Bildungsexperten warnen vor Fachkräftemangel:"Deutschland droht Schaden zu nehmen"

Das Potential von Millionen hochqualifizierter Arbeitskräfte liegt brach - vor allem von Frauen und älteren Angestellten. Zu diesem Schluss kommt die Studie eines Expertengremiums der Bundesregierung. Die Wissenschaftler rufen daher dazu auf, die Hochschulen zu öffnen und die Männer mehr in die Pflicht zu nehmen. Sonst sehe die Zukunft düster aus.

Der Fachkräftemangel ist und bleibt ein Problem: Bildungsexperten haben an die Bundesregierung appelliert, die Rahmenbedingungen für Frauen und ältere Arbeitnehmer zu verbessern und sie besser in den Arbeitsmarkt zu (re)integrieren. "Zügig und mit Nachdruck" müsse die Regierung alles dafür tun, das Ausbildungssystem zu verbessern und mehr Menschen in den Arbeitsmarkt einzubeziehen.

Merkel bekommt Jahresgutachten der Innovationsforschung

Mitglieder der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) überreichen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)  das Jahresgutachten 2012 der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI).

(Foto: dpa)

Unbedingt müsse das Potential von Frauen und Älteren besser genutzt werden, denn schon bald gebe es in vielen Berufen zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte. "Deutschland droht Schaden zu nehmen", warnt deshalb die von der Bundesregierung berufene und international besetzte "Expertenkommission Forschung und Innovation" in ihrem Jahresgutachten, das am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Die sechs Experten aus Zürich, München, Singapur, Straßburg und Hohenheim kommen in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass es bald zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte geben könnte, gerade in den für Innovation und Wachstum besonders relevanten Berufsfeldern. Angesichts der entscheidenden Bedeutung der wissensintensiven Industrien müsse in Zeiten des demografischen Wandels alles getan werden, um brachliegendes Potenzial zu fördern.

Die Männer sind gefordert

Besonders jenen sechs Millionen Frauen, die nicht erwerbstätig seien, würden in der Arbeitswelt gebraucht, denn viele von ihnen seien hoch qualifiziert. Es müsse einfacher werden, Familie und Beruf zu verbinden, und gleichzeitig Männern klargemacht werden, dass sie bei der Kindererziehung und Familienarbeit gefordert seien.

Instrumente wie das Ehegattensplitting und das geplante Betreuungsgeld, die Familien mit männlichem Alleinverdiener besonders fördern, "sollten abgeschafft oder gar nicht erst umgesetzt werden", sie wirkten sich "schädlich auf den Innovationsstandort Deutschland aus". Denn Splitting und Betreuungsgeld schafften "einen Anreiz vornehmlich für Frauen, keiner oder nur einer geringen Beschäftigung nachzugehen".

Der Innovationsstandort Deutschland drohe Schaden zu nehmen, wenn die Bundesregierung es nicht schafft, in Zeiten des demografischen Wandels das deutsche Ausbildungssystem zu verbessern und die stille Reserve für den Arbeitsmarkt zu aktivieren, heißt es weiter. Der beruflichen Bildung wird auch in Zukunft eine hohe Relevanz zukommen - "hier besitzt Deutschland gegenüber anderen Ländern Vorteile, die bewahrt und ausgebaut werden müssen".

Ausbildung öffnen

Neben ihrer Forderung nach einer aktiven Einwanderungspolitik und besserer Integration älterer Arbeitnehmer legt die Expertenkommission besonderen Nachdruck auf die Weiterentwicklung des deutschen Berufsbildungs- und Hochschulsystems.

Das duale System habe sich bewährt und solle ein Grundpfeiler der hochwertigen Ausbildung bleiben. Deshalb sollten Anstrengungen unternommen werden, auch in Zukunft eine ausreichende Zahl gut qualifizierter Schulabgänger für eine duale Ausbildung zu gewinnen, heißt es im Gutachten. Der zweite Pfeiler, das Hochschulsystem, stehe vor der Herausforderung, weiterhin ausreichend Studierende für die wachstums- und innovationsförderlichen Studiengänge zu gewinnen.

Obwohl die Zahl der Hochschulabsolventen eines Jahrgangs seit dem Jahr 2000 von 18 auf 25 Prozent gestiegen ist, fällt Deutschland international zurück. In den Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sprang deren Zahl in der gleichen Zeit von 28 auf 38 Prozent.

Die Kommission hält dies für dringlich, da die für den globalen Wettbewerb besonders wichtigen ingenieurwissenschaftlichen Fächer von den insgesamt gestiegenen Studierendenzahlen kaum profitiert haben. Daneben müssen sich nach Einschätzung der Experten die Hochschulen verstärkt in der akademisch fundierten Weiterbildung engagieren.

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