E-Learning:Chat mit dem Dozenten

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Videokonferenzen, Podcasts, Spaziergänge auf dem Web-Campus: Fernstudium und Fernkurse bieten viele neue Möglichkeiten und große Flexibilität. (Foto: Andrea Warnecke/dpa)

Im Fernstudium kann man sich auf vielen Kommunikations-Kanälen weiterbilden. Manche Hochschulen binden bereits Smartphones und Tablets in die Lehre ein.

Von Miriam Hoffmeyer

Einmal pro Woche trifft sich Dominik Dennemark mit seiner Lerngruppe per Videokonferenz auf Skype. Die Studierenden der Bildungswissenschaften an der Fernuniversität Hagen tauschen sich dann über Klausuren und Hausarbeiten aus und helfen einander bei Verständnisfragen. "Das motiviert mich sehr. Wenn einer sagt, er hat seine Hausarbeit schon halb fertig, beeile ich mich natürlich auch", sagt Dennemark. Der 30 Jahre alte Immobilienkaufmann braucht diese Anstöße, er studiert abends nach der Arbeit, wenn seine kleine Tochter im Bett ist.

Auf der Lernplattform lernen die Studenten interaktiv

In bisher fünf Semestern hat er schon viele Spielarten von E-Learning erprobt. Die Moodle-Lernplattform der Fernuniversität Hagen ist fächerübergreifend, wird aber von den Bildungswissenschaftlern, die sich auch inhaltlich mit den didaktischen Möglichkeiten der neuen Medien beschäftigen, besonders eifrig genutzt. Die Studierenden können dort nicht nur Material herunterladen und gespeicherte Vorlesungsvideos ansehen, sondern interaktiv lernen.

So hat Dennemark vor Kurzem eine Präsenzveranstaltung, an der er nicht teilnehmen konnte, als virtuelles Seminar erlebt. "Man sitzt zu Hause am Computer, hört live den Vortrag und sieht die Folie dazu", erklärt Dennemark. "Im begleitenden Chat konnte ich Fragen stellen. Diese wurden in den Vortragspausen beantwortet."

Die Angebote: Online-Tests, Wikis, anonyme Bewertung

Die Fernstudenten können auch Hausarbeiten anonym auf die Lernplattform stellen und von Kommilitonen bewerten lassen. In verschiedenen Modulen werden gemeinsam Wikis zu Fachbegriffen erarbeitet. Dominik Dennemark hat ein Wiki über Berufsbildungsrecht miterstellt: "Das funktioniert so, dass einige aufschreiben, was sie zu dem Begriff wissen. Andere ergänzen das so lange, bis drinsteht, was für alle wichtig ist. Am Schluss fasst einer den Inhalt zusammen, dann wird das Wiki auf die Lernplattform gestellt."

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Im notorischen Angstfach Statistik können die angehenden Bildungswissenschaftler Online-Tests machen, um sich auf die Klausuren vorzubereiten. Dominik Dennemark fand außerdem eine Serie von Videos mit Erklärungen und Beispielen zur Statistik sehr hilfreich: "Das war anschaulicher und unterhaltsamer als das Skript."

Wichtig für den Überblick sind "digitale Wegweiser"

Das Studium an der Fernuniversität Hagen findet heute fakultätsübergreifend zu etwa 80 Prozent online statt. "Die Studierenden können multimedial auf unterschiedliche Weise lernen. Und sie können auf verschiedenen Kanälen mit Kommilitonen und Lehrenden kommunizieren, von jedem Ort der Welt und ohne große technische Barrieren", schwärmt Claudia de Witt, Professorin für Bildungstheorie und Medienpädagogik in Hagen.

Es sei aber wichtig, "digitale Wegweiser" in den verschiedenen Lernumgebungen der Moodle-Plattform aufzustellen, damit die Studierenden den Überblick behielten. Auf die traditionellen Studienbriefe möchte de Witt nicht verzichten: "Selbst ich als Medienfreak halte daran fest, denn die Skripte sind wichtig für das zusammenhängende Lernen." Auch die Anzahl der Präsenzveranstaltungen in ihren regionalen Zentren will die Fernuni nicht reduzieren. Dominik Dennemark findet das richtig: "Es ist doch was anderes, die Lerngruppe live zu sehen."

"Die Bandbreite ist riesig"

Wie groß die Rolle ist, die E-Learning im Fernstudium oder Fernunterricht spielt, ist je nach Anbieter noch sehr unterschiedlich. "Die Bandbreite ist riesig", sagt Markus Jung, Inhaber des anbieterunabhängigen Portals Fernstudium-Infos.de. Generell setzten Hochschulen stärker auf E-Learning als andere Bildungsanbieter. "Alle großen und viele mittelgroße Hochschulen haben heute einen Webcampus. Studienbriefe gibt es fast immer auch in elektronischer Form, häufig angereichert mit multimedialen Elementen", sagt Jung. "In letzter Zeit werden Online-Vorlesungen immer beliebter."

Noch relativ selten seien virtuelle Seminare. Auch das Studium mit mobilen Endgeräten sei bisher "noch die Ausnahme, nicht die Regel". Die Studierenden der IUBH School of Business and Management in Bad Honnef können aber heute schon vom Tablet oder Smartphone aus Studienskripte lesen, auf Podcasts und Videos zugreifen und live an Online-Tutorien teilnehmen. Ein ähnliches Konzept verfolgt die SRH Riedlingen mit ihrem MBA-Studiengang - sie stellt alle Studieninhalte auf einem iPad zur Verfügung.

Auf E-Learning spezialisiert ist die Oncampus GmbH, eine Tochter der Fachhochschule Lübeck. Derzeit betreibt Oncampus acht wirtschaftswissenschaftliche und technische Online-Fernstudiengänge für den Hochschulverbund "Virtuelle Fachhochschule". Alle bieten eine sehr große multimediale Vielfalt. "Wir haben 2001 angefangen mit 90 Prozent Online-Anteil und diesen kontinuierlich gesteigert", sagt Oncampus-Geschäftsführer Rolf Granow.

Nur zu den Klausuren müssen die Studenten noch leibhaftig erscheinen, denn die Frage, wie Schummeln zu Hause verhindert werden kann, ist technisch noch nicht gelöst. Synchrone interaktive Veranstaltungen spielen in den Studiengängen eine große Rolle, in der Regel findet jede Woche eine Videokonferenz mit Betreuern und Studierenden statt. "Es wird viel mehr gemeinsam gelernt als im klassischen Fernstudium mit Studienbriefen, das ist ein großer Vorteil", meint Professor Granow.

Auch Präsenzstudenten können die Online-Materialien benutzen

Lernplattformen und multimediale Online-Materialien stehen auch den Präsenzstudenten des Fachhochschulverbunds zur Verfügung. So haben alle Studenten die Möglichkeit, E-Learning zu nutzen, zumal dieselben Dozenten Fern- und Präsenzstudenten betreuen. "Das Interesse am multimedialen Lernen steigt. Auch im Präsenzstudium wird die Mediennutzung sehr stark zunehmen", sagt Granow.

Neben dem Studieren an mobilen Endgeräten ist das Nutzen sozialer Netzwerke laut Granow der zweite große Trend im E-Learning an Hochschulen: "Vor allem die Studierenden vernetzen sich untereinander." Beliebter als die internen sozialen Netzwerke, die viele Fern- und auch Präsenzhochschulen anbieten, sind allerdings Facebook oder Whatsapp, wo sich die Kommilitonen ohne Dozenten austauschen können.

Anne Thillosen forscht am Tübinger Leibniz-Institut für Wissensmedien über E-Learning-Konzepte an Hochschulen. Nach ihrer Erfahrung wird es zunehmend zum Problem, dass sich Studierende allzu intensiv abseits der Hochschule vernetzen. "Wenn die Dozenten sie dann bitten, sich im gemeinsamen Lernraum vorzustellen, heißt es: Wieso, das haben wir auf Facebook doch längst gemacht!"

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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