Süddeutsche Zeitung

Erzieherinnen in Kitas:Mehr Respekt, bitte

In Kindertagesstätten gibt es viel zu wenig Erzieherinnen - sie sind schlecht bezahlt und bekommen kaum Anerkennung. Die Gewerkschaften fordern nun eine Gehaltserhöhung. Mit dem Verdienst soll auch das Ansehen steigen.

Von Ulrike Heidenreich

So ködert man normalerweise Führungskräfte für die Top-Etage: Mit einer Dienstwohnung, Extra-Zulagen, Auto oder Fahrtzuschuss, gerne auch mal ein Laptop und mehr Urlaub als eigentlich vorgesehen. Will trotzdem keiner den Job, startet man im Ausland Abwerbekampagnen und lobt Image-Wettbewerbe aus. Wer so hofiert wird? Es sind beileibe nicht die Super-Manager mit Großeinkommen - es sind die Erzieherinnen für Kindertagesstätten. Städte und private Betreiber locken mit manchmal absurden Vergünstigungen, denn es fehlt allerorten an Personal. Es geht um Anerkennung, es geht um Geld, wenn an diesem Mittwoch die Tarifverhandlungen für die 240 000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst beginnen. Durchschnittlich zehn Prozent mehr Einkommen sollen am Ende herausschauen, so die Gewerkschaftsforderung.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde gerne auf die sogenannten Kindergärtnerinnen heruntergelächelt, die so schön Lieder singen und mit den Kleinen im Sandkasten Kuchen backen. Entsprechend mickrig war das Gehalt, und entsprechend niedrig das Niveau, auf dem später eben nur Schritt für Schritt Gehaltserhöhungen möglich waren. Ein Beruf in der Mitte der Gesellschaft - in teuren Städten am Rande des Existenzminimums. Nach Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder im Sommer 2013 ist eine neue Dynamik und mehr Druck in die Branche hineingekommen. 120 000 Erzieher fehlen laut einer Bertelsmann-Studie in Deutschland momentan.

Parallel sind die Erwartungen an das, was in der Kindertagesstätte geboten werden soll, ins Schwer- bis Unermessliche gestiegen: Um frühkindliche Bildung und Stärkung sozialer Kompetenzen soll es gehen, nicht nur um Ringelreihen. "Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich verändert. Mit zunehmender Kinderarmut und Perspektivlosigkeit von Jugendlichen sowie anderen Familienkonstellationen ist soziale Arbeit noch bedeutsamer geworden", heißt es bei der Gewerkschaft Verdi, die die Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst tariflich neu und damit höher eingruppieren lassen will.

Denn auch am Image wird schwer gearbeitet, und da gilt die Regel: Geld zählt. Mit dem Verdienst steigt auch das Ansehen. Für Margit Schwarz-Müller, 60, Leiterin einer Münchner Tagesstätte für 75 Kinder, steht fest: "Es ist nur die erste Form der Anerkennung, dass wir besser entlohnt werden." Die höhere Wertschätzung ihres Berufs komme später, da passiere viel in den Köpfen. Sie und ihre Kolleginnen bekommen seit einiger Zeit 200 Euro brutto Arbeitsmarktzulage von der Stadt. "Das ist schön, reicht aber auch nicht. Ich kenne einige Erzieherinnen, die zusätzlich als Bedienung arbeiten", sagt Schwarz-Müller. Probleme hätten außerdem viele junge Kolleginnen, die ihre Ausbildung über Bafög finanziert haben und dies zurückzahlen müssen. Der Werdegang bis zur Erzieherin ist lang, sehr lang - er dauert fünf Jahre.

In großer Personalnot ging Mainz in der spanischen Partnerstadt Valencia auf Beutezug, holte 30 Diplom-Sozialpädagogen in seine Krippen. Ein Kita-Betreiber im Raum Frankfurt finanziert gar Dienstwagen von Mercedes für seine Angestellten. In vielen Städten gibt es Zulagen. Doch das allein sei nicht genug, um den Beruf attraktiver zu machen, sagt Schwarz-Müller. Ihre Schwester arbeitet in einem sozialen Beruf in Frankreich, dort sind Erzieher tariflich den Grundschullehrern gleichgestellt. "Sie genießen so einen höheren Respekt."

Nur 40 Prozent arbeiten Vollzeit

Die Gewerkschaften in Hannover verhandeln für die rund 240 000 - zu 96 Prozent weiblichen - Kinderpfleger, Erzieher und Sozialarbeiter in kommunalen Kindertagesstätten. Indirekt profitieren von dem Tarifergebnis auch die mehr als 500 000 Beschäftigten bei kirchlichen und freien Trägern. Dort sind die Verdienste ähnlich. Schlecht für die Altersversorgung überall: Zu einem Großteil sind Erzieher in Teilzeitverträgen beschäftigt, nur 40 Prozent arbeiten Vollzeit, in den neuen Bundesländern sogar nur 25 Prozent.

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hat die Gewerkschafts-Forderungen am Dienstag als "unrealistisch" zurückgewiesen. Geschäftsführer Manfred Hoffmann geht von einer Zusatzbelastung für die Kommunen von rund einer halben Milliarde Euro jährlich aus: "Für solche Verteuerungen gibt es weder Möglichkeiten noch eine Begründung." Das Verständnis, dass Arbeit mit Menschen mehr Anerkennung verdient, ist zwar da. In welcher Höhe, muss ausgelotet werden. Im Jahr 2009 waren Kitas in Deutschland über 13 Wochen hinweg tageweise geschlossen. Das lag nicht am Erzieherinnenmangel, nein: Die lieben Kindergärtnerinnen hatten einfach mal gestreikt.

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SZ vom 25.02.2015
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