Chemie-Professor will Rhein hinabschwimmen:"Meine Frau und ich sind sehr hydrophil"

Projekt 'Rheines Wasser' mit Andreas Fath

Im Wasser in seinem Element: Chemiker Andreas Fath

(Foto: dpa)

Andreas Fath ist Chemiker und passionierter Schwimmer. Um seiner Hochschule Spenden für ein Analysegerät einzutreiben, will er nun den Rhein hinabschwimmen - 1230 Flusskilometer. Ein Gespräch über Lieblingstiere, Schadstoffe im Wasser und erste Dates im Hallenbad.

Von Johanna Bruckner

SZ.de: Herr Fath, was ist Ihr Lieblingsfisch?

Andreas Fath: Der Delfin. Wobei der ja kein Fisch, sondern ein Säugetier ist. Also sagen wir besser: mein Lieblings-Wasserlebewesen. Er ist schnell, wendig, intelligent und hört breitere Frequenzbereiche als der Mensch.

Könnte man sagen, er ist Ihr Vorbild beim Schwimmen?

Ja, durchaus. Als ich jünger war, war Delfin mein bevorzugter Schwimmstil. In meinem Alter wird das ein bisschen schwieriger, da krault man lieber. Aber für den Rhein passt der Delfin ohnehin nicht so gut, weil er Süßwasser führt. Hier würde ich als Vorbild den Lachs bevorzugen.

Im Rhein gibt es Lachse?

Das wollen wir unter anderem herausfinden - ob der Rhein wieder fischgängig ist. Früher hat man den Lachs tonnenweise aus dem Rhein gezogen, das ist heute leider nicht mehr möglich. Wegen der ganzen Chemikalien ist er dort fast ausgestorben. Wobei sich die Wasserqualität in den letzten Jahren wieder verbessert hat.

Sie wollen also den gesamten Rhein von der Quelle bis zum Meer abschwimmen. Mithilfe eines speziellen Neoprenanzugs wollen Sie unterwegs Wasserproben nehmen.

Mein Neoprenanzug ist ein normaler Schwimmanzug, der mich vor Kälte schützt und einen entsprechenden Auftrieb hat, sodass ich nicht untergehen kann. Die Eawag (Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz, Anm. d. Red.), ein Schweizer Wasserforschungsinstitut, stellt uns ein Mikrofasergeflecht zur Verfügung, das ich an meinem Anzug befestigen kann. Die Mikrofaser-Flicken werden am Rücken und an der Hinterseite der Oberschenkel angebracht, da stören sie nicht beim Schwimmen. Unterwegs nehmen sie alle organischen Stoffe auf, die im Rhein auf mich einwirken.

Und am Ende wissen Sie, wie dreckig der Rhein ist.

Schadstoffe werden auch aufgenommen, ja. Wir können die Flicken nachher auf 250 verschiedene Substanzen hin testen, auch nicht-zielgerichtete Analysen sind möglich. Antibiotika, Hormone, Amphetamine, Drogen, Süßstoffe aus unseren Softdrinks - im Rhein schwimmen alle möglichen bedenklichen Substanzen mit. Studierende von mir nehmen außerdem täglich Wasserproben und unterziehen sie Schnelltests. So können wir feststellen, wie hoch der Ammonium-, Phosphat-, Nitrat- und Sauerstoffgehalt im jeweiligen Abschnitt des Rheins ist. Das sind verlässliche Indikatoren für die Wassergüte. Wir untersuchen die Proben auch auf Mikroplastiken.

Das ist aber nicht der einzige Grund für Ihra Aktion. Sie wollen Spenden sammeln für ein Analysegerät. Das muss eine tolle Maschine sein, dass Sie solche Strapazen auf sich nehmen.

Ein HPCL MS, ein Flüssigchromatograph mit angeschlossenem Massenspektrometer, kostet mehr als 100 000 Euro. So viel Geld hat die Hochschule nicht. Das Gerät ist wichtig für meine Forschung im Bereich Abwasserbehandlung. Ich habe ein System entwickelt, mit dem perfluorierte Tenside (PFT) zersetzt werden. Die sind zum Beispiel in Feuerlöschmitteln enthalten und stehen im Verdacht, Krebs zu erregen. Kläranlagen können PFT nicht komplett zurückhalten. Nachdem sich das System dort bewährt hat, würde ich nun gerne untersuchen, ob es noch andere Talente hat. Ob es zum Beispiel geeignet ist, Röntgen-Kontrastmittel zu zersetzen, bevor die Krankenhäuser sie ins Abwasser leiten. Um festzustellen, wie erfolgreich es arbeitet - also wie viel Prozent eines Schadstoffes tatsächlich abgebaut wurden - brauche in einen HPCL MS. Wer weiß, vielleicht sind wir irgendwann sogar soweit, dass es das System für den Hausgebrauch gibt.

"Die Unwägbarkeiten des Rheins bereiten mir Kopfzerbrechen"

Projekt 'Rheines Wasser' mit Andreas Fath

Seit seiner Kindheit betreibt Andreas Fath Schwimmen als Leistungssport.

(Foto: dpa)

Eine bessere Kläranlage für zuhause?

Wenn Sie so wollen. Ich halte es in der Zukunft jedenfalls für möglich, dass die Abwasserreinigung dezentral in jedem Haushalt stattfindet. Wenn ich krank bin, würden die Antibiotika im Toilettenabwasser direkt im Durchlauf abgebaut. Das wäre mein Traum.

Zurück zum Schwimmen. Sie trainieren im Freibad Ihres Wohnortes Haslach. Ich tippe mal, das hat maximal ein 25-Meter-Becken. Ist das nicht, als würde man mit Sparring gegen ein Fliegengewicht für einen Kampf gegen Klitschko trainieren?

Es hat ein 50-Meter-Becken. Ich bin vor einigen Jahren schon durch den Zürichsee geschwommen, darauf habe ich mich auch so vorbereitet. Wir haben leider keinen See in der Nähe und das Freibad ist nur fünf Minuten Fußweg entfernt.

Also haben Sie keine Angst vor dem Rhein?

Doch, schon. Mit Trübheit und Algen kann ich leben. Auch der Schifffahrtsbetrieb macht mir weniger Sorgen. Ich werde von einem Motorboot und einem Kajakfahrer begleitet. Die nehmen mich in die Mitte, sodass mich hoffentlich kein Frachter über den Haufen fährt. Aber die Unwägbarkeiten des Rheins bereiten mir Kopfzerbrechen. Kürzlich hatten wir zum Beispiel Niedrigwasser.

Und das ist gefährlich?

Ja, weil ich dann weniger Abstand zum Grund habe. Und im trüben Wasser sieht man Felsen im Zweifelsfall nicht, bis man draufhängt. Aber generell ist das Wasser mein Element. Beim Schwimmen habe ich keine Sorgen. Wenn ich aus dem Wasser steige, fühle ich mich wie neugeboren.

Stimmt es, dass Sie Ihre Frau beim Schwimmen kennengelernt haben?

Ja, während des Studiums in Heidelberg. Wir sind beide sehr hydrophil. Sie begleitet mich auch bei dem Projekt und fährt eines der Wohnmobile, mit denen wir unterwegs sind.

Wie wünscht man einem Schwimmer viel Glück?

Beim Skifahren sagt man "Ski Heil" - wünschen Sie mir doch, dass mein Kopf heile bleibt. Wenn ich mir den Schädel anschlage, wäre das fatal.

Andreas Fath erhielt 2011 für sein System zur Zersetzung von perfluorierten Tensiden den UMSICHT-Wissenschaftspreis des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik. Im selben Jahr wurde er Professor für Chemie an der Hochschule Furtwangen im Schwarzwald. Der 49-Jährige startet am 28. Juli an der Rhein-Quelle in der Schweiz. Planmäßig kommt er einen Monat später, am 24. August, im niederländischen Hoek van Holland an. Mehr zum Projekt gibt es unter rheines-wasser.eu.

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