Dissertation von SPD-Politiker Eumann:Aus Magister mach Doktor

Marc Jan Eumann

Der nordrhein-westfälische Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann (SPD) baute seine Magisterarbeit zur Dissertation aus - ohne das transparent zu machen.

(Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Eine Magisterarbeit noch mal als Doktorarbeit einzureichen, ist erlaubt. Es braucht aber eine substanzielle Erweiterung und Transparenz. Beides war bei SPD-Politiker Marc Jan Eumann nicht der Fall. Sein Betreuer fühlt sich getäuscht.

Von Tanjev Schultz und Roland Preuß

Der Zufall wollte es, dass der SPD-Politiker Marc Jan Eumann ausgerechnet am 16. Februar 2011 promoviert wurde. Es war der Tag, an dem die SZ erstmals über Plagiate in der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg berichtete. Ein Sturm brach los, der nicht nur Guttenberg umwarf. Er fegte über die deutsche Hochschullandschaft hinweg und brachte später noch so manchen anderen Plagiator zu Fall. Für Eumann aber, Staatssekretär in Düsseldorf bei der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien, lief der Tag sehr gut. Sein Rigorosum endete mit der Gesamtnote "summa cum laude". Glückwunsch, Herr Dr. Eumann.

Mittlerweile kann man zu einem anderen Urteil kommen. Das Rektorat der Universität Dortmund, an der Eumann seine pressegeschichtliche Dissertation eingereicht hatte, sprach von einem "erheblichen wissenschaftlichen Fehlverhalten". Der Doktorvater Horst Pöttker, ein Journalistik-Professor, sagte in einem FAZ-Interview, er fühle sich von Eumann getäuscht. Doch der zuständige Fakultätsrat verzichtete darauf, den Doktorgrad abzuerkennen - "trotz großer Bedenken".

Eumann hatte für seine Dissertation über den Deutschen Presse-Dienst seine alte Magisterarbeit, mit der er 1991 in Köln abgeschlossen hatte, recycelt. Es ist nicht anrüchig, wenn jemand eine gute Arbeit später zur Dissertation ausbaut. Das muss jedoch transparent geschehen. Und es sollte eine substanzielle Erweiterung geben. An beidem gibt es in Eumanns Fall große Zweifel. Einem Leipziger Professor, der Eumanns Doktorarbeit für eine Fachzeitschrift rezensierte, fiel auf, dass das Buch "in großen Teilen identisch" mit der Magisterarbeit sei. Für den Doktorvater war das ein Schock; er kannte die alte Arbeit nicht.

Eumann hätte "Ja" ankreuzen müssen

Eumann hatte in der Dissertation seine Magisterschrift nicht erwähnt; erst in einem Vorwort für die Buchversion schrieb er, dass er sich schon vor Jahren im Rahmen seines Magister-Studiums mit dem Thema beschäftigt habe.

Bei der Zulassung zur Promotion hatte Eumann ein Formular ausfüllen und erklären müssen, ob er die Dissertation bereits "ganz oder teilweise in einer anderen Fassung oder in Teilen" im Zusammenhang mit einer anderen Prüfung vorgelegt habe. Eumann hätte "Ja" ankreuzen müssen. Er hätte dann, so sieht es das Formular vor, eine gesonderte Erklärung abgeben können, um darzulegen, inwiefern die Dissertation über die alte Arbeit hinausreicht.

Eumann hat nichts erklärt. Er hat einfach "Nein" angegeben. - Was kann man darin anderes sehen als Trickserei?

Eumann bestreitet eine Täuschungsabsicht. Die Frage auf dem Formular habe er "nach bestem Wissen und Gewissen" beantwortet. Mit so einer Formulierung hatte sich schon der ertappte Guttenberg verteidigt. Eumann, das muss man sagen, hat sich allerdings nicht wie Guttenberg mit fremden Federn geschmückt. Er hat seine eigenen, alten Federn aufgehübscht.

Nur 31 Prozent

Er verweist auf sein Vorwort zur Buchversion und darauf, dass das Formular angeblich "missverstanden werden konnte". Eumann behauptet zudem, nur 31 Prozent des Dissertationstextes würden aus der Magisterarbeit stammen, und kein Kapitel sei identisch. Wer die Arbeiten vergleicht, findet viele marginale Umstellungen und leichte Veränderungen. Dass die Dissertation über weite Strecken fast identisch ist mit der Magisterarbeit - zu diesem Ergebnis kam auch ein Rechtsgutachten des Wissenschaftsjuristen und DFG-Ombudsmanns Wolfgang Löwer. Dass Eumann noch immer unbeirrt die angeblich großen Unterschiede herausstreicht, lässt ahnen, mit welcher Chuzpe der Politiker das Projekt "Promovieren" betrieben haben mag.

Als die Rezension die Uni hochschrecken ließ, entstand eine delikate Lage. Eumann gehört ja der Landesregierung an - und jener Partei, die in Düsseldorf in Svenja Schulze die Wissenschaftsministerin stellt. Zudem gab es in der Vergangenheit Spannungen zwischen dem Rektorat und der zuständigen Fakultät Kulturwissenschaften. Die Uni Dortmund firmiert neuerdings als Technische Universität; für die Kulturwissenschaften ist das nicht immer einfach.

Am Ende eines langen Verfahrens warf dann das Rektorat Eumann wissenschaftliches Fehlverhalten vor - aber die Fakultät sah sich außerstande, den Titel zu entziehen. Möglicherweise musste sie auch eigene Fehler verdecken. Bei der Zulassung hatte Eumann seine Magisterurkunde eingereicht. Der Titel der Abschlussarbeit, der dem der Dissertation stark glich, war wohl niemandem aufgefallen.

Erstaunlich milde bei Plagiaten

Was nun allerdings auffällt: wie schwer sich in jüngster Zeit Unis mit Verfahren zum Doktor-Entzug tun. Die Standards werden nicht mehr überall hochgehalten. Plagiatesucher wie die Berliner Professorin Deborah Weber-Wulff sehen mit Sorge ein nachlassendes Interesse an Verdachtsfällen. Anfangs, nach dem Guttenberg-Schock, wurde schnell reagiert, inzwischen ziehen sich viele Verfahren sehr in die Länge. Niemand wünscht sich eine Hetzjagd - es erstaunt jedoch, wie träge und milde einige nun vorgehen.

So kam etwa Jürgen Goldschmidt, Bürgermeister der Kleinstadt Forst in Brandenburg, gut davon: Er bediente sich bei anderen Autoren, ohne dies gewissenhaft zu kennzeichnen. Die TU Berlin gewährte ihm einen Freischuss. Goldschmidt habe zwar mangelhaft zitiert, dennoch habe er eine eigenständige Leistung erbracht. Goldschmidt erhielt ein halbes Jahr Zeit, die Arbeit erneut einzureichen, was er im Sommer 2013 auch tat. Über seinen Titel ist nun immer noch nicht entschieden.

An der Universität Münster erfand man in einem schweren Verdachtsfall sogar ein neues Instrument, um dem Titelentzug zu entkommen: Die juristische Fakultät erteilte eine Rüge, obwohl dies in der Promotionsordnung gar nicht vorgesehen ist. Das sei glatt "rechtswidrig", urteilt der Bonner Wissenschaftsrechtler Klaus Gärditz.

Auch dem Politiker Marc Jan Eumann ist am Ende nichts passiert. Er sei erleichtert, teilt er mit. Ob er Fehler bei sich erkenne? Er weicht aus und verweist darauf, die Fakultät habe keine Fehler erkannt, deretwegen man seinen Titel hätte aberkennen müssen. Er hat es geschafft. Er ist durchgekommen. Und er schickt freundliche Grüße - "Ihr Dr. Marc Jan Eumann".

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