Deutscher Lehrerpreis:Das beste Gegenbeispiel

Mustafa Inal bekommt den Deutschen Lehrerpreis, weil er für viele seiner Schüler aus ausländischen Familien Vorbild ist. Eins ist dem Berufsschullehrer in Nürnberg wichtig: Migrationshintergrund bedeutet nicht gleich Schulprobleme.

Von Johann Osel

Mustafa? Wirklich Mustafa mit Vornamen? Halb ungläubig, halb neugierig hatten viele Schüler seiner Nürnberger Berufsschule dem neuen Lehrer anfangs Fragen gestellt. Mustafa Inal passiert das immer wieder. Als Lehrer mit türkischen Wurzeln oder generell mit Zuwanderergeschichte ist man an deutschen Schulen nach wie vor ein Kuriosum. Vor allem türkische Jugendliche tun sich da offenbar schwer zu verstehen, dass in der ihnen bekannten deutschen Schulwelt quasi einer von ihnen vorne in der Klasse steht.

Mustafa Inal, Lehrer für Elektrotechnik, Sozialkunde und Ethik sowie interkultureller Berater für Berufsschulen in Nürnberg, nutzt das aber auch als Chance, ist gerne Vorbild - und hat einfacheren Zugang zu Eltern aus der türkischen Community: "Als Lehrer mit Migrationshintergrund hat man da eine wichtige Brückenfunktion."

Dass sein Engagement jedenfalls gut ankommt bei den Schülern, erhält Inal an diesem Montag schriftlich - mit der Ehrung durch den Deutschen Lehrerpreis, der vom Philologenverband und der Vodafone-Stiftung jedes Jahr vergeben wird. Sechs Pädagogen-Teams mit innovativen Unterrichtsprojekten sowie 16 einzelnen Lehrern wollen die Initiatoren bei der Verleihung in Berlin einen hervorragenden Job attestieren.

Die Schüler müssen es wissen

An der Sparte, in der die Einzelpersonen geehrt werden, ist das Besondere, dass die Nominierung von den Schülern kommt. Die müssen es schließlich wissen, wer ein richtig guter Lehrer ist. Im Internet konnten Jugendliche Kandidaten für die Auszeichnung vorschlagen, eine Jury aus Ministern, Schulforschern, Lehrern und Schülern traf dann die Auswahl.

Im Fall von Mustafa Inal hört sich die Begründung der Schüler so an: Er kann motivieren, unterrichtet praxisnah, hat stets ein offenes Ohr. Vor allem aber die Rolle als Lehrer mit Migrationshintergrund wird erwähnt. Ein Schüler schreibt, durch ihn habe er gelernt, "was gut ankommt und was nicht. Besonders bei Arbeitgebern." Ein anderer schildert: "Er ist ein Vorbild für mich als Migrant. Er hat es geschafft zu studieren und Lehrer zu werden". Ein weiterer: "Als einige Schüler aufgehört haben zur Schule zu kommen, hat er die Familien besucht, und die Schüler machen jetzt eine Ausbildung."

So argumentierten die Nürnberger Berufsschüler - und überraschten damit ihren Lehrer, der zwar vage mitbekommen hatte, dass irgendwas im Busch ist. Aber er hatte eher an eine schnöde Online-Abstimmung gedacht, keinesfalls mit einem seriösen Lehrerpreis gerechnet.

Schulkind zwischen zwei Ländern

Sein spezieller Hintergrund erfordere vielleicht etwas mehr Engagement als üblich, sagt der Preisträger. Aber das sei immer von der einzelnen Person abhängig, es gebe ja auch viele deutsche Kollegen, die sich sehr um Migrantenschüler kümmerten. Inal weiß allerdings um die Probleme, die diese Kinder hierzulande haben können. Nicht nur, weil er auch in berufsvorbereitenden Modellen unterrichtet, Jugendliche also, die den Weg zum erfolgreichen Abschluss oder in die Lehre vorerst verpasst haben.

Gleichwohl wehrt sich Inal gegen die Annahme, dass beim Wort Migration gleich das Wort Schulprobleme mitzudenken sei. Er selbst ist ja das beste Gegenbeispiel: In Istanbul geboren und Ende der Sechzigerjahre mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen, besuchte er die Grundschule zeitweise hier, beendete sie aber in der Türkei. Ein Schulkind zwischen zwei Ländern, zwei Kulturen und zwei Schulsystemen. Ein Studium der Elektrotechnik nahm er in der Türkei auf, schloss es dann in Berlin ab. In der Hauptstadt blieb er zunächst, studierte zudem noch Lehramt an Beruflichen Schulen.

Mit Zweitfach Sozialkunde und Politik, von dem er sich durchaus inspirieren lässt. In der Nürnberger Südstadt mit ihrem hohen Ausländeranteil setzt er sich für die Idee einer Bürgerplattform ein, politische Teilhabe für Bewohner, die Kommunalpolitik nicht erreicht. Inals Vorteil beim zivilgesellschaftlichen Ehrenamt: In der Türkei genössen Lehrer höchstes Ansehen, Türken in Deutschland hörten ihm eher zu.

Wider das Klischee vom faulen Lehrer

Mit dem Ansehen der Pädagogenzunft in Deutschland ist es dagegen so eine Sache: Die Berufsprestige-Skala 2013 des Allensbach-Instituts führt Lehrer zwar weit oben auf Rang vier; in anderen Studien fiel die Wertschätzung für Pädagogen aber schon viel geringer aus, und Sprüche über die angeblich faulen Lehrer sind gängig.

Mit dem Lehrerpreis wollen der Philologenverband und die Stiftung Lobbyarbeit für den Berufsstand leisten. Die Stiftung dürfte erfreut sein, dass Kandidaten wie Mustafa Inal vorgeschlagen wurden. Schließlich versteht sie sich als Förderer für das Thema Chancengerechtigkeit in der Bildung.

Dazu gehört auch diese Frage: In manchen Großstadtschulen stellen Schüler aus Zuwandererfamilien die Mehrheit, bundesweit haben aber (je nach Definition und Zählweise) nur ein bis sechs Prozent aller Lehrer einen Migrationshintergrund - wie kann das sein? In den Kultusministerien ist es heute Konsens, dass die Zahl steigen soll. Sprach- und Kulturkenntnisse sowie das Verständnis für mögliche Konflikte sollen den Schulalltag bereichern. Und besagte Lehrer sollen eben Vorbild sein.

Mehrere Initiativen werben bei Gymnasiasten ausländischer Herkunft dafür, sich ein Lehramtsstudium zu überlegen. So auch Mustafa Inal im bayerischen Netzwerk für Lehrkräfte mit Zuwanderergeschichte. "Hier lässt sich natürlich kein Schalter umlegen", sagt er. "Aber die Zahlen werden in den kommenden Jahren steigen." Jedoch solle man nicht nur wegen der Herkunft Leute wahllos in den Beruf bringen. Es gehöre schon dazu, dass man von der Arbeit überzeugt sei, dass man das Unterrichten und den Umgang mit den Schülern liebe. Preiswürdige Eigenschaften, unbestritten.

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