Bundesverwaltungsgericht:Zeugnis darf Hinweis auf Legasthenie enthalten

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  • Wird bei einem Legastheniker die Rechtschreibung in der Schule nicht bewertet, darf dies auch im Abiturzeugnis vermerkt werden, hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
  • Geklagt hatten zwei Schüler aus Bayern, die den Vermerk entfernt haben wollten.
  • Nachbessern muss Bayern dennoch: Bisher war der "Notenschutz" nur per Ministererlass geregelt, notwendig ist laut Gericht aber ein parlamentarisches Gesetz.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Legastheniker dürfen im Abitur grundsätzlich großzügiger bewertet werden als ihre Mitschüler, sie müssen aber einen Zeugnisvermerk hinnehmen, der darauf hinweist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil entschieden. Anlass waren die Klagen zweier bayerischer Schüler. Wegen der drohenden Nachteile bei späteren Bewerbungen hatten sie sich gegen den Hinweis im Zeugnis zur Wehr gesetzt, wegen ihrer fachärztlich festgestellten Legasthenie seien ihre Rechtschreibleistungen im Abitur nicht berücksichtigt worden. Das Bundesverwaltungsgericht sieht darin indes keine Diskriminierung Behinderter: Es bestehe kein Anspruch auf "Notenschutz" ohne dessen Dokumentation im Zeugnis.

Nachbessern muss Bayern aber dennoch: Bisher war der "Notenschutz" nur per Ministererlass geregelt, notwendig ist laut Gericht aber ein parlamentarisches Gesetz. Das Kultusministerium hat bereits eine Gesetzesinitiative angekündigt.

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Nach Schätzungen haben rund vier Prozent der Menschen eine Lese-Rechtschreib-Schwäche oder -Störung. Das deutlich verlangsamte Lesetempo und die Schwierigkeit, gesprochene Sprache in Schrift umzusetzen, haben in der Schule indes nicht nur für das Fach Deutsch Konsequenzen. Legastheniker können, auch wenn sie gute Rechner sind, bei Textaufgaben im Fach Mathematik versagen oder im Sachkundeunterricht ihr Wissen nur fehlerhaft zu Papier bringen.

Die Bundesländer haben deshalb Konzepte entwickelt, wie Legasthenie und auch Dyskalkulie - eine Rechenstörung - kompensiert werden können. Im Zentrum stehen dabei Ausgleichsmaßnahmen, etwa eine verlängerte Arbeitszeit bei Klassenarbeiten, Audiounterstützung und Computer sowie didaktische Hilfe wie größere Schrift oder optisch klar strukturierte Tafelbilder. Zudem sind bei den Klassenarbeiten großzügigere Bewertungsmaßstäbe möglich, der sogenannte Notenschutz.

Notenschutz relativiert das Zeugnis

Bayern, wo etwa 700 Legastheniker pro Jahrgang Abitur machen, geht in diesem Punkt weiter als alle anderen Länder. Auf Antrag wird den Schülern sogar im Abitur ein Notenschutz gewährt. Weil die besonderen Bewertungsmaßstäbe aber im Abiturzeugnis vermerkt werden, verzichten viele bayerische Eltern darauf, um dem Abiturienten mit Blick auf künftige Arbeitgeber den Makel im Zeugnis zu ersparen. In den übrigen Ländern wird der Notenbonus in den höheren Jahrgängen zurückgefahren, teilweise nach der sechsten, teilweise nach der zehnten Klasse; in der Oberstufe ist Notenschutz die Ausnahme.

Der Notenschutz, so argumentiert das Bundesverwaltungsgericht, relativiert das Zeugnis, weil es damit nicht mehr die Aussage enthält, der Schüler habe den allgemeinen Anforderungen entsprochen. Deshalb besteht kein Anspruch auf Streichung des entsprechenden Vermerks, auch nicht für die Vergangenheit, obwohl das dafür erforderliche Gesetz bisher noch aussteht. Andere Ausgleichsmaßnahmen, etwa der Zeitzuschlag bei der Klassenarbeit, dienen dagegen allein dem Ausgleich der individuellen Erschwernisse und sind daher unproblematisch. Dafür sei kein Gesetz erforderlich, befand das Gericht.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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