Bildungsbericht 2012:Sockel der Chancenlosen

Mütter kehren schneller in den Beruf zurück, ihre Kinder sind erfolgreichere Schüler: Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren des Bildungsberichts 2012. Den Zusammenhang sehen sie darin, dass Kinder in der Kita besser Deutsch lernen. Trotzdem bricht fast jeder fünfte Jugendliche seine Ausbildung ab.

Roland Preuß, Berlin

Der massive Ausbau der Kinderbetreuung in den vergangenen zehn Jahren verändert das Berufsleben vieler Menschen, aber auch die Erfolgschancen von Schülern. Frauen pausieren deutlich kürzer, wenn sie Mutter werden, Jugendliche erreichen immer häufiger höhere Schulabschlüsse. Dies sind zentrale Ergebnisse des Bildungsberichtes, den die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesbildungsministerium am Freitag in Berlin vorstellten. Der staatlich finanzierte Bericht gibt alle zwei Jahre eine umfassende Bestandsaufnahme zur Bildung und soll Erfolge und Missstände aufzeigen.

Finale im Vorlesewettbewerb

Kinder ohne Schul- und Ausbildungsabschluss landen häufig im Abseits.

(Foto: dpa)

Die Entwicklung bei jungen Müttern lässt sich unter den Erfolgen verbuchen. Dank des besseren Betreuungsangebotes für kleine Kinder halten viele von ihnen ihre Babypause kürzer als noch vor wenigen Jahren und steigen wieder in den Beruf ein. Insbesondere, wenn das jüngste Kind drei Jahre alt wird und dann in der Regel eine Kita besucht, sei "ein deutlicher Anstieg der Erwerbstätigkeit zu verzeichnen", schreiben die Autoren des Bildungsberichts. Im Schnitt dauert die Babypause zwei Jahre kürzer als noch vor zehn Jahren. Allerdings arbeiten viele Frauen dann nur in Teilzeit - nach ihren eigenen Angaben oft unfreiwillig.

Die Entwicklung kommt der Bundesregierung entgegen, die gerade junge Mütter dazu bewegen will, häufiger zu arbeiten, um den wachsenden Bedarf an qualifizierten Beschäftigten zu stillen. Ein entsprechendes Konzept zur "Fachkräftesicherung" hatte das Kabinett vergangenes Jahr verabschiedet. Die immer bessere Ausbildung von Frauen trage jedoch ebenfalls zu der Entwicklung bei, sagte der Vorstand des Deutschen Jugendinstitutes, Thomas Rauschenbach: "Je höher ihre Qualifikation, desto schneller wollen sie in den Beruf zurück."

Betreute Kinder sprechen besser Deutsch

Betreute Kinder haben zudem oft einen besseren Start in der Schule, etwa, weil sie in der Kita ihr Deutsch verbessern. Der KMK-Präsident und Hamburger Bildungssenator Ties Rabe (SPD) sieht den Ausbau der Kinderbetreuung daher als einer der Hauptgründe für das allgemein gestiegene Bildungsniveau. So verringerte sich zwischen 2006 und 2010 die Zahl der Schulabbrecher pro Jahrgang von acht auf 6,5 Prozent, auch der Anteil der Abiturienten stieg von knapp 30 auf fast 34 Prozent.

Trotz dieser positiven Entwicklung sprachen Autoren der Studie von einem recht festen Anteil von Jugendlichen, die ohne Schul- oder Ausbildungsabschluss im Abseits landen, eine Art Sockel der Chancenlosen, der etwa 15 bis 20 Prozent ausmacht. Unter ihnen sind viele Jugendliche aus Migrantenfamilien. Sie seien inzwischen zwar erfolgreicher in den Schulen, es sei aber nicht erkennbar, dass die Unterschiede zu den einheimischen Schülern abgebaut würden, sagte Horst Weishaupt, Professor beim federführenden Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung. Dieses Problem dürfte weiter anwachsen, weil der Anteil der Kinder mit ausländischen Wurzeln weiter zunimmt. "Wir brauchen mehr Unterstützung für sie, hier ist noch viel zu tun", sagte Rabe.

Weniger Beschäftigte bilden sich weiter

Die Bildungsforscher haben zudem weitere Defizite abseits der Schulen ausgemacht: So bilden sich immer weniger Beschäftigte weiter. Vor allem jüngere Erwachsene bis zu 35 Jahren haben offenbar immer weniger Lust oder Zeit, im Job dazuzulernen. Daran haben auch Appelle der Politik und Weiterbildungsstipendien des Bundesbildungsministeriums nichts geändert. Anders als bei den Schulen und Hochschulen gebe es in diesem Bereich "keine Dynamik", hieß es.

Eher undynamisch wirkt auch die neue Generation an Azubis, sie beginnt ihre Ausbildung immer später. Mittlerweile erreicht der typische Jung-Lehrling ein Durchschnittsalter von 19,5 Jahren. Der Bildungsbericht konstatiert deshalb eine Art Bummel-Azubi, der offenbar erst nach einer Phase der Orientierung, des Jobbens oder anderer Betätigungsversuche einen Lehrvertrag unterschreibt. Die genaue Ursache für das Phänomen ist jedoch noch unklar, die Forscher machen vor allem Schulabbrecher und Lehrlinge mit Hauptschulabschluss für den späten Einstieg verantwortlich. Bislang war der Begriff "Bummeln" eher mit Studenten verknüpft, die allerdings wegen der neuen Studiengänge Bachelor und Master immer schneller fertig werden.

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