Buch über angehende Lehrer:"Muss man sie ins kalte Wasser werfen?"

Lesezeit: 4 min

Ein Lehrer kann sich seine Schüler nun mal nicht aussuchen.

Sicher ist es grundsätzlich richtig zu verlangen, dass Lehrer mit allen Arten von Schülern fertig werden müssen. Aber muss man sie ins kalte Wasser werfen - aus Bequemlichkeit? Fakt ist: Wenn eine Referendarin vom Land plötzlich vor einer Klasse in einem städtischen Problemviertel steht, in der es Schüler gibt mit Migrationshintergrund, Schüler, die zum zweiten oder dritten Mal eine Klasse wiederholen, Schüler, die ihr vielleicht auch körperlich überlegen sind, dann sind Autoritätskonflikte programmiert. Es sollte nicht zuletzt im Sinne der Jugendlichen sein, ein möglichst reibungsloses Lernen zu ermöglichen. Mein Eindruck ist auch, dass sich Referendare nicht in erster Linie vor schwierigen Schülern scheuen. Sie haben schlicht Angst um ihre berufliche Zukunft. Denn sie müssen im Zweifelsfall eben auch ihre examensrelevanten Lehrproben vor einer unberechenbaren Mittelstufen-Klasse halten.

Buchautor und Journalist Thorsten Wiese

Journalist und Buchautor Thorsten Wiese

(Foto: Thorsten Wiese)

Gutes Stichwort. Die Examensnote ist für angehende Lehrer allesentscheidend. Sie bestimmt, wer verbeamtet wird und wer sich von Schwangerschaftsvertretung zu Schwangerschaftsvertretung hangeln muss.

Referendare stehen unter einem unheimlichen Druck. Dabei spielen die Seminarleiter eine gewichtige Rolle. Vor Lehrproben fallen schon mal Sätze wie: "Jede Stunde muss wie ein kleines Feuerwerk sein." Der Medieneinsatz soll vielfältig sein, der angehende Lehrer pädagogisch souverän. Und selbst das Feedbackgespräch gleicht noch einer Prüfung, denn dann will der Seminarleiter ganz persönlich beeindruckt werden. So wird häufig erwartet, so empfinden das zumindest die Referendare, dass zu diesem Anlass Kaffee und die Lieblingskekse bereitstehen. Mindestens.

Gibt es ein Lehrer-Ideal, das Referendare anstreben?

Ich fand es interessant, dass die "harten Hunde" als besonders fördernd wahrgenommen und durchaus auch als Vorbild gesehen werden. Heute mutet deren Erziehungsstil fast alttestamentarisch an: keinen Widerspruch dulden, klare Unterrichtsführung durch den Lehrer, wenig Berücksichtigung von Schülerinteressen. Überraschenderweise scheint dieser Lehrer-Typ auch bei den Schülern besonders gut anzukommen. Spätestens beim Verlassen der Schule, so berichten es die Referendare, fielen von Schülerseite dann Sätze wie: "In der achten Klasse habe ich zwar über Herrn XY geschimpft. Aber rückblickend hat er mir am meisten geholfen, weil er dafür gesorgt hat, dass ich mich im Unterricht konzentriere und beteilige, dass ich mich auf den Hosenboden setze." Vor dem Hintergrund heutiger Trends in der pädagogischen Debatte finde ich das bemerkenswert.

Thorsten Wieses Buch "Nein Torben-Jasper, du hast keinen Telefonjoker" ist im Riva Verlag erschienen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema