Süddeutsche Zeitung

Examen immer häufiger in der Regelstudienzeit:Der Bummelstudent stirbt aus

Früher, als es noch Magisterabschlüsse und Diplome gab, galt die Regelstudienzeit als freundliche Empfehlung. Sanktionen drohten nicht, wenn Studierende weitere Semester in den Hörsälen verbrachten. Das hat sich mit den neuen Abschlüssen geändert: Immer mehr Akademiker schließen in der Regelstudienzeit ab.

Roland Preuß

Das Wort "Regelstudienzeit" ist ein grauenerregender Begriff, doch in früheren Zeiten verlor er schnell seinen Schrecken. Als Erstsemester blickte man in die Studienordnung, wo festgelegt war, in wie vielen Semestern das Studium zu bewältigen sei, staunte darüber - und ging zum geordneten Mensabesuch über. Sanktionen drohten nicht, die Regelstudienzeit galt als freundliche Empfehlung.

In den vergangenen Jahren jedoch hat die Zahl, die da steht, einen strengeren Charakter angenommen. Zumindest legen das die Zahlen nahe, die das Statistische Bundesamt vorlegte. Demnach halten sich bei den neuen Abschlüssen mehr als die Hälfte der Kommilitonen an die Vorgabe, beim Bachelor 60 Prozent, beim Master immerhin 48 Prozent. Deren Programm gilt als verschult, es macht viele Vorgaben, welche die Studenten offenbar vorantreiben.

Vergleichszahlen zu früher liegen leider nicht vor, denn damals wurde das Thema bezeichnenderweise gar nicht abgefragt. Doch haben die Statistiker auch traditionelle Absolventen mit Diplom oder Magister erfasst - und diese Angaben sind erhellend: auf den Fachhochschulen schaffte es nicht einmal jeder Dritte in der vorgesehenen Zeit, an den Universitäten gerade einmal jeder Fünfte. Doch diese Studiengänge verschwinden. Und mit den alten Examen stirbt jetzt auch der "Bummelstudent" aus.

Dieser Begriff war seit jeher polemisch, denn er ließ zentrale Aspekte umfassender Bildung unberücksichtigt: das akademisch höchst hilfreiche Jahr im sonnigen Los Angeles oder Marseille, den Vorsitz in der Studentenvereinigung oder auch den Surfurlaub, der in diesem einen Sommer einfach nicht enden wollte. Das konnte schnell ein Semester kosten. Und das war gut so. Heute, im Wettbewerb mit promovierenden Milchbärten, hochbegabten Schnellstudierern oder stipendiengetriebenen Kommilitonen bleibt dafür kaum noch Zeit.

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Quelle:
SZ vom 21.05.2012/wolf
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