Digitalpakt:"Niemand in Berlin wird Lehrpläne umschreiben können"

Modellversuch "Digitale Schule 2020" an Grundschule in München, 2017

Digitaler Unterricht an einer Grundschule in München. Im Bild spielen Schüler das Märchen vom Froschkönig auf einem Tablet nach.

(Foto: Florian Peljak)

Im Streit um mehr Geld für Digitalisierung an Schulen fühlen sich die Länder vom Bund gegängelt. Zu Unrecht, findet FDP-Politiker Marco Buschmann.

Interview von Daniel Brössler

Fünf Milliarden Euro stecken im Digitalpakt - Geld für Schulcomputer und Internet. Gegen eine von Union, SPD, Grünen und FDP zu diesem Zweck beschlossene Änderung des Grundgesetzes aber laufen die Länder Sturm. An diesem Freitag werden sie den Vermittlungsausschuss anrufen. In der Sache will Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, dort hart bleiben.

SZ: Herr Buschmann, glaubt die FDP an die Allheilkraft des Zentralstaates?

Marco Buschmann: Die Liberalen glauben daran, dass es anspruchsvolle Leistungsstandards geben muss, aber auch die nötige Freiheit, sie zu erreichen. Es wäre gut, wenn wir bundesweit mehr Ehrgeiz entwickeln würden im Bildungssystem. Am besten wäre es, wenn wir den Schulen dabei mehr Freiraum einräumen würden.

Von den Ländern sprechen Sie gar nicht. Geht es darum, die Bildung als letzte Bastionen des Föderalismus zu schleifen, wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann vermutet?

Vom Schleifen des Föderalismus kann überhaupt keine Rede sein. Erstens gibt es andere wichtige Bereiche, in denen die Länder Verantwortung tragen, etwa die Kriminalitätsbekämpfung. Auch bei der Bildung greift niemand in den Föderalismus ein. In der Vergangenheit hatte der Bund sogar eine Rahmengesetzgebungskompetenz für Bildung. Die war fast 40 Jahre unproblematisch und kein Untergang des föderalen Prinzips. Heute setzen wir uns lediglich dafür ein, dass im Grundgesetz das Ziel steht, bundesweit Leistung und Qualität in der Bildung zu steigern. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Den meisten Protest dagegen halte ich für Theaterdonner.

Immerhin haben Sie 16 Länder gegen sich. Glauben Sie, ohne Änderung des Grundgesetzes zum Ziel zu kommen?

Wir wollen, dass sich die Finanzierungsbasis der Bildung verbessert. Das ist zwingend nötig, denn Bildung ist in Deutschland strukturell unterfinanziert.

Die Länder sagen: Gebt uns mehr Geld.

Und wir sagen: Wir geben gerne mehr Geld. Es muss aber durch eine Zweckbindung sichergestellt sein, dass das Geld wirklich vollständig in die Bildung fließt. Da geht es gar nicht nur um den Digitalpakt. Die Verfassungsänderung würde auch andere Projekte ermöglichen. Geld, das der Bund zusätzlich für Bildung gibt, muss aber auch zu hundert Prozent zusätzlich in die Bildung fließen.

Verstehen Sie, dass das für manche nach Erpressung klingt?

Nein, die Länder wollen einfach so viel Spielraum bei der Verwendung der Mittel wie möglich. Das verstehe ich aus deren Perspektive. Das gehört zum politischen Spiel. So erklärt sich die fundamentale Kritik. Herr Kretschmann sieht das vielleicht wirklich so ideologisch, aber die allermeisten Ministerpräsidenten sind pragmatische Leute. Sie werden im Vermittlungsausschuss einfach versuchen, möglichst viel an Flexibilität in den Verhandlungen rauszuholen. Sie werden den Schülern, Lehrern und Eltern in ihren Bundesländern aber nicht erklären wollen, dass sie aus grundsätzlichen Überlegungen auf Geld verzichten, mit dem sie die Qualität der Bildung zuhause verbessern könnten.

"Das ist für die FDP nicht verhandelbar"

Mit welchen Kompromissvorschlägen machen Sie den Anfang?

Kompromissbereit sind wir bei den finanztechnischen Regelungen, wenn nachgewiesen werden kann, dass sie zu Härten führen.

Die Länder beklagen, dass durch eine Änderung des Artikel 104 b bei jedem neuen Projekt die Finanzhilfe des Bundes von ihnen mit 50 Prozent bezuschusst werden muss. Daran halten Sie also nicht fest?

Wenn uns die Länder anhand ihrer Zahlen nachweisen können, dass die Regelung Hilfe objektiv unmöglich macht, dann müssen wir beweglich sein. Wir wollen ja den Erfolg. Im Grundgesetz muss aber verankert werden, dass es um die Steigerung von Leistung und Qualität im Bildungswesen geht. Das ist für die FDP nicht verhandelbar. Wir stehen in internationalen Bildungsrankings durchschnittlich da. Das ist für ein so reiches Land wie Deutschland und ein Land, das so sehr auf hoch qualifizierte Dienstleistungen angewiesen ist, nicht akzeptabel. Dahinter müssten sich eigentlich alle 16 Ministerpräsidenten versammeln können. Ich verstehe nicht, warum sie das nicht tun.

Digitalpakt: Marco Buschmann (FDP), 41, hält die Grundgesetzänderung für den Digitalpakt für zwingend notwendig.

Marco Buschmann (FDP), 41, hält die Grundgesetzänderung für den Digitalpakt für zwingend notwendig.

(Foto: Arlet Ulfers)

Vielleicht, weil sie sich geschulmeistert fühlen? Auch Sie verlangen ja, dass die Bundesländer ihre Hausaufgaben machen.

Ja, aber nicht per ordre du mufti. Unser Modell sieht vor, dass Bund und Länder verhandeln. Der Bund soll auch künftig nicht von oben vorgeben können, was gute Bildung ist. Er soll lediglich die Möglichkeit erhalten, den Ländern zusätzliches Geld anzubieten und dann gemeinsam mit den Ländern auf dem Verhandlungswege zu beraten, wie das Geld so eingesetzt werden kann, dass nicht nur Löcher gestopft werden, sondern das Niveau der Bildung insgesamt gehoben wird. Der Bund erhält also keine Kommandogewalt über die Bildung. Niemand in Berlin wird Lehrpläne umschreiben können.

Sind die Länder nicht insgesamt unterfinanziert?

Nein, die Einnahmeseite der Länder hat sich in den letzten Jahren verbessert. Sie werden in den nächsten Jahren vermutlich sogar Einnahmeüberschüsse erzielen.

Wann kann der Digitalpakt kommen?

Guten Willen auf allen Seiten vorausgesetzt, kann es im März endlich losgehen.

Ist nun die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer in der Pflicht?

Absolut. Die CDU ist hier gespalten zwischen Bund und Ländern. Die neue Vorsitzende hat versprochen, dass sie die Partei eint. Wenn sie die Partei zusammenführen will, muss sie es auch in dieser Frage tun.

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Ministerpräsident Winfried Kretschmann

SZ PlusStreit um den Digitalpakt
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