Schavan will das Grundgesetz ändern:"Eine Frage der Gerechtigkeit"

Die Bundesbildungsministerin möchte mit ihrem Vorstoß erreichen, dass künftig auch der Bund Einrichtungen an Universitäten fördern darf - bisher ist das nur den Ländern erlaubt. Annette Schavan appelliert außerdem an die Bundesländer, an den Schulen endlich gemeinsame Standards bei den Abschlussprüfungen zu schaffen.

Robert Roßmann

Die Bundesregierung wünscht sich eine Änderung des Grundgesetzes, um wissenschaftliche Einrichtungen besser fördern zu können. Bildungsministerin Annette Schavan sagte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, sie schlage vor, noch in dieser Legislaturperiode den Artikel 91 b anzupassen. Bundestag und Bundesrat sollten mit einer solchen Grundgesetzänderung erlauben, dass künftig auch der Bund "Einrichtungen" an Hochschulen und in der Wissenschaft fördern kann.

Bisher darf der Bund nur "Vorhaben" unterstützen. Dies behindert die Förderung vieler wichtiger Einrichtungen. So darf Schavan etwa den geplanten Zusammenschluss der Berliner Charité mit dem Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin nur befristet als "Pilotprojekt" unterstützen.

Das sogenannte Kooperationsverbot untersagt dem Bund, in Bereiche zu investieren, für die laut Grundgesetz ausschließlich die Länder zuständig sind. Dazu gehört fast die gesamte Bildungspolitik. "Wir sollten nicht warten, bis wir in der Debatte um das Kooperationsverbot in allen Punkten einen Konsens erzielt haben", sagte Schavan. Für eine Änderung des Artikels 91 b gebe es inzwischen innerhalb der Länder und im Bundestag eine breite Mehrheit. Deshalb sollte sie jetzt beschlossen werden. Dies sei für "die Internationalisierung des deutschen Wissenschaftssystems" wichtig.

Für eine Änderung des Grundgesetzes in Bezug auf die Schulen gibt es dagegen noch keinen Konsens", sagte Schavan. Sie appelliere deshalb an die Länder, alles zu tun, was sie bereits jetzt selbst tun können: "Dazu gehört, Mobilität für Lehrer herzustellen, damit diese künftig ohne Probleme von einem Bundesland in ein anderes wechseln können. Dazu gehört auch die Schaffung gemeinsamer Bildungsstandards, damit die Abschlussprüfungen vergleichbar werden." Dies sei auch eine Frage der Gerechtigkeit.

Die Ministerin sagte, es wäre "ein tolles Signal, wenn die Länder erklären würden: Ja, das sind unsere Hausaufgaben, die können wir alleine lösen, dazu brauchen wir den Bund gar nicht." Dies sei im Übrigen "keine Frage des Geldes, sondern nur eine Frage des Willens, gesamtstaatliche Verantwortung wahrzunehmen". Die Aufhebung des Kooperationsverbotes dürfe nicht nur heißen, dass der Bund "Geld rüber schiebt".

Schavan regte außerdem an, grundsätzlich über "die künftige Bildungsverfassung in Deutschland" zu reden. Das gehe nicht mehr ohne die Kommunen, deren Rolle deutlich stärker geworden sei, sagte die Ministerin. Ein "solcher Gesprächsprozess könnte unter der Moderation von Kultusministerkonferenz und Bildungsministerium laufen". Sie halte es aber auch für denkbar, dafür einen mit Experten besetzten Bildungsrat einzusetzen - analog zum Wissenschaftsrat, der in den vergangenen Jahren "wesentliche Impulse" gesetzt habe.

Die CDU-Politikerin sagte, sie "präferiere einen solchen unabhängigen Bildungsrat, um die offenen Fragen zu beantworten". In dieser Runde sollte "auf der Grundlage des Konsenses, dass die Kulturhoheit bei den Ländern liegt, darüber gesprochen werden, wie die Bildungsrepublik 2020 aussehen soll".

Das Kooperationsverbot von Bund und Ländern war mit der Föderalismusreform 2006 ins Grundgesetz aufgenommenen worden. Vor allem ärmere Länder, die Geld vom Bund gebrauchen könnten, bedauern die Entscheidung inzwischen. Auch innerhalb der Parteien gibt es mittlerweile Debatten über den Sinn der Regelung. Auf dem jüngsten FDP-Bundesparteitag stimmte nur noch eine knappe Mehrheit für das Kooperationsverbot, die FDP-Fraktion im Bundestag will es abschaffen. Die Mehrheit von SPD und Grünen ist schon lange gegen das Verbot.

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