Deutscher Hochschulverband:Glanz und Elend der Akademiker-Elite

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Kann sie es richten? Ministerin Johanna Wanka, hier im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald, hat einen Plan. (Foto: Jens Büttner/dpa)
  • Bei der Jahrestagung des Deutschen Hochschulverbandes zum Thema "Wissenschaft als Beruf" gehts es um die unsicheren Arbeitsverhältnisse von Nachwuchsforschern.
  • Bundesbildungsministerin Johanna Wanka verspricht ein Programm, das Stellen mit Perspektive auf eine feste Anstellung schafft.
  • Ob die Pläne in der Praxis etwas verändern, hängt jedoch nicht an der Ministerin - die Länder sind zuständig für die Hochschulen

Von Roland Preuß, Mainz

Da ist der junge Professor, der schon einige "hervorragende junge Mathematiker" in die USA verabschiedet hat. Da ist die Informatikerin, die sieben Jahre lang Zeitverträge aneinanderreihte und nun, mit 34 Jahren, auf dem Podium über einen Fünf-Jahres-Vertrag jubelt. Und da ist der Spitzenjurist, der während des Studienaufenthaltes in Melbourne seine Frau kennenlernt und sich fragt, warum er aus dem schönen Australien eigentlich an eine deutsche Hochschule zurück soll, mit all ihren Unsicherheiten und langen Karrierewegen.

Das Schicksal junger Forscher bewegt die Wissenschaftler derzeit wie kaum ein anderes Thema. Das wurde bei der Jahrestagung des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) am Dienstag in Mainz auch anhand dieser Auftritte deutlich. Nicht zufällig hat die Vertretung der Hochschullehrer die Tagung unter den Titel "Wissenschaft als Beruf" gestellt. Und DHV-Präsident Bernhard Kempen springt in Minute zwei seiner Eröffnungsrede schon mal durch die lange Liste der Missstände: "Die wissenschaftliche Karriere ist risikoreich, von zehn Habilitierten erhalten nur drei eine Professur", sagt er. "Es gibt viel zu viele Verlierer." Die Arbeitsbedingungen der jungen Wissenschaftler müssten sich nun "konkret und schnell verbessern".

Die Rede ist von 140 000 Nachwuchswissenschaftlern an den Hochschulen, aus denen einmal die neue Generation von Deutschlands Forschern hervorgehen soll - das Rückgrat der Bildungsrepublik, wie sie Angela Merkel einmal ausgerufen hat. Doch sie werden vielfach nicht so behandelt. Die große Mehrheit der Promovierten, Habilitierenden und Wissenschaftlichen Mitarbeiter wird in Zeitverträgen gehalten, in jahrelanger Unsicherheit, ohne eine Chance, selbstbestimmt zu forschen und damit eben dieses Rückgrat auszubilden. Will man mit der Akademiker-Elite tatsächlich weiter so verfahren?

Die Länder sind zuständig

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka sitzt in der ersten Reihe des Auditoriums, die Tagungsregie hat es geschafft die Frau nach Mainz zu holen, auf der die größten Erwartungen lasten. Und tatsächlich hat Wanka etwas mitgebracht, was Kempen später "sehr gut" finden wird. Doch die Ministerin dämpft zunächst die Erwartungen: Erste Ansprechpartner seien die Länder, die ja zuständig sind für die Hochschulen. Man habe diesen zu jährlich zusätzlich 1,2 Milliarden Euro verholfen, weil der Bund die Kosten für das Bafög voll übernommen hat. Das alleine wären 10 000 zusätzliche Professorenstellen, die die Länder allerdings nicht im Entferntesten schaffen.

Man werde das Befristungsunwesen eindämmen sagt Wanka, aber Überregulierung vermeiden, denn Zeitverträge, etwa für die Dauer einer Promotion seien eben ganz normal. Da nicken manche Magnifizenzen im Saal, denn viele Hochschulen wollen natürlich nicht auf das Heer prekärer Nachwuchswissenschaftler verzichten, zu praktisch und flexibel sind sie in Zeiten von Sparvorgaben.

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Dann erst spielt Wanka ihren Trumpf aus, ganz wie im Lehrbuch der politischen Rhetorik: am Ende noch ein Knüller, mit dem sich Applaus ernten lässt. Wanka kündigt ein Programm für Nachwuchswissenschaftler an, es soll zusätzliche Tenure-Track-Stellen geben, das heißt Posten, auf denen junge Forscher von Anfang an die Perspektive auf einen feste Anstellung haben, meist als Professor. Einzige Voraussetzung: sie müssen sich mehrere Jahre bewähren. "Wir brauchen dies für die internationale Wettbewerbsfähigkeit", sagt Wanka. "Wir brauchen etwas, das über ein einzelnes Bundesland hinausgeht, nur dann wirkt es." Sie werde jetzt auf die Länder zugehen, um dieses Programm aufzuziehen, denn es muss ein gemeinsames Programm sein.

Es ist eine Botschaft die einschlägt, auch wenn sie noch etwas vage ist: wie viele Stellen wird es geben? Wie viel Geld wird zur Verfügung stehen? Das alles müsse erst mit den Ländern verhandelt werden, sagt Wanka. Der Bund jedoch werde dafür Geld in die Hand nehmen. Ob dies die Länder auch tun, von denen manche nicht einmal ihre Hochschulen anständig finanzieren, ist nun die spannende Frage, ist Sollbruchstelle des Wanka-Plans. Trotzdem: "Dies ist eine kleine Sensation, das würde sehr weiterhelfen", jubelt Kempen.

Wie kleine Fürsten

Die zweite spannende Frage ist, wie sich die Professoren verhalten werden. Sie haben es sehr oft in der Hand, unter welchen Bedingungen ihre Jungforscher wie lange angestellt werden. Und viele schätzen diese Macht, sprechen von Ansporn oder von einer gesunden Konkurrenz, die sich da entwickle zwischen den jungen Leuten. Es ist die Perspektive der Etablierten, die auch die Reihen in Mainz dominieren: ältere Herrn in feinen Anzügen. Sie können in ihren Instituten mitunter herrschen wie kleine Fürsten, was ihnen sogar die Wissenschaftsfreiheit des Grundgesetzes garantiert. Niemand kann sie zwingen, überall mitzuziehen und bessere Verträge vorzulegen. Selbst wenn sie Forschungsgeld für fünf Jahre haben, dürfen sie ihre Forscher mit Halbjahresverträgen kurzhalten.

"Doch der Leidensdruck ist größer geworden", sagt Kempen. Viele Professoren sähen, dass es so nicht weitergehe. Selbst der DHV, der gerne als Club der Etablieren gesehen wird, stellt die kleinen Fürstentümer in Frage. "Es kann nicht mehr die Mitarbeiter-Bestellung nach Gutsherrenart geben, das wird künftig in vielen Fällen gemeinsam entschieden werden müssen", sagt Kempen.

Es ist eine Vorstellung, die noch heftige Debatten entfachen wird. Ein erstes Indiz dafür lieferte Georg Krausch, der Präsident der Uni Mainz. "Die alte deutsche Ordinarienherrlichkeit ist eine Katastrophe", rief er. Im Publikum rührte sich dafür keine einzige Hand.

© SZ vom 25.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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