Bildungsstudie:Fleiß-Noten motivieren Schüler

Lesezeit: 2 min

Damit Kinder gerne lernen, können Lehrer Erkenntnisse der Verhaltensforschung anwenden. (Foto: dpa)

Wie bewegt man Kinder dazu, mit Freude zu lernen? Eine neue Studie bringt Verhaltensforschung und Bildungsarbeit zusammen und gibt Lehrern Ratschläge, wie sie faule Schüler motivieren. Zum Beispiel, indem sie von vorneherein gute Noten verteilen.

Von Anna Günther

Mit einem dumpfen Wumms knallt der Fußball gegen das Garagentor. Die Nachbarskinder jubeln. Und wieder, wumms. Solche Freudenklänge fühlen sich für den Lernenden im Haus wie Folter an. Physik, an einem sonnigen Nachmittag. Als wäre das Fach alleine nicht herausfordernd genug. Wäre die Motivation größer, würde das Studieren von Hebelwirkung und Bremsweg vielleicht sogar Spaß machen und das Lernen deutlich leichter fallen. Denn wer Freude an einem Fach hat, merkt sich den Stoff leichter. Frustrierten Kindern diese Freude zu vermitteln, stellt Pädagogen allerdings seit Generationen vor Herausforderungen. Eine neue Studie will nun Kniffe aus der Verhaltensforschung gefunden haben, mit denen Lehrer Motivation gezielt steuern können.

In der Studie "Schüler richtig motivieren" hat das Londoner Forschungszentrum der Royal Society for the encouragement of Arts, Manufactures and Commerce (RSA) gemeinsam mit Lehrern im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland erforscht, wie Lernblockaden gelöst und Kinder besser motiviert werden können. Ziel der Studie ist es, verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse für die Arbeit im Bildungsbereich fruchtbar zu machen.

Das Gehirn stärken wie einen Muskel

Von den Erkenntnissen sollen alle Schüler profitieren, besonders jedoch solche aus sozial schwächeren Milieus. Das Hauptaugenmerk der Studie liegt auf kognitiven Prozessen, mit denen die Londoner Wissenschaftler erklären, wie Fleiß, Freude am Lernen, der Umgang mit Rückschlägen, Erwartungen und Bewertungen beeinflusst werden. Die Erkenntnis, dass Verhaltensweisen größtenteils unbewusst ablaufen und stark vom sozialen Umfeld beeinflusst werden, ist keineswegs neu, doch werden Kniffe, die sich daraus ableiten lassen, bisher kaum im Unterricht angewendet.

Lernerfolg hängt aus Sicht der RSA-Forscher von drei Faktoren ab: dem Selbstbild des Schülers, eingefahrenen Denkmustern und dem Lernumfeld. An diesen Schrauben können Pädagogen drehen.

Um das Selbstbild der Kinder positiv zu beeinflussen und damit Leistungswille und den Umgang mit Rückschlägen zu fördern, sollten Lehrer der Studie zufolge gezieltes Feedback geben. Statt ein Kind als klug beziehungsweise weniger begabt einzusortieren, könnten Lehrer das Gehirn als Muskel darstellen, den auch schwächere Schüler mit Übungen stärken können. Mit dieser "Alles ist möglich"-Einstellung sollen auch jene Kinder motiviert werden, die das Mathebuch bisher mit einem verzweifelten "Verstehe ich nicht" von sich geschoben haben.

Auch die Wirkung des ersten Eindrucks sollten sich Lehrer und Schüler bewusst machen und eingefahrene Überzeugungen revidieren. In Übungen können Lehrer Rollen mit den Kindern tauschen und so negative Eindrücke oder den Halo-Effekt, also beispielsweise positive Erwartungen an ihre "Lieblingsschüler", überprüfen.

Statt wie bisher vor allem Leistung müssten Pädagogen Einsatz und Fleiß belohnen. Die britischen Forscher schlagen dafür eine Veränderung des Notensystems vor. Lehrer sollen mit "noch nicht", statt mit "durchgefallen" bewerten, um weniger absolut zu wirken und das Gefühl zu vermitteln, mit Willen und Einsatz sei die Versetzung noch zu schaffen.

Dass eine angenehme Atmosphäre sich auf das Wohlbefinden und damit auf die Lernqualität auswirkt, leuchtet ein. Die Studie erklärt dies nun mit der Verhaltensforschung: Pflanzen und begrünte Schulhöfe mildern demnach Müdigkeit und Aggression, hübsche Klassenzimmer verhindern allzu kurzfristiges Denken und impulsives Handeln.

Verhaltensforschung als Randaspekt im Lehramtsstudium

Außerdem haben Verhaltensforscher herausgefunden, dass Menschen energischer um den Erhalt ihres Besitzes kämpfen als für ein fernes Ziel. Diese Verlust-Aversion könnten sich Pädagogen der Studie zufolge zu Nutze machen, um Schüler zu motivieren. Statt die Kinder nach Leistung zu benoten, bekommen alle Schüler von vornherein eine gute Note oder eine gewissen Anzahl von Punkten, die sie dann verteidigen müssen.

Ob das im Unterrichtsalltag umsetzbar ist, muss sich zeigen. Doch das Anliegen der Studie ist nicht unbedingt ein Anspruch auf Alltagstauglichkeit, der Vodafone Stiftung gehe es stattdessen um einen "provokativen Impuls": Pädagogen sollen für kognitive Ansätze und Verhaltensforschung im Unterricht sensibilisiert werden. Im Lehramtsstudium ist das bisher eher ein Randaspekt.

Weitere Informationen und Praxistipps im Diskussionsforum zur Studie finden Lehrer unter www.lehrerdialog.net.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: