Süddeutsche Zeitung

Feier-Glossar Köln:Levve un levve losse

... hat in Köln mit Toleranz zu tun. Und Alkohol. Der fließt hier traditionell (für manche: ausschließlich) als Kölsch. Ein ABC zur hiesigen Feier- und natürlich Karnevalskultur - damit Studenten auch bei Erkan am Büdchen mitreden können.

Von Jannis Brühl und Jan Willmroth, Köln

Alt: Verbotenes Bier - denn es kommt aus Düsseldorf, dem schnieken Rivalen den Rhein runter. Da sind die gemeinhin toleranten Kölner rigoros: In Düsseldorf gibt es Kneipen, die Kölsch ausschenken, in Köln ist es aber praktisch unmöglich, Alt zu bekommen. Dazu gibt es entsprechende Witze: "Wenn Kölsch lange steht, wird's Alt". An den rheinischen Humor gewöhnt man sich im Übrigen, wie auch an das Bier.

Brüsseler Platz: Vor der St. Michaelskirche, zwischen den Platanen, lässt sich am besten abhängen, vorglühen - sehen und gesehen werden: Wer trägt das hipste Outfit? Der Brüsseler Platz liegt im Belgischen Viertel, mit schönen Altbauten eines der wenigen architektonisch ansehnlichen Viertel der Stadt. Die sommerlichen Zusammenrottungen am Brüsseler Platz sind allerdings umstritten: Die Lautstärke nervt Anwohner, seit Jahren tobt ein Kampf um ein versöhnliches Konzept, bisher bleibt die Jugend laut.

Büdchen: Kölsch für Kiosk/Späti. Für Menschen aus Bayern, wo es weder Spätis noch Kioske gibt: Tankstelle ohne Benzin, aber mit Sprit. Hier gibt es: Weg-Bier, Zigaretten, Kaugummis und - das wichtigste für den Kölner: soziale Kontakte. Mit anderen Büdchenbesuchern sowie dem Inhaber lässt sich über den 1. FC Köln (der hier nur "dä FC" heißt) fachsimpeln oder auf die Kölner Verkehrsbetriebe ("dä KVB") schimpfen. Manche Kioskbesitzer gehören zur Lokalprominenz. Wer das nicht glaubt, kann sich auf der Facebook-Seite von Erkan überzeugen, Betreiber des "Büdchen 66" am Brüsseler Platz.

Ebertplatz: Im Kampf um Platz eins der hässlichsten Plätze Kölns seit Jahren Favorit - und die Konkurrenz ist hart. Inzwischen ein Ort für Kunst und laute Musik (Gold und Beton, afrikanische Trommeln etc.). Aber der Ebertplatz wird gebraucht, als Knotenpunkt zu den guten Restaurants und Kneipen nahe dem Eigelsteintor, darunter das Café Schmitz und Elektra. Für Kosmopoliten und Erasmus-Studenten laufen im schönen Metropolis zudem Filme im Originalton.

Gewölbe: Legendärer Techno-Club, der für einige Jahre geschlossen war und dann mit viel Tamtam wiedereröffnet hat. Beste Anlage der Stadt, von der zu Beginn kein Soundtechniker in Köln so recht wusste, wie man sie richtig bedient.

Halver Hahn: Kneipenessen, kann den Abend im Notfall um die entscheidende Stunde verlängern. Allerdings kein halbes Geflügeltier, wie Auswärtige denken könnten, sondern ein Roggenbrötchen mit einer dicken Scheibe Gouda.

Jede Jeck ist anders: Karnevals-Motto. Ein Jeck ist ein Verkleideter, das, was anderswo "Narr" heißt. Aber in Köln ist Jecksein auch eine Lebenseinstellung und bedeutet in etwa: etwas durchgeknallt, nicht langweilig sein. "Jede Jeck ist anders" ist eines der vielen kölschen Bekenntnisse zur Toleranz. -> Levve un Levve losse

Kölsch: Was es ist, steht unmissverständlich in der Kölsch-Konvention: "Helles, hochvergorenes, hopfenbetontes, blankes obergäriges Vollbier", das aus Köln kommen muss. Dass es nur in 0,2 Gläschen gereicht wird, kann man sich auch schönreden: Es ist immer kalt und immer frisch gezapft. Tipp: Nicht nur die großen Marken wie Gaffel, Früh und Reissdorf trinken, sondern durchprobieren, es gibt Dutzende Sorten.

Kranz: Meist elf Kölsch in einem Plastikhalter, im Kölsch-Brauhaus gebracht vom Köbes, dem aus Tradition ruppigen rheinischen Kellner. Perfekt um eine große Runde in einem Rutsch zu versorgen. Auch beliebt bei Zugezogenen aus Gegenden mit größeren Bier-Behältnissen, die nicht immer wieder auf den Köbes warten wollen.

Levve un levve losse: Lied von De Höhner, Lebenseinstellung in der Stadt, Euphemismus für: Trink' du so viel du willst, ich mach's ja auch. -> Jeder Jeck ist anders

Musik: Merke: Karnevalsmusik ist KEIN Schlager und KEINE Volksmusik! Im Gegenteil. In Köln hat Coolness wenig mit Rumstehen und Schweigen zu tun, wie anderswo. Mitsingen ist auch jungen Menschen erlaubt, ja sogar essenziell, um den Karnevals-Glückszustand herzustellen. Also auf Youtube auswendig lernen: "Wenn et Trömmelche jeht","Superjeile Zick" oder wenigstens "Viva Colonia". Ganz vorne dabei ist, wer die aktuellen Karnevalslieder des Jahres kennt, die Wochen vor dem Karnevalswochenende in Kölsch-Kneipen getestet werden. Nur in dieser Saison droht dem Karneval, wie schon dem Oktoberfest, die feindliche Übernahme durch Helene Fischer.

Nubbelverbrennung: Traditionelles Reinigungsritual nach den Exzessen des Karnevals. An Weiberfastnacht, dem Donnerstag zu Beginn des Karnevals, hängen viele Kneipen eine Strohpuppe über die Tür. Sie soll alle Sünden der Karnevalszeit auf sich nehmen und wird zum Ende der närrischen Tage feierlich verbrannt. (Nein, hilft nicht gegen Geschlechtskrankheiten.)

Oma Kleinmann: Name einer echt kölschen Kneipe am Anfang der Zülpicher Straße nahe des Südbahnhofs. Superschnitzelqueen. Beste Grundlage für die ersten 20 Kölsch in der Feierstraße -> Zülpicher.

Pittermännchen: Wichtig für die nächste Privatfeier: ein Zehn-Liter-Kölsch-Fass, Herkunft des Namens umstritten. Kann man sich auch im Brauhaus vom Köbes auf den Tisch stellen lassen.

Ringe: Noch schnell pumpen gewesen, im Sonnenstudio gebräunt, in spitze Schuhe geschlüpft? Übertriebenes Make-up und Glitzer-Kleid am Start? Dann kann's losgehen. An den Kölner Ringstraßen reiht sich Club an Club, es ist die größte Feiermeile. Abiturienten gehen in den Cent Club, Studenten in Das Ding. Manche Kölner blicken allerdings etwas herablassend auf diese Ausgehgegend, die aus ihrer Sicht Leuten aus "dem Umland" (hier bitte leicht die Nase rümpfen) vorbehalten ist. Dadurch verpassen sie möglicherweise gute Feiern. Tipps: Auf Taschen aufpassen und nicht mit den Türstehern anlegen.

Sixpack: Spät, später, Sixpack. Wer woanders rausgekehrt wird, landet leicht in dem Laden in der Aachener Straße mit den großen Kühlschränken, die vollgepackt sind mit verschiedensten Flaschenbieren. Trashig, deshalb stylisch, und am Wochenende die ganze Nacht gerammelt voll. Zu später Stunde eine Art -> Venuskeller der neuen Generation.

Stunksitzung: Kölner lieben ihre Stadt und lassen nichts auf sie kommen. Damit das nicht zu Bequemlichkeit führt, gibt es die alternative Stunksitzung. Hier trifft sich das linke Köln und feiert Karneval mit ein bisschen mehr Hirn. Die Kabarettisten nehmen sich die Missstände in der Stadt vor, die andere in der Karnevalszeit gerne vergessen würden: Bau-Sünden, Klüngel, die Tatsache, dass manche Dinge einfach nicht funktionieren. Analog zur Nubbelverbrennung eine etwas intellektuellere Form der Selbstreinigung, die meist moderner und witziger ist als die traditionellen Prunksitzungen.

Venuskeller: Legendärer Absturzladen, für den das Wort "schummrig" erfunden wurde. Kämpft aber seit Kurzem mit neuem Design gegen sein Image. Böse Zunge behaupten, hier fänden traditionell die "Reste" der Nacht zueinander. Die andere, poetischere Interpretation: Hier finden sich die, die nicht aufgeben, wenn sogar die Nacht selbst schon aufgegeben hat.

Weg-Bier: Ohne geht es nicht, dank Büdchen überall verfügbar. Alkohol ist zwar seit Jahren in der Kölner Stadtbahn verboten, interessiert hier aber niemanden.

Zülpicher Straße: Bar reiht sich an Bar, Restaurant an Restaurant in der Straße im Südwesten des Zentrums. 24 Stunden Happy Hour. Wer hier keinen guten Laden findet, ist verwöhnt und sollte in Düsseldorf weitersuchen.

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