Pascal Grün ist 27 Jahre alt und unterrichtet als Referendar an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch. Auf SZ.de berichtet er regelmäßig über seine Erlebnisse als Referendar. Pascal Grün ist ein Pseudonym - zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz der Personen, über die er schreibt. Ansonsten ist "Der Referendar" aber maximal offen und ehrlich.
Eltern sind eines der Schreckgespenster, die Lehrer immer wieder heimsuchen. Vor allem Junglehrer haben einen Heidenrespekt, denn seit Jahren heißt es, die Eltern mischten sich immer mehr in die alltägliche Arbeit ein. Wie es wirklich ist, werde ich nun am eigenen Leib erfahren.
Kürzlich spricht mich die Sekretärin meiner Einsatzschule an: "Sie, Herr Grün, wie ist denn das? Der Elternsprechtag findet an Ihrem freien Tag statt. Kommen Sie dennoch?" Ganz toll, denke ich, wieder ein freier Tag, der keiner ist. Zudem gehört die Elternarbeit nicht zum angenehmsten Teil des Lehrberufs. Ich blicke um mich und merke zum Glück, dass die Direktorin das Sekretariat betreten hat und merklich desinteressiert tut, aber ganz genau zuhört.
"Ich würde schon kommen", entgegne ich zaghaft. "Sie müssen natürlich nicht. Ich habe sowieso zu wenig Räume und bin um jeden froh, der daheim bleibt." Klasse Steilvorlage - ich habe nochmal die Chance, es mir zu überlegen. Der hedonistische Student in mir schreit: "Yeah, mach frei! Lass uns einen heben gehen!" Doch auch der verantwortungsbewusste Lehrer in mir meldet sich zu Wort: "Es ist äußerst wichtig, sich auszutauschen, Präsenz zu zeigen und Erfahrung im Umgang mit den Eltern zu sammeln. Zwar ist der Tag unterrichtsfrei, was aber nicht gleichbedeutend mit "frei" ist. Sonst sitzt du auch an Korrekturen oder Unterrichtsvorbereitungen, also beweg deinen Hintern." "Spießer, Streber, Stock im Arsch!!!", entgegnet der Hedonist lauthals.
Während Engelchen und Teufelchen in mir noch streiten, höre ich mich plötzlich zur Sekretärin sagen: "Wenn es Ihnen keine Umstände bereitet, komme ich selbstverständlich gern." Das Engelchen triumphiert.
"Amelie love you"
Einige Tage später kann ich die Liste einsehen, in die Kinder selbst Termine für die Gespräche mit ihren Eltern eintragen. Das Papier sieht vollgekritzelter als erwartet aus. Die Eltern sollen im 5-Minuten-Takt durchgeschleust werden, insgesamt sind drei Stunden Sprechzeit anberaumt. Rasch überfliege ich die Zeiten und Namen; soweit alles bekannt, bis mein Blick auf dem letzten Namen verharrt: Amelie Schwarz, Klasse 7b. Weder meine Schülerin, noch meine Klasse, dessen bin ich mir sicher.
Dahinter die Erklärung: Bunte Herzchen zieren den Schriftzug "Amelie love you". Ich muss schmunzeln. Auch über den unbeholfenen Umgang mit der englischen Grammatik. Da scheint Amelie Opfer einen Scherzes geworden zu sein. Sofern sie keine frühreife 12-Jährige ist, die sich hemmungslos zu ihren Gefühlen bekennt.