Süddeutsche Zeitung

Der Referendar über die zweite Lehrprobe:Blinde Schüler, taube Schüler

Die Post streikt - und dann machen auch noch die eigenen Nerven Probleme: Referendar Pascal Grün hat seine zweite Lehrprobe. Und mit dem Schlussgong geht die Qual erst richtig los.

Die nervenaufreibende (wie erholungsfeindliche) Warterei während der Pfingstferien und in den Wochen danach hat ein Ende: Ich habe endlich den Bescheid über Thema und Termin meiner zweiten Lehrprobe (hier die Kolumne zur ersten Lehrprobe) bekommen. Immerhin noch vor Notenschluss.

Da ich in meiner zehnten Klasse in Spanisch bereits durch bin mit dem Lehrbuch, hatte ich mehrere Unterrichtsstunden zu einem Film geplant. Die Handlung des Streifens: Ein Klischee-Andalusier - Schürzenjäger und Partyheld - verliebt sich in eine biedere, aber hübsche junge Baskin. Klingt seicht, ist aber humorvoll aufgemacht und bietet reichlich landeskundlichen Stoff. In meiner Lehrprobenstunde soll ich nun also in die Arbeit mit dem Film einsteigen. Derart offen gestellte Themen lassen viele Freiheiten - allerdings läuft man auch Gefahr, sich ordentlich zu verzetteln.

Kolumne "Der Referendar"

Pascal Grün ist 27 Jahre alt und unterrichtet als Referendar an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch. Auf SZ.de berichtet er regelmäßig über seine Erlebnisse als Referendar. Pascal Grün ist ein Pseudonym - zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz der Personen, über die er schreibt. Ansonsten ist "Der Referendar" aber maximal offen und ehrlich.

Die Stundenpanung ist dann nicht frei von Hindernissen, da einige Materialien in Spanien bestellt werden mussten (schwierig, wenn die Post streikt) und die letzten Schulwochen generell recht stressig sind. Meine Betreuungslehrerin findet mein Konzept zum Glück trotzdem gut. Und so reist ein Teil der Prüfungskommission am Lehrprobentag durch den ganzen Freistaat, um einmal mehr mein Schaffen unter die Lupe zu nehmen.

Überraschung zu Beginn

Ich bin eigentlich nicht der Typ für panikartige Nervositätsanfälle. Als meine Schüler am Tag X aber überpünktlich und ehrfürchtig das Zimmer betreten, verspüre ich doch ein leichtes Kribbeln in der Magengegend, das sich intensiviert, als die Prüfungskommission (beide Seminarlehrerinnen der Seminarschule, sowie Direktorin und Betreuungslehrerin der Einsatzschule) dazustoßen. Erst als der Gong ertönt, lässt das flaue Gefühl nach.

Für den Einstieg habe ich mit vier Schülern eine pantomimische, aber statische Darstellung des Filmplakats eingeübt. Standbild nennt sich diese Methode: Sie soll Aufmerksamkeit und Motivation der Klasse steigern und den Wortschatz in Sachen Mimik und Gestik zu erweitern. Danach präsentiere ich den Schülern das tatsächliche Plakat und lasse sie Hypothesen über Handlung und Genre des Films aufstellen.

Die Vermutungen der Schüler werden dann durch das Vorführen des Trailers überprüft, wobei - die Lehrprobe soll ja ein Feuerwerk der Lehrerkunst sein - wir uns das Filmchen natürlich nicht einfach so ansehen. Die eine Hälfte der Schüler wendet der Leinwand den Rücken zu und hört somit nur den Ton des Spots, während die andere Hälfte mit Blick auf die Leinwand, aber mit Ohropax in den Ohren, lediglich die Bilder zu sehen bekommt. Nur durch Teamwork können die Schüler also das Arbeitsblatt bearbeiten - das zwingt sie dazu, auf Spanisch zu kommunizieren. Ohne mich allzu sehr loben zu wollen: Ein großartiger Einfall der Lehrkraft!

Aber egal, wie gut das Gefühl nach einer Lehrprobe ist: Die Wartezeit, während sich das Komitee auf eine Note zu einigen versucht, ist grauenvoll. Zum Glück sind nette Kollegen da, um mich abzulenken, und gute 45 Minuten später werde ich zur Bekanntgabe gebeten. Ich erinnere mich schon jetzt kaum mehr an die Worte vor dem entscheidenden Halbsatz: "... haben wir uns entschlossen, Ihnen die gleiche Note zu geben wie in Ihrer ersten Lehrprobe." Für alle nicht ständigen Leser dieser Kolumne: Wir sprechen von der Note eins.

Ich würde am liebsten aufspringen, begnüge mich aber mit einem Freudenstrahlen und den Glückwunsch-Umarmungen und -handschlägen der anwesenden señoras.

Die Kritik an meiner Stunde will ich nicht unter den Tisch fallen lassen: Ich hatte einen Buchstaben an der Tafel vergessen (man kann sich das Geschriebene hundertmal durchlesen, wenn man direkt davor steht, bemerkt man Fehler nicht), die Überleitung zur Hausaufgabe hätte schöner gestaltet sein können (stimmt, am Ende sind mir Zeit und Puste ausgegangen) und, so die Prüferinnen, man sei sich nicht sicher gewesen, ob auch die schwächsten Schüler alles verstanden hätten.

Ich merke: Die Ansprüche der Seminarlehrer steigen, auch bei uns Referendaren soll schließlich am Ende des ersten "Lehrjahres" eine Verbesserung erkennbar sein. Aber so schlecht mache ich mich offensichtlich nicht. Was die Lehrpoben betrifft, sind nun zwei Drittel geschafft. Wenn ich eine Stelle als verbeamteter Lehrer beim Freistaat Bayern haben will, wird es bei der aktuellen Einstellungssituation auf jeden Fall in der dritten Lehrprobe noch mal die Bestnote sein müssen.

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