Digitalisierung in der Schule:Hat Wanka den Schulen zu viel Geld versprochen?

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40 000 Schulen wollte Johanna Wanka mit neuen Geräten und schnellem Internet ausstatten, auch Grundschüler sollten profitieren. (Foto: dpa)
  • Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hat den Schulen fünf Milliarden Euro versprochen, damit diese den Schülern das digital Lernen und Arbeiten beibringen können.
  • Bund und Länder haben sich daraufhin angestrengt, alles in die Wege zu leiten und Aufgaben verteilt: Berlin stellt die Infrastruktur, die Länder sorgen dafür, dass die Lehrer damit auch umgehen können.
  • Doch Wanka will sich zu diesem Plan nicht bekennen. Die Kultusminister zweifeln öffentlich daran, dass sie das Geld für den Digitalpakt überhaupt hat.

Von Paul Munzinger

Wenn es um die Digitalisierung der Schulen geht, dann gilt Deutschland vielen als Entwicklungsland. Smartphones und Computer bestimmen längst den Alltag von Kindern und Jugendlichen und die Arbeitswelt, auf die sie vorbereitet werden sollen. Doch die Schulen befänden sich noch in der Kreidezeit. Studien zeigen: Ihre technische Ausstattung hinkt hinterher, die Lehrer sind kaum dafür ausgebildet, der Unterricht weitgehend analog. Die Schulen, so wird seit Jahren gewarnt, drohen den Anschluss zu verpassen und die Zukunft zu verschlafen. Viele Experten drängen zur Eile.

Als Johanna Wanka (CDU) im Oktober 2016 ihren "DigitalPakt#D" präsentierte, schien der oft blassen Bundesbildungsministerin deshalb ein echter Coup gelungen zu sein. Fünf Milliarden Euro aus Berlin kündigte Wanka an, um Deutschlands Schulen "fit für die digitale Welt" zu machen. Schüler müssten auch digital lernen und arbeiten können, statt nur zu daddeln, forderte die Ministerin - und erhielt Beifall von vielen Seiten. Zehn Monate später und nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl im September aber sieht es so aus, als habe die Ministerin ein Versprechen abgegeben, das sie nicht halten kann.

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Zunächst schien alles nach Plan zu verlaufen. Im Januar hatte eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern die Verhandlungen aufgenommen, denn Schulen sind grundsätzlich Ländersache; für den 1. Juni luden Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zu einer gemeinsamen Pressekonferenz nach Stuttgart ein. Dort sollten die Eckpunkte präsentiert werden, die von den Staatssekretären erarbeitet worden waren.

Als der Digitalpakt verhandelt wurde, war Wanka nicht da

Wer nicht kam, war Wanka. Sie war wegen eines Termins in Berlin kurzfristig verhindert, auch keiner ihrer Staatssekretäre erschien. Ihr Ministerium forderte, den Termin abzusagen, die Vertreter der Länder, reichlich brüskiert, stellten das Papier trotzdem vor - und den Deal, den es formuliert: Der Bund investiert in die digitale Infrastruktur, die Länder kümmern sich um die Lehrerausbildung und die pädagogische Umsetzung. Und Wanka? Sie ließ mitteilen, die Eckpunkte seien nur vorläufig. Die KMK musste das Papier von ihrer Homepage entfernen.

Seitdem schweigt die Ministerin. Bis heute hat sie sich nicht zu der Einigung bekannt. Warum? Aus dem BMBF erhält man darauf keine Antwort. Das Ministerium teilt nur mit, dass der Zeitplan sich nicht verändert habe. Bis Ende des Jahres solle die Bund-Länder-Vereinbarung stehen. Und es verweist auf ein Zitat Wankas aus dem Juni: "Der Digitalpakt Schule geht auf meinen Vorschlag zurück; er ist für unsere Schulen sehr wichtig. Deshalb will ich ihn zu einem Erfolg machen."

Ties Rabe (SPD) hat große Zweifel, dass ihr das gelingt. Wanka habe sich "offensichtlich verspekuliert", sagt Hamburgs Bildungssenator. Immer deutlicher werde, dass die Ministerin die versprochenen fünf Milliarden nicht habe und nicht bekommen werde.

Schon im März hatte die SPD gewarnt, dass das Geld nicht im vorläufigen Haushalt für 2018 vorgesehen sei. Wanka sei mit ihrer Forderung bei Finanzminister Wolfgang Schäuble abgeblitzt, der Digitalpakt hänge in der Luft. Viele Länder hätten den Eindruck, dass sie "von Anfang an hinters Licht geführt wurden", sagt Rabe. "Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, dann ist der Digitalpakt gescheitert."

Das BMBF hält dagegen: Wanka habe von Anfang an gesagt, dass das Geld erst in möglichen Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl eingeworben werden könne. Das könne wiederum erst dann geschehen, wenn Bund und Länder sich geeinigt hätten. Eine Argumentation mit einem Schönheitsfehler: Schließlich ist es Wanka selbst, die der Einigung, die sie einfordert, die Zustimmung verweigert.

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Wohl auch deshalb gibt es selbst in ihrer eigenen Partei Unmut. "Natürlich steht die Sorge im Raum, dass der Digitalpakt nicht zustande kommt", sagt Susanne Eisenmann (CDU), Kultusministerin in Baden-Württemberg und KMK-Präsidentin. Für das "abrupte Abbremsen" der Verhandlungen habe sie keine Erklärung. "Wir sind alle ein bisschen ratlos." Es sei nun an Wanka klarzustellen: "Steht das Bildungsministerium noch zu unserem Verhandlungsergebnis?"

Eisenmann hatte Wanka bereits im Juli einen Brief geschickt, der deutlicher kaum hätte sein können: Sie sehe "keine verlässliche Arbeitsgrundlage", solange das Eckpunktepapier nicht verabschiedet sei und forderte "bezüglich des weiteren Verfahrens Klarheit".

Wanka weihte Kultusminister von Anfang an nicht in Pläne ein

Bis jetzt hat Eisenmann keine Antwort aus Berlin erhalten. Dass bis zur Bundestagswahl ein neuer Verhandlungstermin vereinbart werden könne, hält sie für unrealistisch. "Aber ich erwarte, dass zumindest der Brief einer KMK-Präsidentin bis dahin beantwortet wird." Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) sagte der SZ, er habe dem Brief Eisenmanns "nichts hinzuzufügen". Das Eckpunktepapier lobte Spaenle als "äußerst solide fachliche und sachliche Grundlage".

Berlin stellt demnach in den Jahren 2018 bis 2022 fünf Milliarden Euro für die Netzanbindung, Server und Schulcomputer bereit. Die Länder entwickeln und finanzieren dafür pädagogische Konzepte und modernisieren die Lehrer-Fortbildung. Das Ziel sei, allen Schülern, die vom Schuljahr 2018/2019 an in die Grundschule kommen, die Kompetenzen zu vermitteln, "die für einen fachkundigen, verantwortungsvollen und kritischen Umgang mit Medien in der digitalen Welt erforderlich sind".

Die Länder hätten in zwei zentralen Streitpunkten nachgegeben, um eine schnelle Einigung zu ermöglichen, sagt Rabe. So müsse sich der Bund weder an den Kosten für Wartung und Betrieb der Infrastruktur beteiligen noch am Kauf mobiler Geräte.

Inhaltlich führt das Papier zwei Strategien zusammen, die Bund und Länder Ende vergangenen Jahres unabhängig voneinander vorgestellt hatten. Die Verstimmung zwischen beiden Seiten begann schon damals. Denn Wanka war KMK-Plänen mit ihrem Digitalpakt um wenige Tage zuvorgekommen, ohne jede Ankündigung, wie Rabe sagt. Es geht also nicht nur um die Frage, wer die Schuld trägt, wenn der Digitalpakt scheitert. Sondern auch darum, wer ihn sich auf die Fahnen schreiben darf, sollte er doch noch zum Erfolg werden.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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