbststudium. Im Intranet kann ich mir die Unterlagen herunterladen und ausdrucken. Dort gibt es auch Kontrollaufgaben, um sich selbst zu testen: Habe ich den Stoff verstanden? Außerdem gibt es Onlinetests, die man bestehen muss, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Einmal im Semester gibt es ein Präsenzseminar, das zwei Tage dauert. Am dritten Tag findet dann die Prüfung statt.

Um das Studium zu meistern, braucht es eine hohe persönliche Motivation. Pro Woche investiere ich 15 bis 20 Stunden ins Lernen, vor den Prüfungen sogar meinen Urlaub. Hobbys und Haushalt leiden unter dem Studium, dennoch würde ich sagen: Es lohnt sich. Ich habe immer wieder Aha-Effekte bei der Arbeit, weil ich nun die Hintergründe meiner Arbeit besser verstehe.

Was im Fernstudium aber schade ist: Die Studierenden sind so eingespannt in ihre Arbeit und in ihr Privatleben - da bleibt kaum Zeit für Lerngruppen und Treffen. Wenn ich in Rente bin, möchte ich noch mal ein Präsenzstudium machen. Das ist doch etwas ganz anderes."

"Das Studium war kompliziert "

Nadine Hemker: "Nach meinem Bachelor im Chemieingenieurwesen wollte ich eigentlich gleich einen Master dranhängen. Doch ich erhielt ein Jobangebot und wollte das auch nicht abschlagen. Da nach meinem Bachelor nur Masterstudiengänge mit hohem Praxisanteil infrage gekommen wären, fiel ein Fernstudium erst mal flach. Dann fand ich den Fernstudiengang Nanotechnology, den ich auch neben meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Hamm-Lippstadt machen konnte.

Das Studium dauert sechs Semester. Pro Semester fallen 820 Euro Studiengebühren an, hinzu kommt ein Sozialbeitrag von 101 Euro. Zwischendurch habe ich mich ein Jahr exmatrikuliert, das war total unkompliziert. Das Studium an sich war kompliziert. Von einer Lernplattform konnte ich mir die Unterlagen herunterladen. Es gab zwar wöchentliche Tutorien, in denen ich Fragen stellen konnte, doch größtenteils musste ich mir den Stoff selber aneignen. Das ist hart, wenn es um Quantenmechanik geht.

Fernstudium: Nadine Hemker, 34, aus Lippstadt hat im Januar ihr Masterstudium Nanotechnology an der Technischen Universität Kaiserslautern abgeschlossen.

Nadine Hemker, 34, aus Lippstadt hat im Januar ihr Masterstudium Nanotechnology an der Technischen Universität Kaiserslautern abgeschlossen.

(Foto: privat)

Anfangs war ich motiviert und habe jeden Abend zwei Stunden gelernt. Am Ende waren es nur noch zehn Stunden pro Woche. Zum Glück bin ich in Kontakt mit einer Kommilitonin gekommen, mit der ich über Skype gelernt habe. Wir haben uns gegenseitig motiviert. Ohne meine Kommilitonin hätte ich das Studium abgebrochen.

Einmal im Semester hatten wir eine praktische Veranstaltung, wo wir etwa an Rasterelektronenmikroskopen oder an der Ionenstrahlenmühle arbeiteten. Die Präsenzseminare fanden an der Uni in Kaiserslautern statt, an der Uni in Hannover und am Forschungszentrum Jülich. Sie dauerten jeweils ein Wochenende lang, direkt danach fanden die Klausuren statt. Das war purer Stress.

Ich weiß nicht, ob ich das Studium noch einmal machen würde. Gut ist, dass man sich die Module selbst einteilen kann und sehr frei ist. Doch es wird auch sehr viel Wissen vorausgesetzt. Es ist schwer, sich das alles aus Büchern zusammenzusuchen. Mich hat besonders gestört, dass man für ein Fernstudium keinen Bildungsurlaub bekommt. Ich musste meinen Jahresurlaub für mein Studium opfern."

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