Bildung:Mehr Geld für Brennpunkt-Schulen: So werden sie ausgewählt

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Ein Schüler liest in einer Grundschule ein Buch. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild)

Viele Grundschülerinnen und Grundschüler können nicht richtig lesen, andere nicht rechnen. Schwierig ist die Lage vor allem an sogenannten Brennpunkt-Schulen. Mit einem Sozialindex sollen sie identifiziert und gezielt unterstützt werden. Das reicht nicht, sagen einige.

Direkt aus dem dpa-Newskanal: Dieser Text wurde automatisch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernommen und von der SZ-Redaktion nicht bearbeitet.

Stuttgart (dpa/lsw) - Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hat versprochen, sogenannte Brennpunkt-Schulen gezielt mit Personal und mehr Geld zu unterstützen. Nun ist auch klar, wie diese genau identifiziert werden sollen. Aus einer Antwort des Kultusministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion geht hervor, aus welchen Kriterien der geplante Sozialindex konkret bestehen soll. Einigen reichen die Planungen aber bei weitem nicht aus. „Bisher will die Landesregierung nur kleine Brötchen backen“, kritisiert zum Beispiel die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Nach den Plänen des Landes sollen vier Indikatoren bestimmen, ob eine Schule besonders unterstützt werden muss: Demnach zählen der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, die Zahl der Bücher im Haushalt der Kinder und Jugendlichen, die durchschnittliche Kaufkraft pro Einwohner im Schulbezirk sowie der Anteil der Haushalte ohne Schulabschluss.

Zum Einsatz kommen soll der neue Index ab dem Schuljahr 2023/2024. Im Bezirk der Schulämter Biberach, Lörrach und Tübingen sollen Schulen mit besonders hohen Indexwerten in einem Modellversuch mit zusätzlichem Geld unterstützt werden. Nach Angaben des Kultusministeriums werden dafür in den nächsten zwei Jahren rund 690 000 Euro pro Jahr an die Schulen in diesen Bezirken verteilt. Sie können damit zum Beispiel weiteres Personal anstellen oder mit Lerntherapeuten kooperieren. Insgesamt stehen laut Ministerium im Haushalt 1,1 Millionen Euro pro Jahr für den Modellversuch bereit.

Darüber hinaus hat das Ministerium der Anfrage zufolge fünf weitere Städte identifiziert, in denen der Bedarf nach zusätzlicher Unterstützung besonders hoch ist: Mannheim, Pforzheim, Stuttgart, Singen und Heilbronn. Auch aus diesen Städten sollen besonders stark benachteiligte Grundschulen in den Modellversuch aufgenommen werden.

Hintergrund sind mehrere Bildungsstudien, bei denen Schülerinnen und Schüler im Land schlecht abgeschnitten hatten. So wurde im Herbst bekannt, dass immer mehr Grundschüler die Regelstandards beim Lesen, Schreiben, Rechnen und Zuhören nicht mehr erreichen. Erst am Dienstag ergab die internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu), dass jeder vierte Viertklässler in Deutschland beim Lesen nicht das Mindestniveau erreicht.

Laut Ministerium sollen auch weitere Maßnahmen mithilfe des Sozialindex gezielt im Land verteilt werden. „Der vorläufige Sozialindex dient als Grundlage für die Auswahl der Schulen für den Einsatz Pädagogischer Assistentinnen und Assistenten, der Erprobung multiprofessioneller Teams an Grundschulen sowie der Auswahl der für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im pädagogischen Bereich der Schulen in Frage kommenden Einsatzstellen“, schreibt das Ministerium.

Aus Sicht der Grünen-Fraktion ist diese Form der Zuweisung ein guter Anfang, es brauche aber weitere Maßnahmen, darunter eine flächendeckende Einführung multiprofessioneller Teams und verpflichtende Sprachtests für Vierjährige. Zustimmung auch aus der Wirtschaft: Für den Hauptgeschäftsführer des Dachverbands Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), Oliver Barta, ist die Zuweisung ein längst überfälliger Schritt. „Wir können es uns weder gesellschaftspolitisch noch volkswirtschaftlich leisten, all die Potenziale von Kindern und Jugendlichen ungenutzt zu lassen“, sagte er.

Der GEW reicht das nicht: Statt eines ernsthaften Stufenplans präsentierte die Regierung einen „Mini-Modellversuch“, um Zeit zu gewinnen bis zur nächsten Landtagswahl. „Mutige Bildungspolitik findet man derzeit nur in anderen Bundesländern“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein in Freiburg. Um Ressourcen sozialindexbasiert verteilen zu können, müssten die entsprechenden Ressourcen erst einmal vorhanden sein, kritisierte sie weiter. „Derzeit gibt es an den Grundschulen nicht einmal genug Lehrkräfte für den Pflichtbereich.“ Zwar seien multiprofessionelle Teams und der Sozialindex die richtigen zentralen Vorhaben. Für beides seien aber bisher nur völlig unzureichende Ansätze erkennbar.

Wenig überzeugt ist auch die SPD. Die Oppositionsfraktion wirft der Regierung eine „Umsetzung im Schneckentempo“ vor, die daran zweifeln lasse, dass sie den Ernst der Lage wirklich erkannt habe. „Mini-Modellversuche, von denen auf Jahre gesehen nur ein Bruchteil der Schülerinnen und Schüler profitieren, sind schlicht und ergreifend zu wenig“, sagte die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Katrin Steinhülb-Joos.

© dpa-infocom, dpa:230519-99-745609/4

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